Dinslaken. . NRZ-Leser diskutierten mit Experten der RAG das Grubenwasserkonzept nach Ende des Steinkohlenbergbaus 2018. Antworten auf Fragen in der Zukunft.
150 Jahre lang war der Bergbau an Rhein und Ruhr entscheidende Stütze und Motor für wirtschaftlichen Aufschwung und Wohlstand in der gesamten Bundesrepublik. Sein Erbe wird bleiben. Auch über das Ende der Förderung 2018 hinaus. Für die Ewigkeit. Besonders im Fokus steht dabei die Frage, wie die RAG mit 90 Millionen Kubikmetern Grubenwasser umgeht, die ständig aus der Tiefe geholt werden müssen. Wie sehr ist dieses Wasser mit Schadstoffen belastet, wie gefährlich ist das für Mensch und Umwelt und wie will die RAG auf Dauer mit diesen Wassermassen umgehen? Fragen, die rund 30 NRZ-Leser am Montagabend beim Leserdialog im Ledigenheim in Dinslaken-Lohberg mit Experten der RAG diskutierten.
Der Ort war mit Bedacht gewählt, denn geht es nach den Plänen der RAG, kommt dem Standort der ehemaligen Zeche Lohberg eine zentrale Rolle bei der Grubenwasserhaltung ab 2035 zu. 35 Mio der 90 Mio Kubikmeter Grubenwasser sollen hier gehoben und in den Rhein abgeleitet werden. Aus derzeit 13 Standorten, an denen Wasser mit riesigen Pumpen nach über Tage gefördert wird, sollen einmal nur noch sechs werden. Dafür müsste das Grubenwasser ansteigen, um dann über alte Streckenverbindungen zu den vorgehaltenen Entnahmepunkten zu gelangen.
Kritiker des Konzeptes sehen aber die Trinkwasservorkommen gefährdet und fürchten das Ausspülen von Giftstoffen, von denen 1,6 Mio Tonnen unter Tage verbracht worden sind.
„Leiten Sie das Wasser mit oder ohne Kläranlagen in die Flüsse ein?“, wollte ein NRZ-Leser von Joachim Löchte, Zentralbereichsleiter Umweltschutz bei der RAG, wissen: „Eine Genehmigung für eine Einleitung bekommen wir nur, wenn die Qualität des Grubenwassers mit der des Gewässers zu vereinbaren ist. Wo Schwefelwasserstoffe entstehen, werden wir die Geruchsbelästigungen verhindern.“ Keine ausreichende Antwort für die Mülheimerin Sabine Schweizerhof: „Das ist doch Augenwischerei. Sie nutzen das Prinzip der Verdünnung im Rhein. Was Sie riskieren, ist eine großflächige Vergiftung der Umwelt in der Region.“ Harsche Kritik, die die RAG-Experten so nicht stehen lassen wollten. Es würden derzeit Fachgutachten erstellt, um die Schadstoffbelastungen auch prognostizieren zu können. Eine Antwort auf die Frage, warum denn nicht alles zu Tage geförderte Grubenwasser gefiltert würde, gab es aber nicht. Aber die Zusicherung, dass man alles tun werde, die gesetzlichen Grenzwerte nicht zu überschreiten.
PCB als Umweltskandal?
Welche Sicherungen baut die RAG ein, falls das Konzept nicht funktioniere, wollte ein Leser wissen. „Deshalb halten wir zahlreiche Sicherungsstandorte vor, um im Notfall auch an anderen Stellen Grubenwasser zu heben“, erklärte Dr. Michael Drobniewski, Betriebsdirektor Grubenwasserhaltung bei der RAG. Auch vor einem möglichen großflächigen Stromausfall oder gar Hacker-Angriff sei man geschützt. Das Grubenwasser steige so langsam, dass man Monate Zeit habe zu reagieren.
Reizthema für viele Bergbau-Kritiker ist und bleibt das Thema PCB. Zur Sicherung der Bergleute wurden nicht brennbare PCB-haltige Öle in Maschinen eingesetzt. Wie viele der 9300 in NRW eingesetzten Tonnen PCB-haltigen Öls noch unter Tage sind, lässt sich nur schwer feststellen. „Alle unsere Tests haben ergeben, dass wir eine Jahresfracht von 120g PCB heben. Zum Vergleich: Der Rhein hat eine Jahresfracht von 70 000g PCB“, so Löchte, der vor allem den Umweltgedanken in den Vordergrund stellen wollte.
Das neue Grubenwasserkonzept würde 220 Kilometer Oberflächengewässer, darunter die Emscher, frei von Grubenwasser halten. Das sei ein wertvoller Beitrag zum Umweltschutz. Für Sabine Schweizerhof erneut keine befriedigende Antwort. „Ich finde es gut, dass die RAG sich der Diskussion stellt. Sich aber als großer Umweltschützer zu präsentieren, trifft die Realität nicht. Ich lehne das Grubenwasserkonzept der RAG in seiner jetzigen Form strikt ab.“
NRZ-Leser Thomas Vieth aus Neukirchen-Vluyn war mit dem Leserdialog zufrieden. „Ich habe viele hochinteressante Fragen und Antworten darauf gehört. Obwohl es ja um Fragen geht, die wir letztlich erst in 15 Jahren beantworten können. Ich bin positiv gestimmt, dass ein Weg gefunden wird, ein funktionierendes Konzept zu entwickeln.“ Immerhin soll es eines sein, das für die Ewigkeit hält.