Düsseldorf. . Die von Stadt Düsseldorf erst 2013 erhobenen Anliegergebühren sind rechtens, urteilt das Verwaltungsgericht. Der Steuerzahlerbund hat erhebliche Zweifel

„Damit hatten wir nicht gerechnet“, bekennt Lothar Otto (56) auf dem Flur des altehrwürdigen Düsseldorfer Verwaltungsgerichts. 2005 hatte er im Süden der Landeshauptstadt mit seiner Frau ein Haus gebaut. Die Straße existierte da schon seit vielen Jahrzehnten, die meisten umliegenden Wohnhäuser stammten aus den 1950er und 1960er Jahren. Umso erstaunter sind die Zugezogenen, die selbst Verwaltungsbeamte sind, als ihnen 2013 ein Gebührenbescheid ins Haus flattert: Sie sollen Erschließungsgebühren zahlen, ganz so, als ob sie in einem Neubaugebiet gebaut hätten - Beträge je nach Grundstück zwischen 8400 und 14 000 Euro. Im Bescheid sind auch die Kosten für die Fahrbahndecke enthalten, die während der NS-Zeit 1937 aufgetragen worden war. Die Reichsmark sind in Euro umgerechnet, die Inflationsrate berücksichtigt. Mit satten 14 000 Euro schlägt der Posten zu Buche. Die Anwohner ziehen vor Gericht.

Doch gestern erklärt ihnen der Vorsitzende Richter Stephan Barden, dass die Bescheide weitgehend rechtmäßig seien (Az.: 12 K 8122/13). 1937 wurde die Fahrbahn aufgetragen, 1956 kamen Laternen dazu, 1976 der Kanal. 2009 und 2010 wurden Gehwege gebaut, Grünstreifen angelegt. Erst mit dem Bau der Bürgersteige sei die 1937 begonnene Erschließung des Straßenabschnitts - über 70 Jahre später - beendet worden.

Das ist auch der entscheidende Unterschied zu dem Fall, der Anfang des Monats ebenfalls von den Düsseldorfer Verwaltungsrichtern verhandelt wurde. Da wollte die Stadt Wuppertal je 3500 Euro Gebühren von zwei Anliegern eintreiben für eine Straße, die Anfang der 1980er Jahre ausgebaut wurde (die NRZ berichtete). Die Richter kassierten den Gebührenbescheid, weil die Straße schon seit Mai 1985 technisch voll hergestellt war.

Dass sich der Ausbau einer Straße im Düsseldorfer Fall über 70 Jahre zieht, mutet ungewöhnlich an. „Heute würde man das nicht mehr so machen, sondern in einem Zug“, räumt Richter Barden ein. Dennoch: Die Stadt sei nach Ende der Erschließung sogar verpflichtet, die Beiträge zu erheben. „Wenn fertig ist, muss abgerechnet werden.“ Pech für die Zugezogenen: Die Erschließung darf Jahrzehnte dauern. Während der Zeit gebe es „keine Verjährung, keine Verwirkung, keinen Vertrauensschutz“.

Neue Bescheide fallendeutlich geringer aus

Ein Trostpflaster hält das Gericht für die Anwohner dennoch parat: den Grundsatz der „einseitigen Anbaubarkeit“. Meint: Wo nur eine Straßenseite mit Häusern bebaut werden darf, darf auch nur ein Gehweg in Rechnung gestellt werden. Dadurch verringert sich die Gesamtsumme um fast 30 000 Euro - immerhin doppelt so viel wie für den „Hitler-Asphalt“. Die per Taschenrechner im Gerichtssaal neu berechneten Gebührenbescheide fallen so deutlich geringer aus. Die Anwohner, die bereits die Gebühren bezahlen mussten, erhalten nun einen Teil zurück. Und so scheint nach zweistündiger Verhandlung in der Straße Auf’m Rott der Rechtsfrieden eingekehrt - die Kläger ziehen ihre Klagen zurück: „Wenn es so ist, dann ist es halt so.“

Nur: Ist es wirklich so? Harald Schledorn, Gebührenexperte beim Bund der Steuerzahler in Nordrhein-Westfalen, hält die Gerichtsentscheidung für „einen Hammer“: „Es kann nicht sein, dass Bürger bis zum Sankt Nimmerleinstag zur Kasse gebeten werden können!“ Gegenüber der NRZ verweist Schledorn auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom März 2013, wonach „ein Bürger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen muss, ob und in welchem Umfang er erlangte Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss“ (Az.: 1 Bv R 2457/08). Schledorn hält es auch für fragwürdig, ob eine Straße wirklich erst mit dem Gehweg eine Straße und nicht schon vorher als fertig gelten kann. Er glaubt, dass die Anlieger in der nächsten Instanz vorm Oberverwaltungsgericht Münster eine Chance hätten.