Essen. Nach Konzert-Absagen geht's in der Festival-Branche um viel Geld. Wir verraten, ob's für Fans teurer wird und Festivals demnächst drinnen stattfinden.
Diesen Festival-Sommer hatten sich Veranstalter und Fans sicher anders vorgestellt. Nach Konzert-Absagen, vielen Verletzten und Rückerstattungen für Eintrittskarten steht die Festival-Branche mit dem Rücken zur Wand. Ob Versicherungen das Risiko von Millionenverlusten in den kommenden Jahren noch einmal eingehen werden, scheint unklar. Ebenfalls offen: Können Veranstalter noch höhere Beiträge bezahlen? Stehen Open-Air-Festivals in Deutschland jetzt vor dem Ende? Wir geben Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Waren die Festival-Saisons in den vergangenen Jahren wirklich so schlimm?
Ja. (Teil-)Absagen und Verletzte scheinen an der Tagesordnung zu sein. Sommer 2015: Das Juicy-Beats-Festival in Dortmund fiel buchstäblich ins Wasser. Und in diesem Jahr lief es für andere Veranstaltungen nicht besser.
Rock am Ring wurde diesen Sommer nach einem Unwetter mit 71 Verletzten von den Behörden abgebrochen. Auch das Hurricane-Festival war von Unwettern betroffen. Einige Konzerte fielen aus, am Sonnabend blieb das Festivalgelände ganz gesperrt. Das Schwester-Festival Southside endete wegen starker Gewitter bereits einen Tag früher.
Was heißt das für die Veranstalter der Festivals?
Auf jeden Fall geht es um viel Geld. Nach den Absagen bekommen viele Fans ihre Eintrittsgelder wieder. Technik, Bands und Personal kosten trotzdem. Konkrete Verlust-Summen wollten allerdings nur wenige Veranstalter nennen. Von 15 bis 20 Millionen Euro Verlust sprach der Veranstalter des "Hurricane"- und des "Southside"-Festivals. Grundsätzlich seien die Kosten für den Ausfall eines oder mehrerer Festivaltage nicht kalkulierbar, heißt es von Juicy-Beats-Veranstalter Martin Juhls.
Für das Hurricane- und das Southside-Festival prüft das Konzertunternehmen FKP Scorpio mit dem Versicherer, ob die Besucher Eintrittsgelder zurückbekommen. Bei Rock am Ring steht das schon fest.
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Beim Wacken-Open-Air sieht der Veranstalter ICS Festival Service den unbeständigen Wetter gelassen entgegen. "Umsatzeinbrüche bei Gastronomie und Merchandising sind aber bei Witterungsproblemen immer ein Thema", sagt Veranstalter Holger Hübner. Auch die Sponsoren seien bei Teilabsagen natürlich nicht erfreut.
Aber die Festivals sind doch bestimmt auch versichert?
Das stimmt. Veranstalter schließen meist eine Versicherung gegen einen Veranstaltungsausfall ab, so der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft. "Dazu zählen zum Beispiel Kosten, die entstehen, wenn durch Unwetter oder Krankheit eines Künstlers die Veranstaltung abgesagt, abgebrochen oder verschoben werden muss", sagt ein Verbandssprecher. Je nach Veranstaltung werden auch nicht gezahlte Sponsorengelder von der Ausfallversicherung übernommen.
Matsch-Alarm beim Hurricane Festival
Durch die vielen Ausfälle kommen jetzt aber auch die Versicherer in Bedrängnis. „Das Ausmaß der Schadenfälle in diesem Sommer übersteigt alle bisherigen Erfahrungswerte“, sagt eine Ergo-Sprecherin. Die Versicherung hat auch Rock-am-Ring mit versichert. Für ein dreitägiges Rockfestival kämen bereits rund zehn Millionen Euro Versicherungssumme zusammen. Eine Erhöhung der Beiträge sei sehr wahrscheinlich. Bei der Ergo-Versicherung geht man davon aus, dass einzelne Versicherer künftig keine Festivals oder Open-Air-Konzerte mehr versichern werden.
Gibt es auch spezielle Wetterversicherungen?
Ja, diese Wetter-Derivate sorgen für eine Entschädigung, sobald ein bestimmtes Wetterszenario eintritt. Das wird meist sehr individuell vereinbart und ist für die Veranstalter recht risikoreich. Anders als bei klassischen Versicherungen müsse bei den Wetter-Derivaten kein Sachschaden vorliegen, heißt es weiter. Es reiche, wenn das Wetter aus der Reihe schlägt.
Werden die Tickets jetzt wegen steigender Versicherungskosten teurer?
Auch hier möchte sich noch kein Veranstalter auf genaue Zahlen festlegen. Allerdings ist es wohl recht wahrscheinlich, dass die Preise steigen. So heißt es bei Wacken-Open-Air, dass "bei der Ticketpreiskalkulation alle Kosten einer Veranstaltung eine Rolle spielen, auch die Versicherungskosten."
Ob sich möglicherweise steigende Preise für Versicherungen auf die Ticketpreise auswirken, gelte es abzuwarten, heißt es von Juicy Beats. Das Konzertunternehmen FKP Scorpio, Veranstalter vom Southside- und Hurricane-Festival, hält sich komplett bedeckt.
Ändern die Veranstalter jetzt etwas an ihrem Sicherheitskonzept?
Trotz der vielen Verletzten wird es wohl nur wenige Änderungen an den Sicherheitskonzepten geben. Schließlich sei man ohnehin im ständigen Kontakt mit den Behörden. Einen kleinen Wetter-Vorteil hat wohl das Wacken-Open-Air. Dort gibt es seit fünf Jahren eine eigene, amtliche Wetterstation. Außerdem sei die statistische Gefahr von Unwettern mit Blitzen in Wacken recht gering. Und - bei Gewitter ein großer Vorteil - das Campen am Auto ist erlaubt.
Kann man die Festivals nicht einfach nach drinnen verlegen?
Das schließen die Veranstalter aus. Ein Ende der Open-Air-Festivals kann man bei Jucy-Beats aber nicht erkennen. Die Veranstalter sind „mehr als zuversichtlich“, das auch in den kommenden Jahren weiter fortzuführen. „Ein Juicy Beats als „Indoor“-Festival steht für uns außer Frage.“ Bei Wacken-Open-Air sieht man Hallen- bzw. Arenafestivals wie in den USA nicht als Alternative. "Open-Airs auf der grünen Wiese sind immer noch die Nummer Eins", sagt Holger Hübner: "Sie sind durch keine Halle oder Stadion zu ersetzen".