Duisburg.. Ein Wohnhausbrand in Duisburg macht deutlich, dass Wärmedämm-Fassaden ein Brandrisiko bergen. Auch Baumängel und Löcher können Brände begünstigen.
Es war nur ein Zimmerbrand, doch er führte zu einer Tragödie: Bei einem Feuer in einem Mehrfamilienhaus in Duisburg-Meiderich sind am Dienstag drei Menschen zu Tode gekommen. 26 Bewohner wurden verletzt, davon zwei lebensgefährlich. Am Tag darauf stand fest: Ein umgekipptes Teelicht im Erdgeschoss löste den Zimmerbrand aus. Aber das Feuer breitete sich bis zum Dach aus - begünstigt wohl durch die wärmegedämmte Fassade. Besonders Fassaden aus dem Baustoff Polystyrol machen Feuerwehren Sorgen - wegen ihres Brandrisikos.
"Wir sorgen uns seit Jahren um das Brandgeschehen solcher Fassaden", sagt Jochen Stein vom Verband der Feuerwehren NRW. Brände an Fassaden, die wie womöglich auch in Duisburg, mit "Wärmedämmverbundsystemen" (WDVS) aus Schaumdämmstoffen wie etwa Polystyrol verkleidet sind, seien zwar eher selten. Aber wenn ein Feuer übergreift, sind die Folgen besonders heftig. Stein, der Chef der Bonner Feuerwehr ist: "Solche Dämmungen können einen Brand rasend schnell weitertragen".
Fünf Tote bei Fassadenbrand in Köln
In Köln gab es an Weihnachten 2005 bei einem ähnlichen Brand wie in Duisburg fünf Tote. In Essen setzte im September 2009 ein brennender Müllcontainer die Fassade eines vierstöckigen Wohnhauses in Brand; laut Feuerwehr habe die verwendete Dämmung der Baustoffklasse B1 entsprochen, was nach DIN-Bestimmung "schwer entflammbar" bedeutet.
Der Deutsche Feuerwehrverband listet seit 2001 bundesweit 86 derartige "Brandereignisse in Verbindung mit WDVS" auf. Auf Youtube finden sich Videos, auch von einem brennenden Hochhaus in der französischen Stadt Roubaix, wo sich im Juni 2012 ein Feuer auf einem Balkon in der 1. Etage bis auf das Dach hochfraß - in rasantem Tempo über die Wärmedämmfassade.
"Leicht zu entflammen sind Dämmstoffe nicht"
"Wärmedämmung kann Hausbrände verschlimmern", sagt dazu Wilfried Hinrichs, stellvertretender Leiter der niedersächsischen Materialprüfanstalt für das Bauwesen (MPA). Dort hat man 2011 in einem Versuch belegt, wie rasend schnell sich Feuer über Dämmstoffe aus Polystyrol - Marktanteil in Deutschland etwa 32 Prozent - ausbreitet; wenn sie denn einmal Feuer gefangen haben. "Leicht zu entflammen sind sie nicht", sagt Hinrichs. Die Flamme eines Feuerzeugs reiche nicht, um solche Schaumdämmstoffe anzuzünden, auch einem darauf geschleuderten Brandsatz hielten sie stand. Doch bei einem Zimmerbrand entstehen bis zu 1000 Grad Hitze, auch der Rauch ist mehrere Hunderte Grad heiß. Das kann dann nach einiger Zeit und wenn das Feuer etwa Fenster zerstört, eine Dämm-Fassade davor in Brand setzen. Eine ungedämmte Mauer hingegen nicht.
Die Studie aus Braunschweig hatte bei der Baustoffindustrie Protest ausgelöst: "Der Versuchsaufbau entsprach nicht dem für Zulassungsprüfungen geforderten Aufbau", wurde unter anderem kritisiert. Doch ein Experte weist in einem WDR-Bericht darauf hin, dass WDVS-Baustoffe in Deutschland zwar als "schwer entflammbar" klassifiziert sind; laut EU-Klassifizierung aber sind die gleichen Materialien als brennbar eingestuft und dürften somit an Wohngebäuden nicht verbaut werden; hierzulande aber werde nach deutscher Norm verfahren.
Baumängel bei der Wärmedämmung können Brandrisiko sein
Auch Baumängel können das Brandrisiko von Wärmedämmfassaden erhöhen. In der Feuerwehr-Liste zu den gemeldeten Brandfällen findet sich sehr häufig der Hinweis: "Augenscheinlich keine Brandriegel vorhanden"; Polystyrol-Fassaden müssen laut Bauvorschriften in Deutschland inzwischen bei Wohngebäuden ab einer bestimmten Geschosszahl durchzogen sein von nicht brennbaren Dämmteilen, etwa Mineralwolle - um die Fensterstürze herum oder als Riegel in der Fassade, aber nur alle paar Etagen. Auch Löcher in der, im Vergleich zu Mineralwolle deutlich billiger verkauften Dämmung - etwa durch Vögel gepickt - erhöhten bei einem Feuer das Risiko, dass die Polystyrol-Platten in Flammen aufgehen: "Weil der Putz auch ein Brandschutz ist", sagt Feuerwehrmann Jochen Stein.
Auch die Feuerwehr wird bei Einsätzen mit brennenden Dämm-Fassaden in Mehrfamilienhäusern vor besondere Herausforderungen gestellt, erläutert Stein: "Wir müssen innerhalb von kurzer Zeit gleichzeitig viele Menschen auf mehreren Etagen retten". Brennt eine Fassade, kann dort die Feuerwehrleiter nicht eingesetzt werden. "Dann ist das Treppenhaus der einzige Rettungsweg". Umso wichtiger, dass sich die Menschen dann "richtig verhalten", sagt Stein: Wohnungstüren etwa müssen geschlossen sein, damit das Treppenhaus nicht verraucht. Und generell gelte: "Jeder sollte seine Wohnung durch Rauchmelder sichern".
Brandsachverständiger untersucht Art und Ausführung der Dämmung
Ein Nachteil der Polystyrol-Dämmung könne aus Feuerwehrsicht jedoch auch als ein Vorteil gewertet werden, meint Stein: "Das Material ist relativ schnell abgebrannt". Das schützt, wie in Duisburg, nicht vor schlimmen Folgen: "Einmal in Brand gesetzt, entwickelt sich eine erhebliche Energie".
Inwieweit die Wärmedämmung der Fassade den Brand in Duisburg tatsächlich begünstigte, ist nun Teil von Untersuchungen, teilte die Stadt Duisburg auf Anfrage mit. Ein von der Staatsanwaltschaft beauftragter Brandsachverständiger ermittle. Zu klären sei unter anderem, um welche Bauweise der Dämmung es sich handelte und welche Materialien verwendet wurden. Auch sei zu klären, inwieweit die Bauausführung den damals geltenden Richtlinien entsprach. Der Dachstuhl des Hauses sei einsturzgefährdet, das Haus wohl nicht mehr zu bewohnen. Das Feuer, bestätigte eine Stadtsprecherin, habe sich jedenfalls "sehr schnell" bis ins Dach ausgeweitet.