Kreis Lippe. . Zum vierten Mal seit 2009 ist das Raubtier nun in Nordrhein-Westfalen nachgewiesen worden. Eine Videokamera zeichnete alles auf.

Der Wolf stillte gleich zweimal seinen Hunger. In der Nacht zu Ostersamstag riss er Ziegenbock „Peter“, der mit einer kleinen Zwergziegen-Herde und drei Schafen auf einer Weide in Sommersell bei Barntrup im Kreis Lippe gegrast hatte. Und in der folgenden Nacht tötete der Räuber Bock „Klaus“ und fraß sich satt. Eine weitere Ziege wurde so schwer verletzt, dass sie später eingeschläfert werden musste. Ein Elektrozaun hatte die Herde eigentlich sichern sollen.

Anders als bei einem Schaf, das im Februar im Oberbergischen Kreis durch einen Hund gerissen wurde (eine Speicheluntersuchung der Bissstellen hat das nun bestätigt), steht in diesem Fall fest: Hier war ein Wolf am Werk. Der Bauer, dem die Ziegenherde gehört, hatte nach der ersten Attacke eine Videokamera in den Birnbaum gehangen. Den Angriff in der zweiten Nacht hat sie in allen grausamen wie aber auch natürlichen Details aufgezeichnet, der Angreifer ist deutlich zu erkennen. Fachleute haben ihn anhand der kleinen Ohren, des typischen Schwanzes und der Haltung als Wolf identifiziert.

Zum vierten Mal seit 2009 ein Wolf in NRW

Mit dem Video ist nun zum vierten Mal seit 2009 ein Wolf in NRW nachgewiesen worden. Erst im vergangenen Dezember hatte ein Wolf ein Schaf im ostwestfälischen Stemwede (Kreis Minden-Lübbecke gerissen), einige Zeit später hatte eine Wildkamera im Siegerland ein solches Raubtier fotografiert. Fachleute gehen davon aus, dass es sich um durchziehende Jungwölfe handelt. Die nächsten Rudel leben in Niedersachsen in der Lüneburger Heide. Ein Einzeltier hat sich im Diepholzer Moor angesiedelt, gut 100 Kilometer Luftlinie von Barntrup im Kreis Lippe entfernt. Allerdings kann es bei den Vorfällen jetzt auch um ein völlig anderes Tier handeln, Wölfe legen enorme Strecken zurück.

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Landwirte wie Gerd Dumke von der Schafzüchtervereinigung sorgen sich, dass Angriffe auf Nutztiere in NRW zunehmen werden und fordern Schutz, mehr Entschädigungen. Ein mit Landwirten, Jägern und Umweltschützern dazu vereinbarter Wolfsmanagement-Plan, 29 Seiten stark, soll noch in der Jahreshälfte veröffentlicht werde, sagte ein Sprecher von Umweltminister Johannes Remmel (Grüne). Entschädigungsregeln sind bereits in Kraft, und so wird der Bauer aus Sommersell jetzt auch zumindest finanziellen Ersatz für seine Tiere erhalten.

Fachleute sehen keine Gefahr für Menschen

In Sommersell selbst gibt es Sorge, weil das Raubtier bei seinen nächtlichen Beutezügen der Wohnbebauung nahekam. Der Hof der Landwirtsfamilie befindet sich nur 50 Meter von der Weide entfernt. Seit Wölfe vor 13 Jahren nach Deutschland zurückgekehrt sind und sich wieder ausbreiten (siehe Info-Box), ist tatsächlich aber kein Fall bekannt, dass sich in Deutschland ein Tier aggressiv Menschen genähert hätte. Dass sie sich bei der Futtersuche Siedlungen nähern können, sei aber nichts Ungewöhnliches: „Das hat man jetzt auch in Niedersachsen erlebt“, sagt Dr. Matthias Kaiser vom Landesumweltamt Lanuv. Er sieht keine besondere Gefahr für Menschen Mit einem neuerlichen Auftauchen des Wolfes in Barntrup rechnet Kaiser nicht unbedingt: „Die Ziegenherde ist jetzt aufgestallt“ - die Futterquelle versiegt.

Umweltschützer freuen sich über die Rückkehr des Wolfes. Über das Auftreten im Kreis Lippe zeigt sich Holger Sticht, Landeschef des BUND, nicht überrascht: „NRW ist Wolfserwartungsland.“ Mit dem Durchzug einzelner Tiere müsse immer gerechnet werden. Dafür, dass sich ganze Rudel ansiedeln, sei das Potenzial in NRW allerdings begrenzt. Wölfe brauchen große, möglichst wenig zersiedelte Naturräume. „Ein Rudel von zehn bis zwölf Tieren benötigt eine Fläche von der Größe Kölns“, sagt Sicht. Er hält am ehesten die Ansiedlung eines Rudels in der Senne bei Bielefeld für möglich.