Im Rheinland. .
Es war der Sensationsfund des Jahres 2015: In der Ortschaft Till bei Bedburg-Hau am Niederrhein waren Archäologen durch Luftbilder auf Spuren eines bislang unbekannten Römerlagers gestoßen (die NRZ berichtete). Auf einer Fachtagung in Bonn präsentierten die Wissenschaftler jetzt Funde aus Keramik und eine römische Pionieraxt, „Dolabra“ genannt (eine Art frühes Multifunktionstool: auch zum Schaufeln nutzbar). Die Entdeckung eines bis dato unbekannten Römerlagers hatte es lange nicht gegeben: „So was hatten wir zuletzt in den 1960er Jahren in Neuss“, betonte Jürgen Kunow, Chef des Rheinischen Amtes für Bodendenkmalpflege.
Erste Vermutungen scheinen sich zu bestätigen: Das mit bis zu vier Gräben extrem gesicherte Lager könnte Untersuchungen zufolge 69./70. nach Christus im Zuge des Bataver-Aufstandes entstanden sein. Möglicherweise, so hieß es, handele es sich um das lange gesuchte Lager Arenacum, das man bisher nicht verorten konnte und eher bei Kleve-Rindern vermutet hatte. Nun soll das 14 Hektar große Lager (Platz für 5500 Soldaten) bei der Anmeldung des Niedergermanischen Limes fürs Unesco-Welterbe eine Rolle spielen.
Hoffnung auf weitere Fundedurch die Kiesindustrie
2015 war insgesamt für die Archäologie im Rheinland ein gutes Jahr. Einige Beispiele: Eher beiläufig wurden in einem Steinbruch im oberbergischen Reichshof 400 Millionen Jahre alte Knochenplatten von fischartigen Wirbeltieren entdeckt, und das gleich kiloweise. Im Tagebau Inden stieß man auf 18 Schwellbalkenbauten aus der Zeit um Christi Geburt – ein im Rheinland bisher unbekannter Haustyp. Sternstunden erlebten die Archäologen auch auf dem Gelände einer römischen Villa bei Erkelenz. Dort fand sich in einem Brunnen eine bis zu 2,5 Meter hohe Fluchtkammer, in welcher die Hausbesucher wohl Schutz vor marodierenden Germanenverbänden suchten.
Weitere archäologische Erfolge gab es auch am Niederrhein. Bei Arbeiten am Xantener Rheindeich stießen die Archäologen auf ein römisches Gräberfeld, das wohl zum Lager der 30. Legion, Vetera II, gehörte. Und archäobotanische Untersuchungen (da geht es z. B. um Blütenpollen) ergaben, dass Xanten mit seinem Hafen zu Römerzeiten gar nicht an einem ruhigen Altrheinarm lag, sondern am Rhein selbst. Das Römermuseum dort hat vor einigen Jahren angefangen, die alten Schiffe nachzubauen. 2015 wurde der Nachbau einer Prahmfähre erfolgreich auf der Lippe getestet. Für dieses Jahr steht der Bau eines stattlichen Liburne-Transporters an (18 Meter Länge, Test in 2017).
Landesarchäologe Jürgen Kunow hofft auf weitere Funde am Niederrhein. Weil im ländlichen Raum eher wenig gebaut wird, sei die Region für Archäologen teils noch „Terra incognita“, also unbekanntes Land. Das soll sich ändern. Die neue Landesplanung legt Kiesabbaugebiete für die nächsten 20 Jahre fest. Für Archäologen ergeben sich da Chancen. Schon jetzt führe man dazu Gespräche mit der Kiesindustrie.