An Rhein und Ruhr. . Essener Konzern will für 600 Millionen Euro eine neue Erdgaspipeline von der belgischen Grenze bis ins Münsterland bauen. Haushalte müssen nachrüsten.

Ein Lindwurm plant seinen Weg durch die Region. Zumindest könnte man auf die Idee kommen, wenn das Zeelink-Projekt in die Bauphase eintritt. In nur zwei Jahren sollen ab 2019 insgesamt rund 220 Kilometer Leitungstrasse unterirdisch verlegt werden – 700 Meter pro Tag. Das ist nötig, weil die Erdgasvorkommen in Deutschland und den Niederlanden bis 2030 zur Neige gehen. Das hier vorkommende L-Gas wird durch hochwertigeres H-Gas aus Russland, Norwegen, England und Zeebrügge in Belgien abgelöst.

Um die Versorgungssicherheit an Rhein und Ruhr zu gewährleisten, plant das ausführende Unternehmen „Open Grid Europe“ aus Essen (ein Nachfolgeunternehmen von Ruhrgas) die mindestens 600 Millionen Euro schwere Investition. In der Region werden heute noch rund sechs Millionen Haushalte mit L-Gas versorgt. Auch die Endverbraucher wird die Umstellung zwingen, aktiv zu werden. „Die Heizungsanlage muss von einem zertifizierten Installateur überprüft werden. Bei jüngeren Anlagen ist die Umstellung meist kein Problem. Bei alten Anlagen kann ein Austausch erforderlich sein“, erklärt Zeelink-Projektleiter Franz-Josef Kißing. Verbraucher werden über den Umstellungszeitpunkt von ihrem jeweiligen Gasversorger vor Ort informiert.

10 000 Quadratkilometer wurden für den Verlauf der Leitungen (1 Meter Durchmesser) unter die Lupe genommen hat. Klar sind drei Punkte: Die Leitung muss in Lich-tenbusch bei Aachen beginnen. Dort quert vom belgischen Zeebrügge aus kommend eine H-Gas-Pipeline die Grenze. Eine Unterquerung des Rheins ist bei Wesel geplant. Enden muss sie in Legden bei Ahaus. Von dort aus ist ein Anschluss an den größten deutschen Gas-Verteil-Punkt Werne möglich. „Perspektivisch kann das wichtig sein, um auch über 2030 hinaus die Versorgungssicherheit zu gewährleisten“, sagt Kißing.

So könnte die Zeelink-Pipeline verlaufen.
So könnte die Zeelink-Pipeline verlaufen. © WNM

Argumente, die man bei der Naturschutzorganisation BUND nicht klaglos gelten lassen möchte. Eine Begründung des Baus mit der Umstellung von L- auf H-Gas reiche nicht aus. „Bislang konnte uns noch nicht schlüssig dargelegt werden, warum dies nicht unter Nutzung des bestehenden Netzes möglich sein sollte“, erklärt BUND-NRW-Sprecher Dirk Jansen.

Mehrere Routen haben die Ingenieure ausgearbeitet, keine nimmt den kürzesten Weg. Denn für die Planung seien sowohl technische Realisierbarkeit als auch Umweltschutzgedanken berücksichtigt worden, heißt es bei Open Grid Europe. Für den BUND besonders wichtig: „Zur Eingriffsminimierung sollte – wo immer möglich – eine Bündelung mit schon existierenden linearen Infrastruktureinrichtungen erfolgen“, so Jansen.

Ab März tritt das Projekt ins Raumordnungsverfahren. Obwohl die Trasse durch mehrere Regierungsbezirke geht, wird das Verfahren nur durch die Bezirksregierungen in Münster und Köln betreut. Im NRW-Wirtschaftsministerium steht man dem Projekt wohlwollend gegenüber. „Zeelink ist notwendig und sinnvoll, weil damit auch auf der Fernleitungsnetz-Ebene die erforderliche Netzinfrastruktur für die bevorstehende Umstellung von L-Gas auf H-Gas geschaffen wird“, sagt Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD).

Alle Hürden haben die Initiatoren damit freilich noch nicht genommen, denn in allen Kommunen muss die Zeelink-Pipeline noch durch die Planfestellungsverfahren – erst dann wird auch der genaue Verlauf der Trasse parzellengenau feststehen und Anrainer können mögliche Einwände geltend machen. Gerade am Niederrhein schauen die Bürger nach dem Ärger um die Betuwe-Linie besonders kritisch auf derartige Großprojekte. „Wir wollen von Beginn an versuchen, größtmögliche Transparenz zu erreichen und die Bürger auch während aller Projektphasen stetig informieren. Über unsere Homepage, über die Medien und über Bürgerveranstaltungen vor Ort“, erklärt Helmut Roloff, Zeelink-Pressesprecher.

Höherer Brennwert von H-Gas bedeutet sinkenden CO2-Ausstoß

Die Umstellung auf H-Gas bedeutet zudem einen sinkenden CO2-Ausstoß, da der Brennwert ein besserer ist. Für den BUND ist das aber ein Argument gegen den Bau. „Jeder gesparte Kubikmeter Erdgas trägt nicht nur zum Klimaschutz bei, sondern macht gleichfalls zusätzliche Infrastruktur überflüssig“, sagt Jansen.

2017 sollen die Planfeststellungsverfahren beginnen und nach zwei Jahren abgeschlossen sein. Viel Zeitpuffer für langwierige Verfahren bei Bürgerbedenken gibt es nicht. Die Versorgungsgebiete müssen sukzessive angeschlossen werden, erste „Testgebiete“ mit mehreren Tausend Haushalten haben den Wechsel bereits vollzogen.