Recklinghausen. Fünf Monate lang lebte er in einer Asylbewerberunterkunft an der Herner Straße. Dann wurde er als Attentäter in Paris erschossen. Über den Mann, der sich Walid Salihi nannte, aber viele Namen hatte .
Vor der Tür steht ein Polizeiwagen, hinten am Haus kehrt jemand den Müll zusammen. Sonst ist es ruhig an diesem Sonntagmorgen in den zwei Häusern an der Herner Straße in Recklinghausen, in denen derzeit rund 100 Flüchtlinge leben. Hier hat er gewohnt, der Mann, der am Donnerstag bei dem Versuch erschossen wurde eine Polizeiwache in Paris zu stürmen: mit einem Schlachterbeil bewaffnet und der Attrappe einer Sprengstoffweste am Leib.
Wahrscheinlich von August bis Dezember 2015 hat er hier gewohnt. Und hier soll er öffentlich mit dem IS sympathisiert haben. „Das alles kommt für uns völlig überraschend“, sagt Recklinghausens Stadtsprecherin Corinna Weiß.
Stundenlang haben Beamte des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen zusammen mit Kollegen der Recklinghäuser Polizei die Wohnung des Mannes durchsucht, der unter dem Namen Walid Salihi Asyl beantragt hat. Zeichnungen von IS-Fahnen haben sie dabei gefunden, Datenträger und Sim-Karten, aber weder Schusswaffen noch Sprengstoff. „Wir haben keine Hinweise darauf, dass weitere Taten geplant waren“, sagt LKA-Direktor Uwe Jacob am Sonntag in Düsseldorf
Dennoch bleiben viele Fragen offen. War der missglückte Anschlag die Tat eines Einzelnen? Hat der Mann im Auftrag gehandelt? Müsse alles noch geklärt werden, heißt es beim LKA.
Genau wie die Frage, ob der Attentäter wirklich der war, für den er sich in Recklinghausen ausgab. Der Mann, der 2013 zum ersten Mal nach Deutschland eingereist sein soll und davor fünf Jahre illegal in Frankreich lebte, habe mindestens sieben Identitäten vorgespielt, sagt Jacob. Mal habe der Mann sich als Tunesier ausgegeben, dann als Marokkaner und Georgier, dazu verschiedene Geburtsdaten zwischen 1995 und 1997 genannt. „Wir sind nicht sicher, wer er tatsächlich ist.“
Sicher aber ist, dass der Mann kein unbeschriebenes Blatt war. Er habe unter verschiedenen Identitäten Straftaten verübt und eine einmonatige Freiheitsstrafe unter anderem in Heinsberg, Iserlohn und Bochum abgesessen, bestätigt der LKA-Chef. Gegen ihn sei unter anderem wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz, Rauschgifthandel und Körperverletzung ermittelt worden. Mal soll er auf einen schlafenden Obdachlosen eingeschlagen haben, ein anderes Mal mit einem Messer auf einen anderen Asylbewerber losgegangen sein. Strafbar das alles, aber nach geltendem Recht, kein Grund, einem Menschen kein Asyl zu gewähren.
Allerdings war der Mann offenbar noch kein anerkannter Asylsuchender. Die Stadt Recklinghausen hat ihm ganz regulär erst einmal eine Aufenthaltsgestattung ausgestellt. Sein Gesuch sei noch geprüft worden, heißt es in Recklinghausen.
„Hinweise auf Terror hatte die Verwaltung nicht“
Über Sympathiekundgebungen für den IS ist der Stadtverwaltung nach eigener Aussage nichts bekannt. „Ja“, die Polizei sei immer mal wieder in die Asylunterkunft gerufen worden, räumt Stadtsprecherin Corinna Weiß ein. „Aber da ging es um Drogen, Schlägereien und Ärger um den Müll.“ Das LKA berichtet gleichwohl, gegen Salihi sei auch ein Verfahren geführt worden, weil er „Fahnen des IS gemalt und diese in den Zimmern der Asylbewerberunterkunft angebracht hatte“.
Schockiert zeigte sich am Sonntag der Recklinghäuser Bürgermeister Christoph Tesche (CDU). „Sollten wir zu der Aufklärung des Sachverhalts durch das Landeskriminalamt etwas beitragen können, werden wir das selbstverständlich unverzüglich tun“, versicherte er.