Mülheim. Der Schaltraum des Stellwerks in Mülheim liegt in Schutt und Asche. Die Bahn will die Einheit trotzdem wieder aufbauen – das ist die schnellste Lösung.

Die Kopflehne des Bürostuhls ist vollständig verkohlt. Hier saß einer der beiden Bahn-Arbeiter, die an jenem Sonntagmorgen das Feuer bemerkten. Im hinteren Bereich der Kanzel, auf einem Schaltpult züngelten die Flammen, die bald darauf den Schienenverkehr im Ruhrgebiet ins Chaos stürzten. Um 7.40 Uhr rannten die Mitarbeiter aus dem Gebäude in Mülheim-Styrum, alarmierten den Brandschutz. „Dem zügigen Reagieren ist es zu verdanken, dass wir das Herz des Stellwerks weiter benutzen können“, erklärte am Donnerstag Erwin Schick, Leiter des Produktionsstandortes Duisburg. Der Neuaufbau kann beginnen.

Kalter Wind zieht durch den Stellwerks-Raum

Die Wände der Kanzel sind rußgeschwärzt, bloß noch Stein. Sie waren mit Holz vertäfelt. In blaue Ganzkörperanzüge gehüllte Arbeiter packen Eisenstangen, Plastik, Schutt in blaue Säcke. Kalter Wind zieht durch den Raum, wo vor dem 4. Oktober rund um die Uhr Angestellte den Bahnverkehr auf einer der meist befahrenen Strecken Europas bewachten. Fenster existieren nicht mehr, Stelltafel und Bedientableau sind nur noch in ihrer Form zu erkennen. Einzig das Badezimmer im Flur sieht so aus wie immer. Sauber und weiß.

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Zwei Stockwerke tiefer enthüllt ein Relaisraum seine 50 Jahre alte Technik. Endlose Kabel und Drähte, ockerfarbene Abdeckungen. Hier stand das Löschwasser mehrere Zentimeter hoch. Die Schaltpläne in der Ecke, sie hängen noch, als ob nichts passiert wäre. Bis März werden Spezialisten 6000 Adern einzeln überprüfen.

45 Weichen und 100 Signale befinden sich zwischen Duisburg-Kaiserberg und Essen-West. Als das Feuer das Stellwerk zerstörte, schmolzen die ehemals vier Einheiten zu einem Block zusammen. Die Weichen wurden mit Handverschlüssen verriegelt. Auf zehn Kilometern durfte nur ein Zug fahren, Lokführer mussten am Anfang und am Ende des Blocks halten und die Bestätigung zur Weiterfahrt einholen. Mittlerweile konnte der Block halbiert werden. „Wir arbeiten sehr intensiv daran, die vier bestehenden Blockeinheiten bis auf eine in Betrieb zu nehmen“, sagt Schick. „Wir sind guter Dinge, eine Verbesserung zu erzielen.

Wiederaufbau, Bediencontainer oder elektronisches Stellwerk?

Drei Varianten standen zur Auswahl: Wiederaufbau, Bediencontainer oder der Bau eines elektronischen Stellwerks. Letzteres hätte zwei Jahre in Anspruch genommen. Die Bahn wählte Lösung eins.

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Der Fahrgastverband Pro Bahn unterstützt das. Der Einbau eines elektronischen Systems wäre nicht realistisch gewesen, weil zugleich in Wuppertal das elektronische Stellwerk (ESTW) eingerichtet wird. 2017 soll laut Bahn in Mülheim der Bau beginnen.

Für Pendler und Reisende gilt ein provisorischer Fahrplan. „Bis Ostern müssen wir uns austauschen, wie wir die reduzierte Kapazität optimal nutzen können“, sagt Michael Häßler, Leiter Vertrieb und Produktion.

Und der sieht derzeit so aus:

  • RE 1 und RE 11 fahren laut Bahn auf dem Regelweg. Ab Samstag bedienen die Züge auch Paderborn planmäßig zweistündlich.
  • Der RE 2 verkehrt ab Gelsenkirchen über Essen–Altenessen bis Duisburg, ohne Halt in Mülheim und Essen.
  • Der RE 6 verkehrt zwischen Duisburg und Dortmund über Essen–Altenessen, Gelsenkirchen und Herne. Die Halte in Mülheim, Essen, Wattenscheid und Bochum entfallen.
  • Die S 1 fährt ab Samstag wieder im regulären Takt.
  • Die S 3 entfällt. Zwischen Essen und Oberhausen fahren Ersatzbusse.
  • Der ICE Köln–Berlin fährt über den Regelweg.
  • Die übrigen Züge des Fernverkehrs werden über Gelsenkirchen oder Wuppertal umgeleitet.