Mülheim. Ein vergleichsweise kleiner Brand, aber große Folgen für mehr als eine Million Bahnreisende. Fernverkehr wird umgeleitet, Nahverkehr mit Verzögerungen

Zwei Tage nach dem Brand in einem Stellwerk in Mülheim an der Ruhr sind Bahnreisende am Dienstag vielerorts erneut auf eine Geduldsprobe gestellt worden. Der Fernverkehr auf der wichtigen Nord-Süd-Verbindung wurde weiter umgeleitet - was bundesweit für Verspätungen sorgte. Im Nahverkehr gab es erhebliche Verzögerungen. Der Brand war am Sonntag ausgebrochen.

Wie lange werden die Einschränkungen andauern?

Das ist noch völlig unklar. "Da kann und möchte ich mich nicht festlegen", sagte ein Bahn-Sprecher in Düsseldorf. Am Dienstag seien zunächst Statiker der Kriminalpolizei und der Feuerwehr vor Ort gewesen. Ein Brandsachverständiger verschafft sich voraussichtlich erst am Donnerstag einen Überblick.

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Erst danach kann die Bahn klären, ob das mehr als 40 Jahre alte Stellwerk überhaupt repariert werden kann und wie lange das dauert. Hinweise auf Brandstiftung gibt es laut Polizei nicht.

Im nahen Duisburg wurde gerade ein neues, elektronisches Stellwerk fertig. Warum können die dortigen Kollegen nicht übernehmen?

Grundsätzlich geht dies nur bei Stellwerken des gleichen Typs, wie der Bahn-Experte Lothar Ebbers vom Fahrgastverband "Pro Bahn" erklärte.

Und in Mülheim hat es in einem elektrischen Relais-Stellwerk gebrannt, auch Drucktasten-Stellwerk genannt. "Baujahr 1967, diese Stellwerke sind eh am Ende ihrer technischen Laufzeit angelangt", sagte Ebbers.

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Bis 2019 sollen nach Angaben der Bahn in NRW rund 660 Millionen Euro in neue Stellwerkstechnik investiert werden.

In Essen oder Oberhausen stehen noch die älteren Relais-Stellwerke. Kann man diese einbinden?

Grundsätzlich ja, aber ein bestimmter Schienenabschnitt kann nicht ohne weiteres von einer anderen Schaltzentrale aus gesteuert werden. Damit sich die Weichen von einem Arbeitsplatz viele Kilometer weiter bewegen lassen, müssen zunächst neue Leitungen eingerichtet werden, wie ein Bahn-Sprecher erklärt. Und dies geht nicht von heute auf morgen.

Was ist noch kurzfristig möglich, um den Bahnverkehr wieder zügiger auf die Schiene zu bekommen?

Über die festgestellten Weichen am Mülheimer Stellwerk können derzeit nur noch wenige Züge fahren. Im Nahverkehr sind zwischen Essen und Duisburg zwei Regionalzüge und eine S-Bahn-Linie mit langsamer Geschwindigkeit unterwegs.

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"Wir schaffen pro Gleis und pro Richtung zwei Züge in der Stunde", sagte der Bahn-Sprecher. "Wir versuchen, dies zu verdoppeln." Dazu sei jedoch mehr Personal nötig.

Pendler und Reisende in NRW sind besonders von den Folgen des Brandes betroffen. Wie viele Menschen sind es allein dort?

Etwa 1,3 Millionen Reisende nutzen im bevölkerungsreichsten Bundesland täglich allein die Busse und Bahnen der Deutschen Bahn. Mehr als 3700 S-Bahnen und Personenzüge sind jeden Tag für die DB zwischen 700 Bahnhöfen unterwegs. Hinzu kommen rund 2000 Züge anderer Verkehrsbetriebe. Das Schienennetz in NRW ist ein Dreh- und Angelpunkt für Deutschland und Europa.

Folgende Linien der Bahn in NRW sind betroffen:

  • RE1 fährt auf dem Regelweg. Reisende müssen sich auf Verspätungen einstellen.
  • RE2 wird in beiden Richtungen zwischen Gelsenkirchen und Duisburg über Essen-Altenessen (Ersatzhalt) umgeleitet, kein Halt in Mülheim und Essen Hbf. Ab Altenessen besteht die Möglichkeit mit U Bahn 11 und 17 oder Straßenbahn Linie 108 nach Essen Hbf.
  • RE 6 wird in beiden Richtungen umgeleitet und verkehrt zwischen Duisburg und Dortmund. Reisende mit dem Fahrtziel Essen steigen in Essen–Altenessen aus, von hier fahren die U-Bahn-Linien 11 und 17 und die Straßenbahnlinie 108 zum Essener Hauptbahnhof. Wer nach Wattenscheid will, steigt in Gelsenkirchen aus. Von hier fahren die Linien 302 und 389 zum Hauptbahnhof. Wenn es nach Bochum gehen soll, bitte in Herne aussteigen, von hier fährt die U-Bahn-Linie 35 zum Bochumer Hauptbahnhof.
  • RE11 verkehrt auf dem Regelweg. Reisende müssen sich auf 15 bis 20 Minuten Verspätung einstellen.
  • S1 fährt im 40-Minuten-Takt auf dem Regelweg. Jede zweite Bahn wird zwischen Essen Steele und Düsseldorf Unterrath (in beiden Richtungen) ohne Zwischenhalt umgeleitet.
  • S2 verkehrt auf dem Regelweg.
  • S3 entfällt auf dem Abschnitt Essen–Oberhausen. Ersatzverkehr mit Bussen zwischen Oberhausen Hbf und Essen Hbf sowie zwischen Essen Hbf und Duisburg Hbf
  • Fernverkehr: IC und ICE werden großräumig umgeleitet - über Gelsenkirchen Hbf, beziehungsweise Wuppertal Hbf. Die Haltepunkte Bochum Hbf und Essen Hbf entfallen.

Wann gibt es Geld zurück?

  • Kunden des Verkehrsverbunds Rhein Ruhr (VRR) haben bei einem sogenannten Barticket (EinzelTicket, 4erTicket, 10erTicket, TagesTicket) Anspruch auf 25 Prozent des Fahrpreises, sollte sich die Bahn zwischen einer und zwei Stunden verspäten. Dauert es noch länger, können sie die Hälfte des Preises zurückbekommen.
  • Bei Zeittickets wird als Entschädigung für eine Verspätung ab 60 Minuten eine Pauschale gezahlt.
  • Bei Zeittickets sollte der Antrag nach Ablauf des Monats eingereicht werden, bei Bartickets können die Anträge sofort abgegeben werden.
  • Außerdem gibt es beim VRR eine sogenannte Mobilitätsgarantie. Haben Bus oder Bahn mehr als 20 Minuten Verspätung, können Passagiere auch ein Taxi nehmen oder in den ICE oder IC/EC umsteigen. Die Kosten übernimmt der VRR, aber es gibt auch dort Höchstwerte. Die Garantie gilt nicht bei Streiks und Unwetter, bei Naturgewalten oder Bombendrohungen, außerdem darf es keine alternative Verkehrsverbindung zur verspäteten Bahn oder dem Bus geben.
  • Bei der Deutschen Bahn kann ein Kunde die Fahrt vor dem eigentlichen Antritt abbrechen, falls mit einer Verspätung von mehr als 60 Minuten gerechnet werden muss. Den vollen Fahrpreis bekommt er dann zurück.

(dpa)