An Emscher und Lippe. .

Früher war hier Dunkeldortmund. Niemand lebte freiwillig so nah an den Mauern von Hoesch, und vielen alten Häusern sieht man bis heute an, dass sie es schwer hatten im Leben. Doch das Stahlwerk Phoenix-Ost zu ersetzen durch den Phoenix-See, hat den Stadtteil Hörde im Kern wundersam gewandelt. Und jetzt kommt auch noch Wein von hier – von der Firma, die sonst das Abwasser klärt.

Klingt ein bisschen gewöhnungsbedürftig, hat aber seine Logik. 2012 hatte die Emschergenossenschaft hier ein Weinbergchen angepflanzt mit 99 Rebstöcken, um augenfällig zu machen, dass es einen Klimawandel gibt und dass man deshalb im Ruhrgebiet jetzt Wein anbauen kann.

„Das Schönste am Weinist das Bier danach“

Sie nahmen eine Traube namens „Phoenix“, nicht wegen des Namens, sondern weil sie als robust galt und wenig anspruchsvoll und vielleicht eine Chance hätte auf dem beinharten Ex-Stahlwerksgelände. Drei Jahre später ist die Beweisführung gelungen: gut für den Wein, vielleicht nicht ganz so gut für die Menschheit.

Jedenfalls überreicht der Vorstandsvorsitzende der Emschergenossenschaft, Jochen Stemplewski, die erste Flasche „Neues Emschertal – Phoenix 2014“ am Freitag Dortmunds Oberbürgermeister Ullrich Sierau (SPD). „Das Schönste am Wein ist das Bier danach“, hatte Sieraus legendärer Vorgänger Günter Samtlebe (SPD) noch hinterlassen; Sierau sieht jetzt Anlass, „den Spruch außer Kraft zu setzen“.

Nun wird die komplette Jahresproduktion 2014 von 35 Litern trockenen Weißweins („gut, nicht flach, ein bisschen fruchtig“, wie es heißt), verteilt auf 70 Flaschen, den Weinmarkt nicht zutiefst erschüttern. Aber dabei soll es ja nicht bleiben: Die Emschergenossenschaft überlegt, „den Weinbau auf weitere Teile des Emschergebietes auszuweiten“, so Stemplewski. Auch wolle sie einen „lockeren Zusammenschluss“ mit allen Privatleuten, die in ihren (Schreber)Gärten Wein anbauen, um mit dem „Neuen Emschertal“ eine richtige Marke aufzubauen.

Im Kern geht es nämlich tatsächlich darum: um das neue Emschertal. Die Köttelbecke des 20. Jahrhunderts wird nach einer 20-jährigen Kraftanstrengung in wenigen Jahren wieder ein Fluss sein, damit kann sich das Gesicht ganzer Städte ändern, wenn sie sich nicht mehr abwenden müssen von einer stinkenden Emscher, sondern hinwenden können zu Wohnen am Wasser. Und dazu passt Wein natürlich.

Schon im Mittelalterkam Wein aus Hörde

Weinbau in Hörde gab es schon, denn bis zum 14. Jahrhundert war es in Europa ähnlich warm wie heute: Namen wie „Weingartenschule“ oder „Weinbergstraße“ erinnern daran. Auch für Castrop-Rauxel und Herdecke sind mittelalterliche Rebstöcke nachgewiesen. Dann machte eine kleine Eiszeit dem ein Ende, und das Bier trat seine Nachfolge an.

Forscher aus Neustadt an der Weinstraße untersuchen die einschlägige Geschichte des späteren Ruhrgebietes gerade; dass das Mikroklima für Weinbau an vielen Stellen gut ist, wurde schon bekannt. Und so läuft alles darauf hinaus, dass in Dortmund im Sommer 2015 erstmals eine Weinkönigin gewählt wird.

Arme Bierstadt!