Oberhausen. . Samstag ist Valentinstag: Wieder werden Pärchen kleine Schlösser an große Brückengeländer klicken. Das ist romantisch, hat aber auch seine Tücken.

Schon ein romantischer Ort: Wie eine schlafende Schlange windet sich die Rehberger Brücke vom Oberhausener Kaiserpark über den Rhein-Herne-Kanal. Und romantische Orte locken nun mal romantische Menschen. Verliebte muss man gar nicht erst in Stimmung bringen, die sind’s ja schon und schwören sich gern ewige Treue. Ganz symbolisch: Ein kleines Schloss wird Hand in Hand ans Geländer geklickt, ein tiefer Blick, ein langer Kuss, und schwupps, wird der Schlüssel in den Kanal geworfen. Liebe. Love, Forever. Für immer? Man weiß es nicht. Aber man hofft.

Die Brücke, die ein Kunstwerk ist, gibt’s erst seit 2011, aber sie ist schon ein treffliches Zeugnis der Liebe im Revier. Gerade ganz oben über dem Kanal hängt Schloss an Schloss. Achmed und Adele, Beate und Bernd, Mr. und Mrs. Right, Maus und Mausezahn. Alle denkbaren Kombinationen. Und es sind nicht nur Pärchen: Ein hübsches froschgrünes Schloss verkündet rührend, dass hier ein gewisser Julian mit Oma und Opa einen eisernen Bund eingegangen ist.

Love, Peace und als Vorbild Fred Feuerstein

Ebenso ans Herz gehen die Familien-Packungen. Das große Exemplar von Betty und Frank etwa, an das fünf kleines Schlösschen geklickt wurden, Michael, Nora, Romy, Hannah und Franka. Vermutlich der Nachwuchs. Auf allen sechs Rückseiten prangt das Peace-zeichen. Als wär’s ein Stück von John und Yoko. Zwischen Love und Peace die schnöde Reklame. Ein Graviertechniker wirbt am perfekten Ort für seine Arbeit. Damit es jeder sieht, hat er das fetteste Schloss gehängt.

Schlösser hängen tonnenweise  an der Hohenzollernbrücke in Köln.
Schlösser hängen tonnenweise an der Hohenzollernbrücke in Köln. © dpa

Woher der schöne Brauch stammt, ist ungewiss. In Serbien soll das schon nach dem Ersten Weltkrieg Usus gewesen sein, gewiss in Florenz und später in Rom an der Milvischen Brücke als „Lucchetti dell’ amore“. Klar ist wohl auch, dass ähnliche Bräuche Pate standen: herzhafte Ritzereien in Baumrinden, Kritzeleien auf Schulbänken, vermutlich krakelte schon Fred Feuerstein was Liebes für Wilma an die Höhlenwand.

In Deutschland lag bei der Schlösserkunst Köln ziemlich weit vorne. Seit Herbst 2008 wird hier die Hohenzollernbrücke der Bahn mit Liebe behängt. Inzwischen soll das Gesamtgewicht der eisernen Schwüre schon bei 20 Tonnen liegen. Das lässt den Hobby-Statiker die Stirn runzeln, die Experten von der Bahn aber winken ab. Das Bauwerk selbst bringt 24 000 Tonnen auf die Waage, jeder Zug, der Richtung Hauptbahnhof rumpelt, wiegt allein schon bis zu 350 Tonnen. Leichte Schulter, keine Gefahr.

Es gibt aber auch Gegenbeispiele. Ausgerechnet aus Paris, das ja immer von der Liebe träumt. Dort konnte im vergangenen Sommer das Geländer der Pont des Arts das Gewicht nicht mehr stemmen und brach auf mehrere Meter ab. In Rom knickte eine Laterne, und in der deutschen Hauptstadt ist zwar der Neubau des Berliner Schlosses ein Thema, die kleinen Schlösser aber sind schnöde verboten. Ebenso in Venedig. Ausgerechnet dort, wo die Liebe doch so gerne Urlaub macht. Wer da was an die Rialtobrücke klickt, muss mit 3000 Euro Strafe rechnen. Außerdem kommt sofort der Mann mit der Flex.

Schlimmer noch als die Flex ist der Ex. Zerbricht die Liebe schmählich, wirkt auch ihr Symbol störend. Und da der Schlüssel nun mal auf Grund liegt, greift der Verlassene humorlos zum Bolzenschneider. Gerade in Oberhausen ein Problem. Denn dort ist das aus Metall-Lianen geflochtene Geländer deutlich dünner als mancher Schlossbügel. Also wird meist mit roher Kraft das Symbol der Enttäuschung ritschratsch aus dem Geländer geschnitten. Die Folgen sind übel. Wie ein zerrissenes Spinnennetz wirkt die Konstruktion, die ja nun zuallererst verhindern soll, dass jemand unfreiwillig im Rhein-Herne-Kanal landet.

Das Neuschwanstein unter den Schlössern

Ach ja, die Folgen der Liebe. Aber rostet sie auch wie die Schlösser an der Brücke? Beim heiligen Valentin, wir wissen es nicht. Aber wir können von unserem Neuschwanstein unter den Schlössern erzählen: das von Katharina und Rudolf. Die beiden haben, so verrät die eine Seite, das Schloss hier 2014 angebracht. Auf der Rückseite aber steht unter dem Wort „Ewig“, wie „forever“ früher hieß, die Jahreszahl ihrer Hochzeit: 1952. Das sind 62 Jahre. Wie schön. Und nicht ein Hauch von Rost.