Essen. Zwei Beziehungsexperten erklären, warum eine Trennung trotz starker Gefühle sinnvoll sein kann und geben Tipps gegen Liebeskummer.

Eine Trennung kann eine der schwierigsten emotionalen Herausforderungen sein, besonders, wenn die Liebe nicht vollständig erloschen ist. Wie geht man bei einer solchen Entscheidung vor, ohne sich selbst zu verlieren? Fachleute erläutern, warum es wichtig ist, den eigenen Raum zu finden und sich nicht sofort in neue Beziehungen zu stürzen, sondern die Trennung in Ruhe zu verarbeiten.

In einer Studie der Stanford University aus dem Jahr 2017 haben Forscher untersucht, wann sich die meisten Paare trennen. Die Ergebnisse zeigten, dass die meisten Beziehungen innerhalb des ersten Beziehungsjahres enden – also noch in der Verliebtheitsphase. Gleichzeitig wurde herausgefunden, dass bei unverheirateten Paaren das Trennungsrisiko jedes Jahr um etwa zehn Prozent abnimmt. Zwei Experten erzählen, warum Trennungen trotz starker Gefühle manchmal sinnvoll sein können und geben Ratschläge, wie Betroffene den Liebeskummer bewältigen können.

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Expertin: Warum scheitern Beziehungen trotz Liebe?

Warum manche Beziehungen trotz Liebe enden, erklärt Daniela van Santen, Beziehungscoachin aus Hamburg: „Es ist natürlich komplett individuell, wann und warum Beziehungen auseinander gehen.“ Manchmal vergehe die Liebe nach einigen Jahren und man müsse sich fragen: „Will man wirklich mit jemanden weiter zusammen sein, der einen nicht mehr liebt?“

Beziehungscoach Daniela van Santen führt eine eigene Praxis für Liebeskummer in Hamburg und beschäftigt sich mit Themen rund um Liebeskummer, Trennung und Lebenskrisen.
Beziehungscoach Daniela van Santen führt eine eigene Praxis für Liebeskummer in Hamburg und beschäftigt sich mit Themen rund um Liebeskummer, Trennung und Lebenskrisen. © Daniela van Santen | Unbekannt

In anderen Fällen seien es eher Konflikte, die sich nicht mehr lösen lassen. „Oder die Bedürfnisse der Partner sind nach all den Jahren komplett unterschiedlich und man findet nicht mehr zusammen“, so die Beziehungsexpertin. Auch dies sei nichts Ungewöhnliches, sagt van Santen. „Die Kinder ziehen aus und wir entwickeln uns weiter. Manchmal entwickeln wir uns aber auch auseinander.“ Leben sich beide Partner auseinander, reiche die Liebe häufig nicht mehr aus, um eine erfüllte Beziehung zu führen.

Laut van Santen gibt es durchaus noch weitere Gründe, die für eine Trennung trotz Liebe sprechen – insbesondere, wenn Partner psychische oder physische Gewalt erfahren, sei eine Trennung ratsam. Manchmal könne es aber auch an einfachen Dingen scheitern: „Es gibt Paare, die so unterschiedliche Wünsche an eine Beziehung haben, dass es einfach nicht passt.“ Möglich sei auch, dass Partner so verschiedene Vorlieben haben, dass sie keine gemeinsame Basis bilden können. Ein Beispiel: „Der eine will auf dem Land leben, der andere in der Stadt. Oder ein Paar hat ganz unterschiedliche sexuelle Neigungen, die nicht miteinander vereinbar sind.“

Gefühle unter die Lupe nehmen: Ist es wirklich Liebe?

Die Hamburger Beziehungsexpertin rät, seine Gefühle immer wieder zu hinterfragen: „Manchmal fühlt sich etwas wie Liebe an und ist eigentlich eher die Angst vor dem Alleinsein“, sagt sie. Es könnte sich herausstellen, dass die Liebe, die man einst empfunden hat, in Wirklichkeit keine Liebe mehr sei. Dies trifft vor allem auf längere Beziehungen zu, in denen es mit den Jahren zu einer Abhängigkeit kommen kann.

Wanja Kunstleben, Paartherapeut und Psychologe, unterstreicht, wie schwierig und emotional belastend Trennungen sein können – insbesondere, wenn Menschen sich noch lieben, aber andere Umstände die Beendigung der Beziehung erfordern. Häufig sei eine therapeutische Unterstützung notwendig, um den Trennungsschmerz zu bewältigen. Der Psychologe erklärt: „Das kann ein langwieriger Prozess sein, bis man innerlich wieder offen für neue Partnerschaften wird.“

Wanja Kunstleben, Paartherapeut und Psychologe
Wanja Kunstleben, Paartherapeut und Psychologe © storyfacturing

Laut Kunstleben gelingt es allerdings einigen Paaren, nach der Trennung eine freundschaftliche Beziehung zu pflegen. „Man kann sich dem anderen auch auf anderem Wege innerlich verbunden fühlen“, betont der Experte.

Expertentipps: So können Betroffene eine Trennung leichter verarbeiten

Wenn Beziehungen trotz bestehender Liebesgefühle zerbrechen, stellt dies für die Betroffenen oft eine große emotionale Belastung dar. Wie lässt sich mit Liebeskummer umgehen? Und welche Strategien unterstützen dabei, eine Trennung zu verarbeiten? Beziehungscoachin van Santen gibt wichtige Tipps:

Tipp Nr. 1: Zeit lassen

„Wenn man sich trotz Liebe trennt, muss man sich Zeit zum Loslassen geben. Viele Menschen denken, sie haben die Entscheidung getroffen und können dann direkt abschließen. Es braucht aber einfach Zeit zum Trauern und Verarbeiten. Das gilt es, zu akzeptieren. Loslassen ist nichts, was man aktiv herbeiführen kann. Nach der Trennung verläuft man verschiedene Phasen. Dazu zählt auch eine Zeit, in der man den Partner noch einmal idealisiert und vielleicht auch zurückwünscht. Das ist ganz normal und diese Phase geht wieder vorbei. Das muss man leider einfach aussitzen und sollte in dieser Zeit nicht wieder zum Partner zurückrennen.“

Tipp Nr. 2: Fragen aufschreiben

„Wenn man nach der Trennung noch viele offene Fragen hat, kann man diese vorher notieren und dann erst einmal sechs bis acht Wochen abwarten, bevor man ein Gespräch vom Ex-Partner verlangt. Wenn Zeit ins Land zieht und man Abstand gewinnt, verschwinden viele Fragen und Unverständnis von allein. Die wenigen Fragen, die noch übrigbleiben, kann man – wenn man das überhaupt noch möchte – dann im Rahmen eines Gesprächs klären.“

Eine Person schneidet mit einer Schere einen herzförmigen Ballon ab.
Trennungen sind meistens schmerhaft und belastend. Um den Liebeskummer besser bewältigen zu können, ist es ratsam, sich therapeutische Hilfe zu holen. © iStock | Tommy

Tipp Nr. 3: Die Wunden heilen lassen

„Es bringt nichts, die Trennung nach Wochen immer wieder ausführlich mit Freunden durchzukauen, dann dreht man sich im Kreis. Trotzdem ist es super wichtig, darüber zu reden. Aber irgendwann bringt das nichts mehr, nervt Freunde nur noch und holt immer wieder die gleichen Gefühle und Fragen hoch. Am besten versucht man, Freunden am Anfang des Gesprächs eine Kurzfassung zu geben und dann das Thema wechseln.“

Tipp Nr. 4: Erinnerungsorte meiden

„Ich empfehle, während und nach der Trennung, für ein paar Wochen oder Monate Erinnerungsorte zu meiden. Also zum Beispiel ein Restaurant, in dem man gerne mit seinem Partner war. Das holt meistens nur alte Gefühle wieder hoch oder lässt einen melancholisch werden.“

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Nach der Trennung: Ist Freundschaft noch möglich?

Nach einer Trennung stellen sich viele Betroffene oft die Frage: Soll ich mit meinem Ex-Partner oder meiner Ex-Partnerin im Kontakt bleiben? „Grundsätzlich ist ein Kontaktabbruch erst einmal gut“, so Kunstleben. Es sei wichtig, sich Zeit zu nehmen und die Wunden heilen zu lassen. „Zu Beginn hilft es erfahrungsgemäß den meisten, einfach Zeit für sich zu haben“, so der Psychologe weiter. „Es ist auch nicht unbedingt ratsam, sich direkt in die nächste Beziehung zu werfen – aber da spielt manchmal das Leben anders, und wer sich neu verliebt, kann diesen Rat nicht immer befolgen.“

Grundsätzlich sei es empfehlenswert, innerlich zur Ruhe zu kommen und seine Gefühle neu zu sortieren. Doch selbst, wenn Betroffene keinen Liebeskummer mehr haben, sei eine Freundschaft mit dem Ex-Partner oder der Ex-Partnerin nicht immer sinnvoll, so Kunstleben. „Wenn beim anderen noch der Partnerwunsch bestehen bleibt, dann wird es kompliziert“, warnt der Experte. In solchen Fällen sei Abstand oft die bessere Wahl – auch wenn es schwerfällt.

Dieser Artikel erschien zuerst bei der Berliner Morgenpost.