Essen. Schädliche Dynamiken können Beziehungen zerstören. Überprüfen Sie sich selbst: Mit diesen Fragen erkennen Sie toxische Verhaltensmuster.

Toxische Verhaltensmuster können schleichend entstehen und Beziehungen nachhaltig belasten. Oft verstecken sie sich hinter vermeintlich harmlosen Handlungen. Was steckt hinter diesen Mustern und wie lassen sie sich durchbrechen? Ein Experte erklärt, woran man toxisches Verhalten erkennt und wann es gefährlich wird.

Beziehung: Wann ist man „toxisch“? Experte klärt auf

Der Berliner Psychotherapeut und Privatarzt Dr. Dirk Stemper betont: „Es gibt keine ,toxischen‘ Menschen per se, sondern toxische Verhaltensmuster, die durch übermäßige Verstrickung und schädliche Folgen für mindestens einen der Beteiligten gekennzeichnet sind“. Grundsätzlich gehören dazu manipulative Techniken, wodurch „das Selbstvertrauen und der Realitätssinn des Opfers erschüttert werden“, erklärt Stemper. Auch Lügen oder die Fakten geschickt so zu verdrehen, dass sie dem eigenen Vorteil dienen, können laut dem Experten Anzeichen für toxisches Verhalten sein.

Der Psychotherapeut nennt weitere Verhaltensweisen, die als toxisch bezeichnet werden können:

  • Übermäßige Kritik: Der Betroffene versucht oft seine Macht und Überlegenheit zu demonstrieren, indem er andere Menschen abwertet und ständig herabsetzt.
  • Emotionaler Missbrauch: Der Partner wird oft systematisch manipuliert und seine Gefühle werden infrage gestellt. Die betroffene Person fühlt sich häufig unsicher und isoliert.
  • Passiv-aggressives Verhalten: Statt Konflikte direkt anzusprechen, drücken Betroffene ihre Wut durch Sarkasmus oder absichtliche Ineffizienz aus.
Ein Symbolbild für manipulatives Verhalten.
Menschen mit toxischen Verhaltensmustern versuchen oft, ihre Macht zu zeigen und ihre Mitmenschen zu manipulieren. © iStock | TarikVision

Die „dunkle Triade“: Diese Merkmale sprechen für toxisches Verhalten

Zwei kanadische Psychologen, Delroy L. Paulhus und Kevin M. Williams, haben in der Populärpsychologie den Begriff der „dunklen Triade“ geprägt. Es handelt sich dabei um ein psychologisches Konzept, das drei Persönlichkeitsmerkmale umfasst: Narzissmus, Machiavellismus und Psychopathie. Diese Eigenschaften sind in der Regel mit manipulativem, selbstbezogenem und antisozialem Verhalten verbunden. Der Berliner Psychotherapeut Stemper betont zugleich, dass diese Bezeichnungen auch negative Vorurteile schüren können. Dennoch können sie dabei helfen, schädliche Persönlichkeitsmerkmale leichter zu erkennen:

  1. Narzissmus: Menschen mit narzisstischen Tendenzen haben laut Stemper ein übertriebenes Gefühl der eigenen Wichtigkeit und suchen ständig nach Bewunderung. „Es ist typisch für Narzissten, sich überlegen zu fühlen, also ein grandioses Selbstbild zu pflegen.“ Sie seien abhängig von der Selbstbestätigung und könnten nicht mit Kritik umgehen: „Narzissmus ist auch mit einer tiefen inneren Unsicherheit verbunden, die durch die Suche nach äußerer Bestätigung kompensiert wird.“
  2. Machiavellismus: Dieses Merkmal charakterisiert sich vor allem durch „manipulative und zynische Einstellungen“ der betroffenen Person. Sie sind oft bereit, moralische Prinzipien zu missachten, um ihre eigenen Ziele zu erreichen. „Machiavellisten neigen dazu, andere Menschen als Mittel zum Zweck zu sehen und deren Bedürfnisse und Gefühle zu ignorieren“, so der Experte.
  3. Psychopathie: „Subklinische Psychopathen können auf den ersten Blick charmant und überzeugend wirken“, sagt Stemper. In der Realität sind sie aber impulsiv und nehmen keine Rücksicht auf gesellschaftliche Normen.

Bin ich „toxisch“? Mit diesen Fragen finden Sie es heraus

Ab und an zeigen viele Menschen manipulative oder destruktive Verhaltensweisen – das ist nicht immer ein Grund zur Sorge. Toxisch wird es dann, wenn das schädliche Verhalten regelmäßig auftritt. „Häufige Konflikte oder Schwierigkeiten in Beziehungen können ein Hinweis darauf sein, dass man selbst Teil des Problems ist“, betont Stemper. Hier müsste jeder seine Verhaltensmuster überdenken und in Selbstreflexion gehen.

Diese Fragen könnten helfen, toxisches Verhalten zu erkennen:

  • Fühle ich mich anderen oft überlegen und verlange nach Anerkennung?

Dass Menschen nach Anerkennung suchen und gerne gelobt werden, ist völlig normal. Schädlich könnte es werden, wenn Menschen eine gewisse Abhängigkeit davon entwickeln und unaufhörlich nach Bestätigung von Außen suchen, sagt Stemper. Sobald sie nicht genug Anerkennung bekommen, fühlen sie sich häufig abgelehnt und hilflos. Diese Bedürftigkeit kann dazu führen, dass Betroffene sich selbst vernachlässigen, nur um die Zustimmung anderer zu erhalten.

  • Sehe ich bei anderen oft nur ihre Fehler und Schwächen?

Wenn Menschen nur auf das Negative fixiert sind und in allem etwas Schlechtes sehen, könnte es ein weiteres Anzeichen für toxisches Verhalten sein, so Stemper. „Menschen, die sich innerlich unsicher oder wertlos fühlen, versuchen oft, diese Gefühle zu kompensieren, indem sie andere kontrollieren oder abwerten“, erklärt der Experte. Vor allem bei Menschen mit narzisstischen Zügen ist es eine gängige Praxis, die hilft, ihr Selbstwertgefühl zu steigern.

Wer sich dabei ertappt, dass er in jedem nur das Schlechte sieht und seine Mitmenschen übermäßig kritisiert, sollte daran arbeiten, seine schädlichen Verhaltensmuster zu erkennen und zu reflektieren. Stemper empfiehlt den Betroffenen zu meditieren oder ihre Gedanken regelmäßig aufs Papier zu bringen – beides diene der Selbstreflexion.

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  • Hilfst du oft anderen zu deinem eigenen Vorteil?

Menschen, die anderen nur helfen, um daraus einen eigenen Vorteil zu ziehen, handeln oft manipulativ. Ihre Unterstützung wirkt auf den ersten Blick altruistisch, hat jedoch meist einen versteckten Zweck. Häufig versuchen sie durch die vermeintliche Hilfsbereitschaft, eigene Interessen durchzusetzen oder das eigene Ansehen zu verbessern – auch ein charakteristisches Merkmal des Machiavellisten.

Die amerikanische Schriftstellerin Anne Lamott prägte in diesem Zusammenhang den Satz: „Help is the sunny side of control“. Damit weist sie darauf hin, dass Hilfsbereitschaft auch als subtile Form von Kontrolle eingesetzt werden kann. Echte Hilfe sollte sich jedoch an den Bedürfnissen der hilfesuchenden Person orientieren – frei von Erwartungen oder dem Drang, die eigene Meinung durchzusetzen.

  • Fällt es dir schwer, Kritik anzunehmen und daraus zu lernen?

Keine zwischenmenschliche Beziehung ist frei von Konflikten und manchmal lassen sich Meinungsverschiedenheiten nicht vermeiden. Menschen mit guten Kommunikationsfähigkeiten können jedoch meist offen miteinander sprechen und gemeinsam nach Lösungen suchen. Schwieriger wird es, wenn jemand Probleme hat, Kritik anzunehmen und sich bereits durch kleinste Hinweise persönlich angegriffen fühlt. Solche Muster können auf toxische Verhaltensweisen hindeuten, so Stemper.

Die gute Nachricht: Menschen können an ihren Konfliktbewältigungsstrategien arbeiten. Workshops, Bücher oder psychologische Podcasts könnten ein guter Anfang sein. „Das kann helfen, Kritik anzunehmen, Missverständnisse aufzuklären und Konflikte respektvoll zu lösen“, sagt der Berliner Psychotherapeut.

Toxische Verhaltensweisen bei sich entdeckt: Was nun?

Laut Stemper entstehen toxische Verhaltensweisen oft schon in der Kindheit. „Eltern, die ihr Kind übermäßig verwöhnen und ihm ständig das Gefühl geben, etwas Besonderes zu sein, können zur Entwicklung eines übersteigerten Selbstbildes beitragen“, erklärt der Experte. Das hat häufig zur Folge, dass Menschen überhöhte Erwartungen an sich selbst und ihre Mitmenschen haben. Schenken Eltern ihren Kindern keine bedingungslose Liebe, hat es auch tiefgreifende Konsequenzen: „Wer sich innerlich unsicher oder wertlos fühlt, versucht oft, diese Gefühle durch Kontrolle oder Abwertung anderer zu kompensieren“, so der Experte.

Der Psychotherapeut und Arzt Stemper weist zudem auf biologische Faktoren hin, die narzisstische Verhaltensweisen begünstigen können. Mehrere Studien legen nahe, dass die Durchblutung bestimmter Hirnregionen, die für Angst und Empathie verantwortlich sind, bei Narzissten und Psychopathen niedriger ist.

Doch können „toxische Menschen“ heilen? Laut Stemper sollten Betroffene lernen, ihre Emotionen besser zu regulieren: „Selbstaufmerksamkeit, Journaling und vor allem professionelle Unterstützung können helfen, negative Emotionen zu kontrollieren und impulsive Reaktionen zu vermeiden. So können auch die zugrundeliegenden Überzeugungen, die toxische Verhaltensmuster antreiben, hinterfragt werden“, betont Stemper.

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Dieser Artikel erschien zuerst bei der Berliner Morgenpost.