Köln. Es ist Erkältungs-Zeit! Manche hat es bereits ‚erwischt‘ - oder ist es eine Grippe? Woran erkenne ich den Unterschied und was darf ich nicht?
Es ist wieder Erkältungszeit! Auch die ersten Grippe-Fälle der Influenza-Saison 2024/25 sind in NRW bereits statistisch erfasst. Seit dem Start der offiziellen Zählungen Anfang Oktober wurden dem Landeszentrum Gesundheit (LZG) in NRW bisher insgesamt 329 Grippe-Fälle gemeldet; die Erkrankung ist meldepflichtig. Doch woran erkennt man eine Grippe - und was ist der Unterschied zu einer ‚bloß‘ schweren Erkältung? Die Ärztin Elke Cremer, seit Juli 2024 Vorsitzende des Hausärztinnen- und Hausärzte-Verbands Nordrhein, gibt Hinweise.
An welchen Symptomen lässt sich festmachen, ob eine Erkältung tatsächlich eine „Grippe“ ist?
Elke Cremer: Eine Virusgrippe „Influenza“ beginnt plötzlich aus völliger Gesundheit heraus innerhalb weniger Stunden. Symptome sind schweres Krankheitsgefühl, in den meisten Fällen Fieber über 38.5 Grad, Schüttelfrost, Kopf-, Glieder- und Muskelschmerzen, bereits zu Beginn oft als quälend empfundener trockener Reizhusten. Symptome betreffen den ganzen Körper. Halsschmerzen und Schnupfen sind oft weniger ausgeprägt. Dagegen ein Erkältungsinfekt: „kommt drei Tage, bleibt drei Tage, geht drei Tage“. Erkältungsbeschwerden wie Halsschmerzen, Schnupfen, Kopfschmerzen, erhöhte Temperatur. Husten entwickeln sich erst im Krankheitsverlauf. Das Allgemeinbefinden ist nur mäßig reduziert.
Wie lange halten Symptome bei Grippe für gewöhnlich an?
Cremer: Grippe kommt von jetzt auf gleich. Im Gegensatz zum viralen Erkältungsinfekt tritt Grippe mit plötzlich einsetzendem und auch hohem Fieber bis zu 40 Grad Celsius ein, das dann oft auch länger als drei Tage anhält. Das Gefühl krank zu sein ist deutlich schwerer, man fühlt sich müde und schwach. Das Allgemeinbefinden ist deutlich beeinträchtigt. Man fühlt sich richtig krank - „wie zerschlagen“ - aufgrund von Muskel- und Gliederschmerzen. Diese Symptome klingen in der Regel innerhalb einer guten Woche bis zu zehn Tagen wieder ab. Die Abgeschlagenheit kann oft auch noch nach Abklingen der Symptome einige Wochen anhalten.
Covid-19-Erkrankte berichteten vor allem in der Anfangszeit der Pandemie u.a. von zeitweisem Geschmacksverlust als Folge ihrer Erkrankung. Inwieweit wird dies auch bei Grippe beobachtet und welche Ursache wäre zu nennen?
Cremer: Bei einer Influenza „Grippe“ tritt ein vollständiger Geschmacksverlust in der Regel nicht auf. Durch Schleimhautschwellung und „verstopfte Nase“ kann das Geschmacksempfinden beeinträchtigt sein
Welche Therapien werden in der Regel empfohlen?
Cremer: Bei an sich gesunden Menschen bekämpft das eigene Immunsystem die Viren. Grippe ist eine virale Erkrankung. Antibiotika helfen nicht gegen Grippe und Erkältung. Antibiotika helfen nur bei bakteriellen Infektionen, nicht bei Viruskrankheiten. Eine symptomatische Therapie mit frei verkäuflichen Schmerzmitteln lindert die Symptomatik.
Hühnersuppe, Wadenwickel - können klassische Hausmittel bei Grippe helfen?
Cremer: Als Ärztin rate ich Erkrankten zu diesen Maßnahmen: 1. Bei echter Grippe mit Fieber: körperliche Schonung, Bettruhe. 2. Wer fiebert und schwitzt, verliert über die Schweißbildung Flüssigkeit und Elektrolyte. Dieses kann durch leicht verdauliche Speisen (die gute alte Hühnersuppe!), Kräutertees, Wasser ausgeglichen werden. 3. Tee mit Fenchelhonig lindert den Hustenreiz. Warme Flüssigkeiten werden häufig als angenehm empfunden. 4. Inhalieren, etwa mit Kamillendampf. 5. Halswickel; 6. Wadenwickel, um die Temperatur zu senken.
Wie sollten sich Risikopatienten verhalten, also mit chronischen Erkrankungen des Immunsystems?
Cremer: Risikopatienten sollten sich immer ärztlich untersuchen lassen! Bei wenigen, ausgesuchten Fällen können Menschen mit Vorerkrankungen bei im Labortest nachgewiesener Influenza-Infektion in bestimmten Fällen eine antivirale Therapie erhalten. Diese muss aber innerhalb der ersten 48 Stunden nach Symptombeginn begonnen werden. Die Indikationsstellung unter Abwägung von Nutzen und Risiken obliegt dem behandelnden Hausarzt oder der behandelnden Hausärztin.
Bis zu welchem Zeitpunkt im Verlauf der Grippe-Saison ist eine Grippe-Impfung noch sinnvoll?
Cremer: Die Grippesaison dauert regelhaft bis ins beginnende Frühjahr. Zu Krankheitshäufung kommt es bei Kälteeinbrüchen und feuchtkaltem Wetter, auch bei Zusammentreffen mit vielen anderen Menschen, etwa in der Advents- und Weihnachtszeit und im Karneval. Sofern man infektfrei ist, ist eine Impfung in jedem Fall sinnvoll. Sinnvollerweise bevor man Weihnachtsfeiern, Weihnachtsmärkte oder ähnliches besucht, in Wintersport (Stichwort: Apres-Ski) und auch vor der Karnevalssaison, wenn man gerne feiert.
Wann setzt die Wirkung der Grippeschutzimpfung ein?
Cremer: Nach der Impfung benötigt der Körper etwa zehn bis 14 Tage zum Aufbau eines Impfschutzes. Die Risikogruppen werden in den Hausarztgruppen bereits seit Anfang Oktober geimpft. Aktuell steht ausreichend Impfstoff bei uns zur Verfügung.
Warum rät Ihr Verband zur Grippeimpfung?
Cremer: Grippale Infekte und Grippe sind in den Wintermonaten die häufigsten Gründe für Krankschreibungen. Immer mehr Arbeitgeber unterstützen daher Mitarbeitende bei der Grippeimpfung. Weniger Erkrankte und nur leicht Erkrankte an Grippe entlasten auch die Wartezimmer in den Hausarztpraxen. Denn die Grippeimpfung schützt vor schweren Erkrankungen und ist daher besonders wichtig für die Risikogruppen, wie Menschen über 60 Jahre, Chronisch Kranke, Schwangere oder Menschen mit geschwächtem Immunsystem. Infektionsketten werden durch die Impfung unterbrochen, die Verbreitung des Grippevirus wird reduziert, wenn sich ein Großteil der Bevölkerung impfen lässt. Auch das trägt zum Schutz der Risikogruppen bei, frei nach dem Motto: „Der geimpfte Enkel steckt die Großmutter nicht an.“
Unter welchen Bedingungen kann eine Grippe-Impfung bei Patienten nicht ratsam sein?
Cremer: Bei einer akuten Erkrankung oder einer fiebrigen Erkrankung, Allergie auf Bestandteile des Impfstoffes, bei immunsupprimierender Therapie oder laufender Chemotherapie erfolgt die Impfung in Absprache mit den anderen Behandlern (z.B. Onkologen). In diesem Fall muss damit gerechnet werden, dass sich ein ausreichender Impfschutz nicht vollständig aufbaut.
Sind Grippekranke nach Erkrankung ‚immun‘ gegen eine erneute Grippeerkrankung - zumindest in der laufenden Saison?
Cremer: Ja, der Immunschutz gegen das spezifische Grippevirus, das die Infektion verursacht hat, besteht. Eine vollständige gegen alle Grippeviren besteht aber nicht.
„Bei Fieber ist die Sauna tabu!““
Wie lange sollte man nach dem Abklingen einer Grippe warten, bis man wieder Sport treiben kann?
Cremer: Nach einer Grippe muss man dem Körper genügend Zeit zur Regeneration geben. Etwa eine Woche Symptomfreiheit sollte man abwarten, bis man wieder mit Spazieren oder kurzem Jogging beginnt. Die Belastung sollte niedrig gewählt werden, jede Form der Überanstrengung muss vermieden werden, man sollte sich dabei „gut“ fühlen. Langsam beginnen und sich an das gewohnte Niveau herantasten.
Ist es ratsam, mit einer Grippe oder einer Erkältung in eine Sauna oder Therme zu gehen?
Cremer: Nein! Ein Saunagang belastet das Herz-Kreislauf-System zusätzlich und kann zur Verschlimmerung beitragen. Bei Fieber ist die Sauna tabu! Regelmäßige Saunabesuche vorher, wenn man gesund ist, können jedoch das Immunsystem stärken.
Inwieweit ist es wichtig, dass Erkrankte bei Grippe Anstrengungen für eine gewisse Zeit vermeiden - selbst wenn es Büroarbeit ohne körperliche Anstrengung ist?
Cremer: Grippe belastet das Immunsystem, der Körper muss gegen das Virus ankämpfen. Stress, körperliche Arbeit, Bildschirmarbeit sind Anstrengungen, die man vermeiden sollte. Eine Überforderung erhöht das Risiko, eine Grippe zu verschleppen, also eine Lungenentzündung oder eine Herzmuskelentzündung davonzutragen.