Essen. Forscher entdecken wertvolle Wirkstoffe im Seegras: Können diese auch gegen Krankheitserreger eingesetzt werden?
Seegras besitzt für das ökologische Gleichgewicht im Wasser einen besonders hohen Stellenwert. Neben der Produktion von Sauerstoff durch Photosynthese scheint das Seegras auch den Bestand an resistenten Krankheitserregern deutlich zu senken, wie Forscher vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel herausfinden konnten. Bakterien von der Blattoberfläche des Seegrases entwickelten demnach eine wirksame Abwehr gegen gefährliche Krankheitserreger.
Ostsee: Forscher machen erstaunliche Entdeckung
In der allgemeinen Wahrnehmung wird die Bedeutung von Seegras erheblich unterschätzt. Bei Seegras handelt es sich nicht um Algen, sondern um ehemals an Land lebende Pflanzen, die den Weg ins Meer gegangen sind. Dort hat sich Seegras als wichtiger Lebensraum für Meerestiere etabliert, die hier Schutz finden und das dichte Gras zur Aufzucht des Nachwuchses nutzen. Durch die angewandte Photosynthese werden große Mengen an Sauerstoff produziert, die vergleichbar sind mit der von Wäldern an Land.
Neben der intensiven Produktion von Sauerstoff filtert das Seegras unzählige Schadstoffe aus dem Meer und avanciert dadurch zu einem lebenswichtigen Baustein zum Erhalt des Ökosystems im Wasser.
Ein Team von Forschern um Deniz Tasdemir hat sich der Untersuchung von Seegras (Zostera marina) in der Ostsee angenommen. Sie richteten ihr Augenmerk dabei weniger auf die Wirkstoffe des Seegrases, sondern auf die Mikrobengemeinschaft rund um das Seegras.
Ausgehend von der Erkenntnis von Meeresforschern, die das Wasser in indonesischen Seegraswiesen untersucht hatten, konnte ebenso in der Ostsee festgestellt werden, dass die Dichte von bakteriellen Erregern – wie Escherichia coli, Enterokokken, Salmonellen und Vibrionen – hier deutlich geringer ausfällt als in Regionen ohne Seegraswuchs.
Im Rahmen der Studie konnte das Forscherteam anhand von Blätter- und Wurzelproben des Seegrases 88 verschiedene Arten von Bakterien und Pilzen identifizieren. Anschließend wurde deren Wirksamkeit gegen bekannte bakterielle Krankheitserreger von Menschen, Fischen und Pflanzen untersucht.
- Interview: Deutscher Archäologe findet spektakuläre Spur – woher „Gott“ stammt
- Philologin enthüllt: Die erstaunlichen Sex-Geheimnisse von Frauen in der Antike
- Mit Drohne: Deutscher Archäologe findet untergegangene Zivilisation
- Verlorenes Gold: Archäologe will verlorenen Keltenschatz von Manching retten
Forscher erstaunt: Bakterien des Seegrases entfalten antibakterielle Wirkung
Die Studie ergab, dass die Bakterien eine antibakterielle Wirkung gegenüber Fäkalbakterien und Vibrio-Erreger entwickelten, zudem konnten resistente MRSA-Stämme wirkungsvoll bekämpft werden. Die hemmende Wirkung war teilweise deutlich effektiver als bei Antibiotika wie Ampicillin oder Chloramphenicol.
Die Studie förderte ebenso zutage, dass die meisten Wirkstoffe in der Medizin bislang unbekannt sind. „Trotz des Einsatzes massiver computergestützter und manueller Analysen und Vergleichsansätze konnten wir nur wenige Verbindungen identifizieren. Das deutet auf neue Chemikalien in den Extrakten hin“, berichtet das Forscherteam aus Kiel.
Für die Wissenschaftler ist dies auch ein eindeutiger Beleg für den hohen Stellenwert des Seegrases, das deutlich mehr geschützt werden sollte. „Die Filterwirkung des Seegrases für Pathogene ist daher ein großer Dienst an der Gesundheit des Ozeans und des Menschen. Dieser natürliche ‚Hygiene-Dienst‘ der Seegräser bietet zudem zusätzliche Vorteile beispielsweise für die Aquakultur von Fischen und Muscheln, die so gesünder und nachhaltiger werden“, fassen die Forscher vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum zusammen.