Berlin. Kinder sollen vermehrt an einer Lungenentzündung durch Mykoplasmen leiden. Ein Top-Experte erklärt, ob es wirklich eine Welle gibt.

Gibt es eine Welle von Lungenentzündungen bei Kindern, ausgelöst durch das Bakterium Mycoplasma pneumoniae, wie viele Medien berichten? Die Fachgesellschaft der Lungenärztinnen und -ärzte stellt fest: „Die Situation ist im Vergleich zu den Vorcoronajahren normal, wir warnen vor Panikmache“, sagt Prof. Torsten Bauer, Past-Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Chefarzt der Helios-Klinik „Emil von Behring“ in Berlin. Im klinischen Alltag sei zwar aktuell eine für die Jahreszeit erhöhte Infektionsrate zu bemerken, der Anteil der Mykoplasmen-Infekte aber nicht auffällig.

Quellen für die angeblich gehäuft auftretenden Lungenentzündungen sind regional tätige Kinderärzte, Kliniken und das Clinical Virology Network, das deutschlandweit Daten über die Ausbreitung von Infektionskrankheiten erhebt. „Das ist ein Netzwerk von Testlaboren, das regelmäßig einen Mykoplasmen-Alarm auslöst, der nicht belegbar ist“, sagt Torsten Bauer. Die Aussagen stützten sich auf interne Anfragen zu Tests und Testkapazitäten, die nichts über das wahre Vorkommen von Lungenentzündungen aussagen könnten. „Es handelt sich hier nicht um eine meldepflichtige Erkrankung.“

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Mykoplasmen: „Es handelt sich eher um lokale Ausbrüche“

Um zu wissen, ob die Zahl der Fälle zunimmt, „müsste zumindest stichprobenartig in bestimmten Krankenhäusern eine Erhebung gemacht werden, bei der alle Patienten darauf getestet werden. Das ist aber nicht der Fall“, erklärt der Pneumologe. Dass es regional zu Fällen dieser von Bakterien ausgelösten Entzündungen kommen könne, sei erwartbar.

„Atemwegsinfektiologen ordnen Mykoplasmen bei den Kita-Krankheiten ein“, erklärt Torsten Bauer weiter. Trete die Erkrankung in einem Kindergarten auf, könne es zu einem zeitlich begrenzten Anstieg der Fallzahlen bei Kindern und Erwachsenen kommen. Dies habe aber nichts mit einer Welle zu tun, „es handelt sich eher um lokale Ausbrüche“.

FFP-2-Masken haben die Mykoplasmen abgehalten

Nach öffentlich zugänglichen Informationen des Robert-Koch-Instituts steigt die Anzahl der Atemwegsinfekte aktuell an. „Es ist lediglich das Niveau der Vorcoronajahre erreicht worden“, so Bauer. „Die FFP-2-Masken haben auch Mykoplasmen, denn die sind größer als Viren, abgehalten.“ Jetzt trügen nur noch wenige Menschen einen Mund-Nasen-Schutz mit dem Ergebnis, dass die Atemwegsinfekte wieder zunehmen. Schaut man auf die Krankenhausaufnahmen wegen schwerer Atemwegsinfekte im Infektionsradar nach, so falle die Zahl aber bereits wieder.

Das Besondere an Mykoplasmen ist, dass diese Bakterien keinen vollständigen eigenen Stoffwechsel und keine Zellwand haben. Meist verläuft eine Infektion schleichend, in vielen Fällen bei Kindern ohne Krankheitszeichen und Beschwerden. Nur selten äußert sie sich durch langanhaltenden Husten, Fieber oder eine Entzündung der unteren Atemwege.

Bestimmte Antibiotika wirken nicht

Gefährlicher seien Mykoplasmen für Erwachsene, die sich bei Kindern anstecken, sagt Torsten Bauer. „Da kann es dann zu einer heftigen Reaktion des Immunsystems mit den entsprechenden Symptomen kommen.“ Wichtig sei dann, das richtige Antibiotikum zu verschreiben. „Es gibt Klassen dieser Medikamente, die gegen Mykoplasmen aufgrund der fehlenden Zellwand nicht wirken.“

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