Berlin. Der Klimawandel drängt weltweit Gletscher zurück und legt damit archäologische Schätze frei – doch sie drohen rasch zu verschwinden.

Der Klimawandel verändert die Welt – und bringt für Archäologen trotz vieler Probleme auch Chancen mit sich: Schmelzende Eisfelder in entlegenen Gebirgsregionen geben zunehmend Objekte frei, die Jahrtausende im Eis verborgen waren. Viele dieser Fundstellen sind noch weitgehend unerforscht, da man lange glaubte, die frühen Jäger und Sammler hätten die rauen Bedingungen in großer Höhe gemieden.

Ein besonderer Fund gelang so unter anderem dem Anthropologen Craig Lee im Jahr 2007, als er im Yellowstone-Nationalpark in 3.000 Metern Höhe unterwegs war. In einer schmelzenden Eisplatte entdeckte er einen seltsam geformten Stock, der sich bei näherer Untersuchung als Pfeil eines Speers entpuppte – hergestellt vor mehr als 10.000 Jahren.

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Archäologen bergen US-Bomber „Shadrack“ aus dem Eis

Seit den Entdeckungen von Craig Lee dringen Archäologen in immer entlegenere Gebiete vor, um die aufgetauten Spuren der Vergangenheit zu sichern. So auch ein Team um Thomas Bachnetzer von der Universität Innsbruck und Johannes Pöll vom österreichischen Bundesdenkmalamt, das sich Anfang August auf den Weg zum Taschachferner-Gletscher am Ende des Tiroler Pitztals machte. Ihr Ziel: die Dokumentation der Absturzstelle des US-Bombers „Shadrack“, der 1944 auf den Gletscher stürzte.

Die Maschine war nach einem Angriff auf die Škoda-Werke in Tschechien in Schwierigkeiten geraten. Über Sölden im Ötztal sprang die zehnköpfige Besatzung ab, während das Flugzeug weiterflog und in rund 2.500 Metern Höhe auf den Gletscher stürzte. Die Absturzstelle liegt seit Jahren unterhalb der Eisgrenze, da der Gletscher seit den 1970er Jahren dramatisch zurückgegangen ist.

Für den Archäologen Johannes Pöll ist die genaue Lokalisierung und Dokumentation der verstreuten Wrackteile eine vordringliche denkmalpflegerische Aufgabe, wie er gegenüber der österreichischen Tageszeitung „Der Standard“ erklärte. Denn Eis- und Geröllbewegungen würden die Überreste immer weiter verstreuen. Zudem seien die einst gut erhaltenen Spuren heute durch den Klimawandel einem raschen Verfall ausgesetzt. „In einigen 10.000 Jahren könnte die Konservierung durch das Eis vielleicht wieder einsetzen“, sagt zwar Thomas Bachnetzer, doch bis dahin sei die Zukunft der Funde im steilen Gelände ungewiss.

Gefährdete Funde: Souvenirjäger nehmen Wrackteile mit

Schon jetzt sind die Überreste des Bombers zunehmend gefährdet, da das schmelzende Eis die einst verborgenen Teile leichter zugänglich macht. Wie die Forscher berichten, wurden größere Wrackteile wie die Motorblöcke zwar bereits per Hubschrauber geborgen, kleinere Fragmente würden aber zunehmend von Besuchern des Hochgebirges als Souvenir mitgenommen.

„Heute findet man kaum noch Spuren des Absturzes. In ein paar Jahrzehnten wird man hier oben vielleicht gar nichts mehr sehen, weil die Besucher immer wieder Kleinteile mitnehmen“, warnt Pöll. Um dem fortschreitenden Verlust entgegenzuwirken, schlägt er ein Meldesystem vor, mit dem Besucher Funde unkompliziert melden und Archäologen sie dokumentieren können. Solche Funde könnten beispielsweise an Universitäten, das Bundesdenkmalamt oder Museen weitergeleitet werden, so der Experte.

Pöll regt auch an, die Absturzstelle unter Denkmalschutz zu stellen, um das Bewusstsein für den historischen Wert des Fundortes zu stärken und weitere Mitnahmen zu verhindern. Besserer Schutz und mehr öffentliche Aufmerksamkeit könnten dazu beitragen, die verbliebenen Relikte für die Zukunft zu erhalten.

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