Berlin. Ingwer und Co. gelten als lustfördernd. Ein Ernährungswissenschaftler warnt: Wer Probleme beim Sex hat, sollte lieber Folgendes ändern.

Niemand möchte Erektionsstörungen und Orgasmusprobleme beim Sex – und genau deshalb ranken sich um die Themen viele Mythen. Von der potenzversprechenden E-Mail im Spam-Ordner bis hin zu Lebensmitteln für die Libido versprechen viele Tricks Abhilfe bei der Liebesflaute. So gelten von Ingwer bis Honig viele Nahrungsmittel als potenzsteigernd oder lustfördernd.

Doch gibt es diese natürlichen Aphrodisiaka tatsächlich und führen andere Lebensmittel im Umkehrschluss zu einer schlechteren Performance beim Sex? Ein Ernährungswissenschaftler gibt eine klare Antwort und erklärt, was Sie bei Problemen im Bett unbedingt an Ihrem Leben ändern sollten.

Libido weg: Ernährungswissenschaftler sieht Teil-Ursache im Lebensstil

Obwohl sogenannte sexuelle Dysfunktionen für viele ein Tabu-Thema sind, treten sie immer häufiger auf. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) beschreibt sie sogar in ihrer ICD-Klassifikation der Krankheiten und Gesundheitsprobleme. Symptome unter anderem: Orgasmusschwierigkeiten, Erektionsstörungen, Schmerzen bei der Penetration oder Probleme beim Samenerguss.

Auch interessant

In einer repräsentativen Studie zur Gesundheit und Sexualität in Deutschland gaben 2020 rund 13 Prozent der befragten Männer an, in den vergangenen zwölf Monaten schwere sexuelle Beeinträchtigungen im Sinne der WHO-Kriterien erfahren zu haben. Bei den Frauen war es fast jede Fünfte.

Großes Risiko für unser Sexleben: innere Verfettung

Neben psychischen Gründen liegt das auch an der Art, wie wir uns ernähren und bewegen, sagt der Ernährungswissenschaftler und Autor Nicolai Worm: „Zum allergrößten Teil löst eine innere Verfettung die sexuellen Störungen aus“, erklärt er. „Das kommt durch unseren Lebensstil: zu wenig Muskelaktivität bei zu vielen Kalorien, die unsere Körper als Fett speichern.” Dabei sei es irrelevant, ob eine Person optisch schlank sei.

Zigaretten, Stress, Alkohol, Fertigprodukte, zu wenig Schlaf und häufiges Sitzen können laut Worm gleich mehrere Beschwerden im Körper verursachen, die alle zusammen unser Sexuelleben und unsere Libido verschlechtern. Dazu gehören Störungen im zentralen Nervensystem, bei den Sexualhormonen im Hormonhaushalt oder schlecht durchblutete Geschlechtsorgane. 

Die zu Grunde liegende Störung dafür sei die sogenannte Insulinresistenz, die zu übermäßig hohen Insulinspiegeln im Blut führt und unter anderem eine Vorstufe des Typ-2-Diabetes ist. Sie wird beispielsweise durch Übergewicht, Rauchen, Stress, Bewegungsmangel oder eine ungesunde Ernährung verursacht.

Lebensmittel für die Libido: „Das ist Quatsch“

„Damit wird das hormonelle Gleichgewicht verschoben“, erklärt Worm. Zudem führe die Insulinresistenz zu einer schlechteren Durchblutung an den Blutgefäßen, die die Sexualorgane versorgen. „Zusammen sind das die beiden Knackpunkte bei der sexuellen Dysfunktion“, so der Experte.

Genau hier setzen auch viele vermeintlich libidofördernde Lebensmittel an: Sowohl Gingerole im Ingwer als auch Citrullin in Wassermelonen oder Capsaicin in Chilischoten sollen die Durchblutung unterstützen und so für mehr Spaß beim Sex sorgen. Auch Austern, Spargel, Zimt oder Granatäpfel gelten als natürliche Aphrodisiaka. 

Auch interessant

Nur: Wissenschaftliche Beweise gibt es dafür, dass allein die Lebensmittel den Sex verbessern, gibt es nicht wirklich. Viele Studien basieren allein auf Tierversuchen oder Online-Umfragen ohne medizinische Supervision. Und auch Worm hat deutliche Worte zu den Studien über die libidofördernden Lebensmittel: „Das ist Quatsch, den man als seriöser Wissenschaftler nicht vertreten kann.”

Denn während einige Lebensmittel durchaus gefäßerweiternd wirken oder die Durchblutung durch Antioxidantien anregen können – etwa Beeren, Cayenne-Pfeffer, Nüsse oder Zitrusfrüchte –, ähneln sie bei einem viel größeren Gesamtproblem einem Tropfen auf den heißen Stein. „Man kann nicht sagen: ‚Iss mehr Spinat und du hast eine bessere Libido‘“, so der Ernährungswissenschaftler.

Falsche Ernährung kann durchaus zu Problemen beim Sex führen

Zudem sind die Ursachen für sexuelle Dysfunktionen, zu denen neben Erektionsstörungen und Libidoverlust auch Unfruchtbarkeit gehört, genauso vielfältig wie die Symptome selbst. Allein für eine intakte Erektion sei ein gesundes Zusammenspiel zwischen Gefäßen, Nerven, Hormonen und Psyche nötig, heißt es 2022 in einer urologischen Studie zu sexuellen Dysfunktionen bei Männern. Jede Störung in diesem System könne zu Problemen führen. Hinzu kommen altersbedingte Ursachen.

Auch bei Frauen können psychische und körperliche Ursachen zusammenspielen und sexuelle Dysfunktionen begünstigen. Oft treten diese nach Hormonveränderungen in den Wechseljahren auf – oder sie sind die Folge einer gynäkologischen Erkrankung wie Endometriose oder Vaginismus.

Wie aber kann unser Lebensstil die Lust am Sex beeinflussen? Worm erklärt das am Beispiel der Klitoris. „Die Klitoris ist kein kleiner Punkt, sondern ein großes Organ, das massiv durchblutet werden muss – genau wie der Penis“, sagt der Ernährungswissenschaftler. Das funktioniere über viele kleine Blutgefäße, die mit einer dünnen Fettschicht ummantelt seien. „Wenn man innerlich verfettet, werden diese Schichten dicker, entzünden sich und führen zu Durchblutungsstörungen“, so Worm.

Gesund und Spaß am Sex: Diese Diät empfiehlt der Experte

Das viszerale Fett soll sexuelle Dysfunktionen besonders stark begünstigen. Es liegt im Bauchbereich – also genau dort, wo viele ihre sogenannten Problemzonen vermuten. Laut WHO kann ein vergrößerter Bauchumfang tatsächlich auf eine innere Verfettung hinweisen. Kritisch seien demnach Umfänge von mehr als 88 Zentimetern bei Frauen und mehr als 102 Zentimetern bei Männern.

Wer gesund ist, hat also in der Regel bessere Chancen auf guten Sex. Doch welche Lebensmittel sind denn nun ideal für eine gute Gesundheit und ein erfülltes Sexualleben? Worm empfiehlt eine gemüselastige, mediterrane Diät mit ausreichend Nitrat für den Blutfluss. Dazu gehören Rucola, Feldsalat, Rote Bete oder Kohl – natürlich nur im Zusammenhang mit genug Schlaf und Bewegung.

Als Unterstützung beim Sex wirken Lebensmittel also nur bei einem langfristig gesunden Lebensstil. Phallische Gemüsesorten als Tipps für standhafte Erektionen oder Austern als Geheimwaffe für leidenschaftliche Liebesspiele gehören also allenfalls in Märchenbücher – oder eben den Spam-Ordner im E-Mail-Programm.