Berlin. Klimawandel und Monokulturen machen den einstigen Märchenwald zum Sorgenkind. Die Forstwirtschaft muss mutige Wege gehen, um ihn zu retten.

Der Wald ist für viele Deutsche ein Sehnsuchtsort. Schon als Kind hören wir von ihm in Mythen und Märchen – sei es in „Schneewittchen“, „Hänsel und Gretel“ oder in Geschichten über Waldfeen und Trolle. Als Erwachsene erobern wir uns das einstige Kinder-Abenteuerparadies als Zufluchtsort zurück: Wir holen uns Holz-Deko für den Wohlfühlfaktor in die Wohnung, lesen Bestseller über den Wald, machen ausgedehnte Forst-Spaziergänge, umarmen Bäume. Manch einer geht gar zum Wald-Yoga oder Waldbaden.

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Der Wald strahlt Ruhe aus, nimmt uns den Alltagsstress. Die Bäume, die oft deutlich älter sind als man selbst, ragen majestätisch in die Höhe. Es scheint, als könne sie nichts erschüttern. Sie machen den Wald zu einem besonderen Ort, der Kraft ausstrahlt, erdet. Studien belegen, was wir selbst spüren: Der Wald tut dem Menschen gut. Mehr noch: Er lässt uns schneller gesund werden.

Waldsterben in Deutschland: Nicht nur der Borkenkäfer ist schuld

Umso größer ist daher die Bestürzung, wenn wir sehen, dass erneut ganze Landstriche absterben. Der Blick auf Totholz-Wüsten etwa bei einer Fahrt durch den Harz macht immer wieder betroffen. Dabei ist lange bekannt, dass der deutsche Wald ein Problem hat. Auch die Gründe für das Waldsterben sind bekannt: nährstoffarme Böden, Stürme und Dürre, insbesondere aber auch Schädlinge – allen voran der Borkenkäfer.

Borkenkäfer
Borkenkäfer können ganze Waldstücke vernichten. © picture alliance/dpa | Daniel Vogl

Wegen vermehrter Trockenperioden sind viele Bäume geschwächt. Dadurch hat der Borkenkäfer leichtes Spiel. Denn genau wie sich ein gesunder Körper besser vor Viren oder Bakterien schützen kann, schaffen es gesunde Bäume besser, die Eindringlinge mit Harz fernzuhalten. Gestresste Bäume dagegen sind ihnen fast wehrlos ausgeliefert.

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Aber ist es überhaupt noch möglich, sie zu retten? Immerhin prognostizieren Fachleute bereits, dass wir Deutschen uns vom deutschen Wald verabschieden müssen. Selbst schuld könnte man sagen. Immerhin sorgt auch der menschengemachte Klimawandel dafür, dass es dem Wald durch Dürren, Starkregen und Stürme so schlecht geht. Die vielen nach dem Zweiten Weltkrieg entstandenen Monokulturen verschärfen die Situation zusätzlich. Auch das haben wir uns selbst auf die Fahne zu schreiben. Die Ökonomie war schlicht wichtiger als die Ökologie.

Das werden wir uns künftig nicht mehr leisten können. Die Ökologie muss konsequent an erster Stelle stehen, damit es überhaupt noch Wälder gibt, die bewirtschaftet werden können. Dafür braucht es langfristige Strategien, denn den Wäldern in Akutsituationen zu helfen, ist quasi unmöglich. Wer kann beispielsweise schon einen Wald gießen.

Artenvielfalt muss über heimische Arten hinausgehen

Der überfällige Waldumbau durch Fachleute ist im Gange. Förster versuchen umzusetzen, was lange bekannt ist und zu lange ignoriert wurde: Ein Wald, der mit fünf oder sechs Baumarten aufgezogen wird, kommt besser zurecht als eine Monokultur. Durch naturnahe Waldwirtschaft und gezielte Naturschutzmaßnahmen will man die Artenvielfalt im Wald erhalten.

Anne-Kathrin Neuberg-Vural, Redakteurin Ratgeber & Wissen im Ressort „Leben“ der Funke Zentralredaktion.
Anne-Kathrin Neuberg-Vural, Redakteurin Ratgeber & Wissen im Ressort „Leben“ der Funke Zentralredaktion. © FUNKE Foto Services | Reto Klar

Gleichzeitig sollte man sich eingestehen, dass wir uns nicht auf die Artenvielfalt, wie wir sie einst kannten, versteifen dürfen. Neue Baumarten müssen her. Der Wald braucht Migration. Erst Anfang des Jahres hat ein Forschungsteam die 69 häufigeren der knapp über 100 europäischen Baumarten in Hinblick auf das 21. Jahrhundert in Europa untersucht. Im europäischen Durchschnitt sind von diesen 69 Arten nur neun pro Standort fit für die Zukunft.

Bäume, die jetzt zur Wiederaufforstung gepflanzt werden, müssen sowohl unter heutigen als auch zukünftigen Bedingungen bestehen. Dafür müssen am Ende auch Arten aus entfernten Regionen ausgewählt werden, weil sie am besten an unser Klima der kommenden Jahrzehnte angepasst sind.

Gleichzeitig dürfen und können wir uns nicht allein darauf verlassen, durch neue Strategien in der Forstwirtschaft und eine Durchmischung mit neuen Baumarten unsere Wälder vor dem Absterben zu schützen. Wir kommen nicht umhin, den Klimawandel doch noch so gut es geht einzudämmen, um nicht nur den Wirtschaftszweig, sondern auch den Sehnsuchtsort Wald nachhaltig zu bewahren.