Bielefeld (dapd). Für Jochen Haeger besteht kein Zweifel: "Das Plus an Sicherheit durch den Airbag ist mit banalen Zahlen nicht zu beschreiben." Neben dem ABS sei die Entwicklung und Realisierung des Airbags der entscheidende Schritt zu nachhaltigem Schutz von Menschenleben im Autoverkehr gewesen, da ist sich der stellvertretende Obermeister der Kfz-Innung Bielefeld sicher. Dabei ist die grundsätzliche Funktionsweise der lebensrettenden Kissen eher simpel: Eine Elektronik mit Beschleunigungsmessern löst die Zündung von festem Treibstoff aus. Ein Nylonkissen bläht sich innerhalb von zehn bis 40 Millisekunden auf und fängt den menschlichen Körper ab. Waren es anfangs allenfalls zwei Plastiksäcke für Fahrer und Beifahrer, so gibt es inzwischen bei wahres Arsenal: Vom Knieairbag bis zu Heckairbag. Und die Entwicklung geht auch 30 Jahre nach dem ersten Einsatz in einem Serienfahrzeug weiter.

"Spezielle Radaraugen am Auto sollen zukünftig einen bevorstehenden Unfall exakt im Voraus erfassen und analysieren, damit die bis zu 15 im Fahrzeug verbauten Airbags alle im richtigen Tempo, der richtigen Reihenfolge und mit der nötigen Füllmenge aufgeblasen werden können", skizziert Ulrich Köster vom Zentralverband Deutsches Kfz-Gewerbe (ZDK) die nächsten Schritte. Vor allem an der Individualisierung der Airbags werde bei allen Herstellern gefeilt, um zukünftig ein individuelles Aktivieren des Airbags je nach Gewicht, Größe und Geschlecht der zu schützenden Personen zu gewährleisten.

Grundsätzlich bewirkt der Airbag eine Verringerung der bei einem Unfall auf den menschlichen Körper wirkenden Kräfte. Das hilft, Verletzungen zu reduzieren. Dazu wird er speziell auf den jeweiligen Fahrzeugtyp ausgelegt - und auf die bestehenden Sicherheitsgurte. "Nur die Verbindung von Gurt, Gurtstraffer und Airbag ergibt den größtmöglichen Schutz", weiß Maximilian Maurer vom ADAC: "Airbags erhöhen die Chance, einen Unfall zu überleben, dann um etwa 30 Prozent." Unverändert und unbedingt ist daher der Gurt immer noch Dreh- und Angelpunkt aller passiven Sicherheitsvorkehrungen. ZDK-Mann Köster zieht eine Zwischenbilanz: "Die Statistiken zeigen, dass in Deutschland seit 1990 Airbags weit über 2.500 Menschen retteten."

Der Weg bis zum jetzigen Sicherheitsstandard war lang. Einen Vorläufer der heutigen Technik, einen "aufblasbaren Behälter in zusammengefaltetem Zustand, der sich bei Gefahr automatisch aufbläst", meldete ein Walter Linderer 1951 beim Deutschen Patentamt in München an (DE 896 312 B). 1967 nahmen sich Mercedes-Ingenieure und Pyrotechniker der Technik an und versuchten, sie zu optimieren. Ein kleines Raketentriebwerk, ausgelöst durch einen elektronischen Sensor, füllte den Airbag bei den ersten Tests in Millisekunden mit Gas. Allerdings war der Druck so hoch, dass Fangbänder das Luftkissen halten mussten.

Der endgültige Durchbruch gelang den Stuttgartern 1971. Im Gegensatz zu mit Gas gefüllten Patronen erwies sich eine Treibladung als zuverlässiger und schneller, und als der Patentschutz von Walter Linderer nach 20 Jahren auslief, meldeten die Mercedes-Entwickler nur 17 Tage später ihre Konstruktion zum Patent an. Der Treibstoff wurde dabei durch eine Tablette aus Natriumazid, Kaliumnitrat und Sand ersetzt. Aber auch diese Funktionsweise wich schon bald neuen, mit Druckgas und Pyrotechnik arbeitenden Systemen. Geblieben ist nur der laute Knall, der beim Auslösen entsteht.

dapd