Der Spieler ist der Star. Früher konnten wir nur den Filmstars auf der Leinwand dabei zusehen, wie sie ihre Abenteuer erlebten, heute sind wir es, die Universen bereisen – virtuell zumindest. Doch Spiele müssen immer noch für Sitte und Anstand stehen. Unmoralisch darf es nie werden.

Das Phänomen Videospiel hat viele Reize, Eigenschaften und Versuchungen. Wieso sind Spiele eigentlich so erfolgreich und warum kann man sich sogar darin verlieren? Die Einflüsse von Videospielen in der heutigen Popkultur sind nicht zu leugnen. Und wer sich nicht mit der neuesten Games-Kultur auskennt, dem dämmert es zumindest bei den Namen "Pong" oder "Tetris".

Videospiele eröffnen neue Möglichkeiten, die Fantasie zu beflügeln und sich selbst aus den eigenen vier Wänden emporzuheben. Doch die eigene Vorstellung, sich mit seinem virtuellen Alter Ego in dieses Abenteuer zu begeben, ist an dieser Stelle noch viel interessanter. Wer bisher nur auf der Leinwand seinen Actionhelden bei der Arbeit zusehen konnte, erhält durch Sony, Microsoft, Nintendo und Co. die Möglichkeit, selber Teil einer Geschichte zu werden. Man wird zum Held, um den sich alles dreht, dem jeder sein Schicksal darlegt und von dem jeder erwartet, dass er alle Probleme löst. Das virtuelle Abenteuer wird nach dem Drücken des Start-Knopfes fast so real, als würde man selber im Urwald stehen und gegen böse Grabräuber kämpfen. Dabei fallen Inszenierung und Aufmachung der Spiele fast genauso pompös und unterhaltsam aus wie bei den einstigen Herrschern der Medienbranche. Der Konkurrenzkampf mit dem Film ist also eröffnet.

Am Ende sind wir alle Stars

"Fallout 3": Episch und grandios inszeniert. © Unbekannt | Unbekannt





Die Entwicklung der Videospiele zeigt einen immer stärkeren Trend zur cineastischen Inszenierung, was allein schon aufgrund der Technik machbar ist. Spiele werden fast schon so aufwendig produziert wie Filme, nur kostengünstiger. Was am Ende bleibt, ist der Spieler, der mit Niko Bellic ein spannendes Leben in Liberty City führt, in "Fallout 3" auf den Spuren von "Mad Max" wandelt oder sich in der Haut von Batman mit dem Joker prügelt - der Konsument ist der Held. Und wer hat sich nicht schon mal am Ende die Credits angeschaut und war danach so geschafft, als hätte man die Strapazen am eigenen Leib erlebt?

Der schmale Grat

Diesmal muss man nicht auf Arni warten, der gegen die Kampfmaschinen in die Schlacht zieht – man ist selber Anführer des Widerstands. Für einige Stunden abschalten und zum Gangster, Abenteurer, Sportstar oder Kriegsheld werden: Was früher auf der Straße der blanken Fantasie überlassen blieb, übernehmen jetzt zum Teil grandios die Videospiele. Diese Entwicklung befinden manche Pädagogen für beunruhigend oder sogar gefährlich. Für andere ist es hingegen eine konsequente Ausarbeitung der Möglichkeiten, die die heutige Zeit hergibt. Früher konnte man gewisse Länder nur mit dem Schiff erreichen, heute fliegt man einfach. Das ist vielleicht schade, da man während einer mehrtägigen Schiffsreise mehr Eindrücke bekommt, aber der Fortschritt ermöglicht nun auch die Erfahrung des Fliegens und damit neue sowie andersartige Eindrücke. Ist das schlecht? Eigentlich nicht, nur eben anders. Das Gleiche könnte man auch vom Fernseher behaupten: Zerstört er die Fantasie und lässt die Leute verblöden? Vielleicht, aber dieses Gerät wird heute zur Grundausstattung einer jeden Wohnung gezählt und ist sogar nach § 811 Abs. 1 Nr. 1 ZPO unpfändbar, da es zum Informieren über das Weltgeschehen benötigt wird.

Spiele wie "Zelda", "Mass Effect", "GTA" oder "Okami" lassen den Spieler ebenfalls in fremde Welten einsteigen, die kaum unterschiedlicher sein könnten. Für jeden Spielertyp ist etwas dabei, um sich in ein eigenes kleines Szenario zu teleportieren. Einige Menschen lernen sogar durchs Spielen neue Dinge: Die Sendung mit der Maus ist, wenn man so will, in der Hinsicht ebenso hilfreich wie Dr. Kawashimas Gehirnjogging.

Gleichberechtigt schockieren

"GTA IV" schaffte eine neue Dimension was die Stellung von Spielen in der Pop-Kultur betrifft. © Unbekannt | Unbekannt





Spiele haben jedoch nicht den gleichen Freifahrtschein, wie ihn TV und Kino haben. So sehen einige Kritiker bei Spielen wie "World of WarCraft" oder "GTA IV" die Werte der realen Welt infrage gestellt. Weshalb? Wird in der realen Welt nicht getrunken, gemordet und betrogen? Sind Spiele nur dazu da, die moralischen Werte darzustellen, die wir gerne immer hochhalten würden, aber nie wirklich können? Darf die Branche nur „Schönwetterspiele“ ohne kritische Inhalte produzieren? Hollywood macht das ebenfalls, aber es gibt auch noch die anderen Filme. Warum darf es bei Spielen ab 18 Jahren keine Sexszenen wie in "Watchman" oder Drogenkonsum wie in "Casino" geben, ohne dass man gleich mit der Zensurschere kommt? Antwort und Totschlagargument zugleich: Weil Kinder es sehen oder spielen und weil labile Menschen das in die reale Welt übernehmen könnten. Das ist zwar wahr, aber dieses Problem stellt sich dann auch bei Film und Fernsehen. Im besten Fall achten die Eltern auf das, was die Kinder sehen oder spielen, im Handel ist es die Verkäuferin. Wie gesagt: im optimalen Fall.

Das Medium hat eben mehr zu bieten als Mario oder Doktor Kawashima, die ja alle hervorragende Vertreter der Videospielkultur sind, aber die Games-Branche besteht, ebenso wie die Kollegen vom Film und Fernsehen, nicht nur aus den netten Saubermännern. Die Branche wird ebenfalls erwachsen und will das ältere Publikum unterhalten. Die Grenzsetzung ist jedoch sehr unterschiedlich. Während die einen Spiele wie "Grand Theft Auto" verbieten wollen, stoßen Filme des gleichen Kalibers auf künstlerischer Ebene auf Zuspruch. Filme wie "Der Pate" oder "The Godfellas" haben diese Auszeichnung auch verdient, aber wieso dürfen Spiele dieselbe Thematik dann nicht auch in ihrer ganzen Hässlichkeit aufzeigen?






Klar muss es Grenzen geben, und es hat wohl kaum ein Spieler Spaß daran, einen Vergewaltiger oder Kindermörder zu spielen. Schaut man sich Spiele wie "God of War 3" an, müssen sich die Entwickler jedoch auch die Frage gefallen lassen, ob es immer so viel Brutalität sein muss. Doch auf Teufel komm raus zu schockieren ist eigentlich nicht der Anspruch der heutigen Entwickler. Studios wie Epic oder Rockstar stehen immer unter besonderer Beobachtung der Jugendschützer, schaut man sich die Spiele jedoch an, findet man kaum inhaltliche Unterschiede zu anderen Medien des gleichen Genres. Sollte sich dennoch ein Spiel in die unteren Regionen des Geschmacks verirren, wird dieses auch aus dem Verkehr gezogen – wie bei Filmen. Etabliert hat sich diese Art der Erwachsenenunterhaltung jedoch noch lange nicht. Solange Kritiker immer noch bei kontroversen Spielen den moralischen Zeigefinger schwenken und auf der anderen Seite Filmen des gleichen Kalibers applaudieren, wird das auch lange so bleiben. Und in der Hinsicht sind Spiele wohl wirklich noch das moralischste Medium im großen Unterhaltungspool.


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