Tübingen. Am Anfang steht ein Test. Der schafft Gewissheit - nicht, ob die Krankheit bereits zugeschlagen hat. Sondern ob das Risiko hoch ist, sie zu bekommen. Es geht um Brust- und Eierstockkrebs.
Bei bestimmten Genmutationen ist das Risiko stark erhöht. Und dann stehen Frauen vor einer schwierigen Entscheidung: Sollen sie sich prophylaktisch die Brüste und Eierstöcke entfernen lassen? Hollywood-Star Angelina Jolie hat sich dafür entschieden. Vor gut zwei Jahren ließ sie sich die Brüste abnehmen, im März die Eierstöcke entfernen. Ihre Oma, Tante und Mutter waren an Krebs gestorben.
Auf genetische Veranlagung wird in Deutschland aber nur unter bestimmten Voraussetzungen getestet: Denn sie steckt längst nicht hinter jedem Brust- und Eierstockkrebs. Von den etwa 70 000 Frauen, die jährlich an Brustkrebs erkranken, basieren weniger als 10 Prozent auf Hochrisikogenen, sagt Kristin Bosse vom Zentrum für familiären Brust- und Eierstockkrebs der Uniklinik Tübingen.
Deshalb müssen für den genetischen Test bestimmte Kriterien erfüllt sein. Sind zum Beispiel zwei Frauen in der Familie erkrankt, eine davon vor dem 50. Lebensjahr, liegt die Mutationswahrscheinlichkeit bei der Betroffenen laut Bosse bei etwa zehn Prozent. "Getestet werden dabei zwei Gene, das BRCA1- und BRCA2-Gen", erklärt Christian Albring vom Berufsverband der Frauenärzte. BR steht dabei für "Breast", CA für "Cancer" - englisch für Brust und Krebs.
Bosse hat nicht die Erfahrung gemacht, dass viele Frauen den Test aus Angst vor dem Ergebnis meiden. "Das Nichtwissen ist mittel- und langfristig nicht besser zu ertragen als das Wissen und die damit verbundenden Möglichkeiten, handeln zu können." Das kann auch Cindy Eibisch bestätigen. Sie arbeitet für den Psychoonkologischen Dienst mit dem Krebszentrum Dresden zusammen: "Die meisten Patienten lassen sich testen." Und nur selten komme danach eine Rückmeldung wie: "Ach, hätte ich das nur nicht gewusst."
Denn hat die Frau ein verändertes Gen, kommt sie in ein engmaschiges Früherkennungsprogramm. "Damit kann man Krebs nicht verhindern, aber früh entdecken", sagt Prof. Christof Sohn von der Universitätsfrauenklinik Heidelberg. Diese Untersuchungen sollten in einem der spezialisierten universitären Zentren des Deutschen Konsortiums für Familiären Brust- und Eierstockkrebs stattfinden. Dort werden Risikopatientinnen auch etwa über die vorsorgliche Entfernung der Brüste und Eierstöcke beraten.
Vor einem solchen Eingriff stehen laut Eibisch viele Sorgen, die besprochen werden müssen. Wie wird das Ergebnis? Wie reagiert mein Partner? Werde ich in der Bewegung eingeschränkt sein? Über die Ängste sprechen die Patientinnen vorab mit Eibisch und ihren Kollegen aus der Psychoonkologie. Zum Teil treffen sie sich auch mit Frauen, die sich schon haben operieren lassen. Über das BRCA-Netzwerk können sich Betroffene untereinander austauschen.
Bosse hat eine steigende Tendenz bei der vorsorglichen Brustdrüsenentfernung beobachtet. Gründe dafür seien, dass der Eingriff keine seltene OP mehr ist, nur so das Erkrankungsrisiko maximal reduziert werden kann und die kosmetischen Ergebnisse immer ansprechender werden.
Die vorsorgliche Entfernung der Eierstöcke steht besonders bei jüngeren Frauen erst einmal weniger zur Debatte. Denn die Familienplanung sollte dafür abgeschlossen sein. Die prophylaktische Entfernung wird in der Regel erst ab dem 40. Lebensjahr empfohlen, sagt Bosse. "Das Risiko steigt erst mit 40 deutlicher an."
"Wenn die Eierstöcke entfernt werden, werden keine Östrogene und Gestagene mehr produziert", erläutert Albring. "Es entsteht dann eine Situation wie in den Wechseljahren." Auch psychisch kann so ein Eingriff nachwirken. Manchmal komme ein Gefühl des Verlustes von Weiblichkeit hoch, schildert Eibisch. Aber gar nicht so häufig. "Eigentlich geht es mit einer deutlichen Angstreduktion einher", hat Bosse beobachtet. "Darüber hinaus kann auf die engmaschigen, durchaus auch belastenden Früherkennungsuntersuchungen verzichtet werden."
Vor allem, wenn ein sehr intensiver Entscheidungsprozess vor dem Eingriff stattgefunden hat, kommen Patientinnen im Anschluss in der Regel gut damit zurecht, sagt auch Eibisch. Und Albring fügt hinzu: "Die Frauen haben den Eindruck, wenn auch mit einem großen Opfer, die Macht über ihr Leben wieder zurückzubekommen."