Die Auszeichnung des Europäischen Wanderverbandes für den Moselsteig ist keine Überraschung, denn die Mosel fließt wohl im schönsten Flusstal Deutschlands. Wanderer genießen den Ausblick auf weite, offene Landschaften und steile Weinhänge. Romantische Ortschaften laden zur Übernachtung ein.
Wanderer haben diesen Tag herbeigesehnt: Endlich ist der Moselsteig komplett markiert und beschildert. Noch vor seiner offiziellen Eröffnung am vergangenen Wochenende in Bernkastel-Kues wurde die 365 Kilometer lange Strecke von Perl am deutsch-französisch-luxemburgischen Dreiländereck bis zur Mündung in den Rhein in Koblenz vom Europäischen Wanderverband getestet und erhielt auf Anhieb das Prädikat „Leading Quality Trail – Best of Europe“.
Die Auszeichnung ist keine Überraschung, denn der neue Wanderweg führt durch das wohl schönste Flusstal Deutschlands. Dabei bleibt er dem Lauf des Flusses treu und folgt der mal grün schimmernden, mal golden glänzenden Mosel, egal auf welch’ abenteuerliche Weise sie sich gerade durch die Landschaft schlängelt.
Anderer Charakterdes Flusstals ab Trier
„Wir haben bei der Planung des Steigs viele der schönsten Wanderwege an der Mosel mit einbezogen“, sagt Michael Teusch vom Planungsteam, der gerade auf dem „Felsenweg Nittel“ die Ausschilderung kontrolliert. Orange auf weißem Grund prangen die Markierungen an Weinbergmauern und Bäumen.
Ausgerichtet wie die Zinnsoldaten stehen dahinter die Reben in Reih und Glied. Im ersten Abschnitt des Steigs blickt man über den gemächlich fließenden Fluss auf die flachen Luxemburger Weinlagen. Während an der Obermosel die Landschaft weitläufig und offen ist, verändert das Flusstal ab Trier seinen Charakter. Die Weinhänge werden steiler und die Mosel mäandert in zahlreichen Schleifen, als könne sie sich nicht entscheiden, in welche Richtung sie ihre Reise fortsetzen will. Der Moselsteig lässt keine der grandiosen Aussichten auf die Moselschleifen aus und wechselt aus diesem Grund immerhin 13 Mal die Uferseite.
Auf den Wegen des Moselsteigs wandert es sich leicht und beschwingt. Mal federn die Schritte auf weichem Wald- und Grasboden, mal gibt es eine Kletterei auf felsigen Pfaden. Dann wieder spaziert man auf breiten Wegen zwischen den Reben dahin. Die Verlockung, hin und wieder einen Abstecher ins Tal zu machen, ist immer wieder groß. Von der ausgeschilderten Route ist der Weg in die Winzerorte nie weiter als zwei Kilometer.
Kein Ort gleicht dem anderen
Am Flussufer reihen sich die Winzerschenken mit lauschigen Innenhöfen, und man merkt schnell, dass kein Ort dem anderen gleicht. In Trier beeindrucken die Römerbauten, Bremm präsentiert den steilsten Weinberg Europas, in Traben-Trarbach verzaubern Jugendstilbauten, Ürzig überrascht mit einem Gewürzgarten mitten im Weinberg, in Neumagen-Dhron schippert man im Römerschiff über die Mosel und Beilstein fasziniert mit mittelalterlichen Fachwerkbauten auf engstem Raum.
So ruhig wie auf dem Moselsteig, wo nur Vogelgezwitscher zu hören ist und höchstens mal eine Eidechse blitzschnell ins Laub huscht, ist es in den Orten natürlich nicht. Die meisten Touristen kommen nicht zu Fuß, sondern in Bussen oder mit den Moselschiffen – und vor allem in großer Zahl. Aber am Nachmittag wird es ruhiger und die Gäste, die hier übernachten, sitzen gemütlich beim Winzer, der dann schon mal eine Flasche Elbling mit dem Champagnersäbel öffnet.
Beschaulich auch in Hochzeiten
Lisa Möntenich, Kultur- und Weinbotschafterin in Cochem, schafft es selbst in touristischen Hochzeiten den stark frequentierten Moselort von seiner beschaulichen Seite zu zeigen. Von April bis Oktober führt sie jeden Sonntag treppauf und treppab durch die alte Bischofsstadt. Zuerst geht es hinauf zum Kapuzinerkloster, das im 17. Jahrhundert auf dem schroffen Felsen erbaut wurde. Weit unten schlägt die Mosel ihren letzten großen Bogen, bevor sie sich auf geradem Weg gen Koblenz begibt. Von oben überblickt man die ganze Stadt mit der imposanten Cochemer Reichsburg.
Schon geht es wieder die Klostertreppe hinunter und über die Moselbrücke zur nächsten Treppe, die hinauf in die Weinberge führt. Zwischen den Trockenmauern leuchten die roten Polster des weißen Mauerpfeffers. „Der Name bezieht sich auf die weißen Blüten, die die Futtergrundlage für die Raupe des seltenen Apollofalters ist, der im Sommer auf dem Moselsteig zwischen Valwig und Cochem flattert“, erklärt Möntenich. Der Rote Weinbergpfirsich verwandelt die Weinberge im April in ein rosarotes Blütenmeer. Die unscheinbare und harte Frucht war fast in Vergessenheit geraten. Mittlerweile ist sie eine Delikatesse und wird als Konfitüre, Likör und Torte serviert.
Regionale Produktein hoher Qualität
Regionale Produkte zu schätzen und in hoher Qualität anzubieten, haben die Moselaner gelernt und zeigen sich dabei sehr kreativ. Im Hatzenporter Weingut Gietzen kocht die Winzerin Maria Gietzen mit Wein und hat schon zwei Kochbücher herausgegeben. Ihre Rieslingsuppe ist ein Gedicht. Lorbeerbäume und große Oleanderbüsche schmücken das moseltypische Bruchsteinhaus am Flussufer. Im kopfsteingepflasterten Innenhof sitzt man gemütlich unter der üppig blühenden Glyzinie.
Solche romantischen Orte, um eine Wanderrast einzulegen oder auf einer Mehrtagestour zu übernachten, gibt es viele an der Mosel. Dann hat man Zeit genug, um zum Beispiel mit Maria Gietzen am Abend zu ihrem Lieblingsplatz auf den Stolzenberg zu gehen und ihr bei einem Glas Moselriesling und Gesprächen über Wein, Wege und Römer auch das Rezept für die Rieslingsuppe zu entlocken.