Wer braucht Zähne, wenn er nichts zu beißen hat? Es war Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder, der die dentale Zweiklassengesellschaft ausgerufen hat. Die, die es sich leisten können, beißen mit Zirkoniumoxid-Implantaten auch nach ihrer Lebensmitte noch kraftvoll zu. Die anderen kauen nur noch auf einer Seite. Denn Zahnersatz ist sehr teuer. Kein Wunder, dass viele auf günstigere Behandlungskosten im Ausland schielen.

Seit 2004 ist es grundsätzlich möglich, sich im günstigeren EU-Ausland behandeln zu lassen und trotzdem den Kassenzuschuss nicht zu verlieren. Ungarn ist das beliebteste Reiseland für zahnmedizinische Eingriffe zum Spartarif: Nicht weniger als 50 Zahnärzte und 15 Zahnkliniken haben sich allein in der Umgebung eines kleinen Ortes mit unaussprechlichen Namen an der österreichischen Grenze niedergelassen: Mosonmagyaróvár. Das sind einige mehr, als für die 30 000 Einwohner des Örtchens selbst nötig wären.

Entsprechend professionell ist inzwischen dort der Umgang mit ausländischen Kunden. Die Empire-Klinik in Mosonmagyaróvár wirbt mit kostenfreiem Hotel, Abholservice und organisierten Ausflügen nach Wien und Bratislava. Der Wettbewerber Happy Dent setzt auf die Kombination aus deutschen Zahnärzten und günstigeren Preise durch Dentallabore im Ort und bucht auch das Hotel.

Auch die Kundenbetreuung ist auf Zack: Nachdem ein Heil- und Kostenplan eines deutschen Zahnarztes per Mail vorliegt, werden wenig später Gegenangebote erstellt. Bei Unklarheiten rufen die Kliniken zurück, um eventuelle Fragen zu klären. Deutsch ist selbstverständlich Umgangssprache.

Und wie sieht es preislich aus? Wir machten die Probe aufs Exempel, das Ergebnis: Der Kostenvoranschlag war rund vierzig bis fünfzig Prozent günstiger. Angefragt wurden elf Kronen aus Metallkeramik. Ein deutscher Zahnarzt wollte für die Behandlung rund 4000 Euro haben, in Ungarn waren es nur noch zwischen 1800 und 2300 Euro. Davon geht noch der Festzuschuss der Krankenkasse ab – bei dieser Behandlung knapp 1300 Euro – egal ob im In- oder Ausland.

Das klingt gut, doch es gibt auch einiges zu bedenken: Als problematisch könnte es sich erweisen, wenn der Kostenvoranschlag nicht verbindlich war. Wegen ein paar hundert Euro mehr fährt wohl kaum jemand wieder nach Hause.

Nicht alle Vorurteile und Ängste kann eine freundliche Stimme am Telefon ausräumen. Zu Recht, denn bei rund 20 Prozent der Behandlung von Zähnen kommt es zu größeren oder kleineren Komplikationen: Überall. Und was dann?

Vor allem die Frage nach dem Garantieanspruch auf Zahnersatz von zwei Jahren im In- und Ausland ist problematisch: Wie soll achtsame Mundhygiene im Nachhinein objektiv beurteilt werden? Den Rechtsweg vor Ort zu gehen ist fast unmöglich.

Der Reisestrom der Medizintouristen ist dennoch groß. Das veranlasste unter anderem die Techniker Krankenkasse gezielt im grenznahen Ausland nach Partnerkliniken zu suchen. Gutachter reisen durch Polen und Ungarn und prüfen Standards, Ausstattung und Qualität der Angebote. „Wir sparen daran nicht, dass die Kunden sich im Ausland behandeln lassen. Aber wir möchten für die, die es sowieso vorhaben, die Qualität sichern“, sagt TK-Sprecher Hermann Bärenfänger.

Auch andere osteuropäische Länder wollen an dem Boom teilhaben: Die Dentaprime Klinik in Bulgarien hat für Garantiefälle deutsche Partnerzahnärzte, die auch vor Ort den Heil- und Kostenplan erstellen. „Kleinere Mängel können wir hier reparieren, nur für umfangreichere Regressansprüche müssen sie wieder nach Bulgarien“, bestätigt die Praxis Dr. Stephan in Hamburg, was die deutschsprachige Hotline der Klinik zuvor versprochen hatte. Das schafft Vertrauen, genau wie das Siegel des TÜV-Nord, der einmal jährlich in Bulgarien medizinische Standards und Hygiene zertifiziert. Rund 1900 Euro sollten unsere elf Kronen am Goldstrand kosten.

Osteuropa ist der Hit, Spanien dagegen out: Auf Mallorca, noch vor zehn Jahren Top-Ziel für Zahnbehandlungen, zahlen wir für unsere Kronen 3500 Euro. Fast das doppelte wie in Ungarn.