Sexten.
Wie heißt einer, der sich um Rentiere kümmert? Richtig, Rudi natürlich, wie auch sonst. Eigentlich ist Rudi Egarter (53) der technische Direktor der Liftanlagen in Sexten, aber der umtriebige Mann hat schon vor gut 20 Jahren erkannt, dass man mit Skifahren allein im Ringen um die Gäste auf Dauer nicht bestehen kann. Und so hat er 1994 die ersten Tiere aus Finnland geholt, die Kinder der Gäste sollten um die Weihnachtszeit von fachgerechten Schlittentieren gezogen werden. Sechs der skandinavischen Hirsche leben jetzt im Rotwand-Gebiet, einige sind schon hier geboren. Und die kann man dann schon mal am Pistenrand sehen oder donnerstags bei der Fütterung neben der Bergstation.
Eigentlich hatten sie hier rund um Sexten schon immer einiges zu bieten. Da ist die Rotwand vor Bad Moos mit dem Blick auf die bizarre Rotwandspitze und für alle, die wollen, mit der steilsten Abfahrt in Südtirol. Die „Holzriese 1“ fällt auf 800 Metern bis zu 71 Prozent ab, da ächzt der Meniskus schon ein wenig, wenn man die Kanten in den Hang drückt. Aber man muss da nicht runter, es gibt auch die familientaugliche „Holzriese 2“ außen herum.
Regionen sind skitechnisch verbunden
Auf der anderen Seite des Tales liegt das Skigebiet Helm, auch das durchaus ausreichend für einen schönen Skitag. Aber es sollte eben mehr sein. Die Pustertaler wollten die beiden Talseiten mit Liften verbinden, dazu noch über den Kreuzbergpass hinweg Val Comelico anbinden. Skifahren auf Nord- und Südhängen und dann auch noch durch zwei Kulturregionen: Westlich vom Kreuzbergpass heißen die Leute Tschurtschenthaler oder Moser und sprechen Deutsch. Fährt man nach Osten, kommt nach ein paar Kilometern Valgrande, dann Padola. Auch diese Gemeinden gehören zu den Sextener Dolomiten, aber hier ist tiefes Italien, die Küche wird mediterraner und in der Sauna trägt man Badehose. Darauf käme auf der anderen Seite der alten Handelsstraße zwischen Venetien und Südtirol kein Mensch. Jetzt sind die Regionen zumindest skitechnisch verbunden, auch wenn man zum Rückweg noch in den Bus steigen muss. Aber auch das soll in drei Jahren Geschichte sein.
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Rail & Ski – das gefällt den Umweltschützern
Das Projekt hat für Unfrieden unter den 2000 Einwohnern gesorgt. Hier die touristischen Modernisierer der AG um den Unternehmer Franz Senfter. Der Großinvestor verdient sein Geld hauptsächlich mit Südtiroler Speck, den er in ganz Europa, China und den USA verkauft. Senfter ist einer der wichtigsten Arbeitgeber im Tal und er sagt: „Der Tourismus nützt uns allen.“ Seine Gegner bezweifeln das. Nützen würden die neuen Lifte nur wenigen und der Natur tue der Ausbau nicht gut. Aber das Thema ist durch – der Wald wurde 2013 gerodet, die neuen Anlagen laufen schon. Und sie sind tatsächlich eine Aufwertung, weil man nun die Region komplett mit den Brettern an den Füßen erfahren kann.
Damit nicht genug – auch sonst haben sie sich ganz in Rentier-Rudis Sinne Neues einfallen lassen. Von Helm zieht sich eine lange Abfahrt nach Vierschach. Dort kann man direkt von der Piste in den Zug einsteigen, der in 40 Minuten nach Percha fährt. Und da wird es futuristisch: Raus aus dem Zug, fünf Meter über den Bahnsteig und direkt rein in eine zehner Kabinenbahn mit beheizten Ledersitzen. 20 Minuten später steigt man in knapp 2300 Metern Höhe auf dem Kronplatz wieder aus. Rail and Ski sozusagen. Das dürfte auch den Umweltschützern gefallen.
Hier oben auf dem Kronplatz, einem der Technik-Hotspots des alpinen Skilaufs mit gewaltigen Liftkapazitäten, über 20.000 Skifahren am Tag und Hütten mit Rolltreppen zur Toilette, scheint die beschauliche Rotwand mit ihren Rentieren Lichtjahre entfernt. Ist sie aber nicht – nur ein paar Pisten und ein paar Stationen mit dem Zug.