Stuttgart. Urlaub mit dem Wohnmobil? Nicht gerade etwas Schickes, dürften manche Leute denken. Doch die Branche hat einen Imagewandel hinter sich.
Als Tempomacher sind Wohnmobile nicht bekannt. Auf Autobahn und Bundesstraßen zischen Autos gewöhnlich an den Großgefährten vorbei. Beim Blick auf Verkaufszahlen sind Wohnmobile hierzulande hingegen auf der Überholspur. Der Hersteller-Umsatz zog 2016 um fast ein Fünftel an auf 3,94 Milliarden Euro, die Zulassungszahl der Reisemobile in Deutschland stieg gar um knapp ein Viertel auf 35.000, wie der Branchenverband CIVD mitteilte. "Caravaning liegt im Trend", jubelt die Branche.
Entsprechend gut gelaunt präsentierten sich Wohnmobil-Anbieter bei der Stuttgarter Messe CMT, der "Caravan Motor Touristik", die noch bis Sonntag (22. Januar) dauert und die größte deutsche Publikumsmesse für Campingfahrzeug-Anbieter ist. "Die Geschäfte laufen sehr zufriedenstellend", sagt Bernhard Kibler, Geschäftsführer des Herstellers Hymer. Im laufenden Geschäftsjahr will die Firma 10.500 Fahrzeuge verkaufen, rund 20 Prozent mehr als zuvor. Seit 2009 habe man den Absatz verdoppelt, sagt Kibler.
Caravaning ist eine teure Sache
Die Firma Carthago bezeichnet den Verlauf ihrer Geschäfte ebenfalls als sehr gut. "Die Produktionskapazitäten von Carthago sind für die laufende Saison nahezu ausgeschöpft", sagt Marketingchefin Alexandra Naleppa. Der hochpreisige Anbieter hat sich seit 2010 auf zuletzt etwa 5000 produzierte Fahrzeuge pro Jahr verdoppelt.
Woran liegt das rasante Wachstum? Zunächst einmal am tiefen Fall in der Finanzkrise - damals brachen die Absatzzahlen ein, danach ging es dank der wirtschaftlichen Erholung in Deutschland zügig bergauf. Ganz geheilt sind die Wunden aber noch nicht. Man komme "langsam wieder auf das Niveau von vor der Finanzkrise zurück", sagt Naleppa. Ein Sprecher des Herstellers Hobby verweist zudem auf Terrorismus in anderen Ländern. Dadurch mieden Urlauber gewisse Reiseziele und stiegen stattdessen ins Wohnmobil. Das Unternehmen vermeldet Zuwächse von etwa 20 Prozent.
Beim Rundgang auf der CMT wird klar: Caravaning ist eine teure Sache, wenn man solch ein Fahrzeug kaufen will und nicht nur mieten. Die Preise der Ausstellungsfahrzeuge liegen zwischen 50.000 und 110.000 Euro. "Viele unserer Kunden sind gut situiert", sagt Holger Siebert, Vorstandsmitglied beim Deutschen Caravaning Industrie Verband (CIVD). Wegen der Niedrigzinsen fehlten gute Möglichkeiten zur Geldanlage - also falle der Schritt zur Investition in ein Reisemobil leichter. Zumal der Wertverfall bei den Fahrzeugen gering sei, nach zehn Jahren seien sie noch 70 Prozent des Kaufpreises wert, sagt Siebert. Auch der ADAC spricht von einem niedrigen Wertverlust.
Auftrieb durch älter werdende Gesellschaft
Als weiteren Grund nennt die Branche eine andere Wahrnehmung in der Öffentlichkeit. "Das Image von Caravaning ist nicht mehr das, was es vor 10, 20 Jahren war - so ein Proletenimage, die sitzen da und machen Ravioli", sagt CIVD-Vorstand Siebert. Inzwischen gingen Caravaning-Urlauber in teure Restaurants und würden dadurch als Touristen für eine Region wie den Schwarzwald interessanter.
Auftrieb bekommt die Branche auch durch die im Schnitt älter werdende Gesellschaft - das Alter liegt bei Wohnmobil-Urlaubern laut einer Studie der Forschungsgruppe Urlaub und Reisen im Schnitt bei 50,9 Jahren. "Der demografische Wandel ist für Carthago sicherlich positiv, da unsere Kunden überwiegend im Rentenalter beziehungsweise kurz davor sind", sagt Marketingchefin Naleppa.
Rentner seien im Schnitt fitter als noch vor Jahrzehnten und sie wollten in ihrer freien Zeit möglichst viel unternehmen. "Gleichzeitig ist der Wunsch nach Unabhängigkeit und Freiheit enorm groß", sagt Naleppa. Und Hersteller Hobby nennt die größer werdende Schar an fitten Rentnern "einen wesentlichen Faktor für steigende Umsätze".
"Vor allem Senioren investieren in neue Campingfahrzeuge"
Der Trend zum motorisierten Campingurlaub dürfte anhalten. Davon ist Kurt Heinen überzeugt, Vizepräsident für Tourismus beim ADAC. "Vor allem Senioren investieren in neue Campingfahrzeuge", sagt er. Die Hersteller kämen in der jetzigen Boom-Phase kaum noch mit der Produktion nach, um die Nachfrage zu decken. Caravaning passe gut zum allgemeinen Trend hin zur Selbstbestimmung und Nachhaltigkeit. "Immer mehr Menschen wollen die wertvollsten Tage im Jahr selbst gestalten und schaffen sich damit deutlich nachhaltigere Erinnerungen als zum Beispiel mit einem Pauschalurlaub", sagt Heinen.
Auf der Suche nach neuen Kunden umwerben die Firmen zunehmend jüngere Menschen, etwa Familien mit kleinen Kindern. Immer mehr relativ kleine und weniger teure Kastenwagen werden angeboten, die sich mit einem Maximalgewicht von 3,5 Tonnen noch mit normalen Führerscheinen steuern lassen. Die jungen Kunden seien überaus wichtig, sagt Hymer-Chef Kibler. "Schließlich sind es die Rentner von morgen." (dpa)