München. Nie zuvor sind die Spritpreise so stark gestiegen wie derzeit. Wie kommen sie zustande, wie stark profitiert der Staat und wie liegen die Preise im historischen Vergleich?
Der Krieg in der Ukraine treibt die Spritpreise in nie gekannte Höhen. In nur einer Woche hat sich Diesel um fast 40 Cent verteuert, wie der ADAC am Mittwoch mitteilte. Im bundesweiten Tagesdurchschnitt des Dienstags kostete der Kraftstoff 2,150 Euro pro Liter.
Super E10 legte auf Wochensicht um 27,6 Cent auf 2,103 Euro zu. Und der nächste Preissprung zeichnete sich am Mittwoch bereits ab. Doch was treibt die Preise, wie liegen sie im historischen Vergleich, wie stark profitiert der Staat und wie gehen andere Länder mit dem Spritpreis-Schock um?
Wie setzt sich der Spritpreis zusammen?
Ein großer Teil sind Steuern und Abgaben: Die Energie- bzw. Mineralölsteuer macht bei Superbenzin 65,45 Cent pro Liter aus, bei Diesel sind es 47,07 Cent. Dazu kommt die Mehrwertsteuer - aktuell 33,6 Cent bei Super E10 und 34,3 Cent bei Diesel - und die CO2-Abgabe, die - je nach Biospritanteil - mit weiteren etwa sieben Cent pro Liter zu Buche schlägt. Insgesamt gehen derzeit also bei Diesel rund 89 Cent pro Liter an den Staat, bei E10 knapp 106.
Der restliche Preis - also bei Diesel rund 126 und bei Benzin rund 104 Cent pro Liter - entfallen unter anderem auf den Preis für die Rohstoffe, Kosten für Raffinerie, Transport und Vertrieb sowie die Gewinne der beteiligten Unternehmen. Den aktuell größten Posten dürften dabei die Produktkosten einnehmen.
Profitiert der Staat von steigenden Spritpreisen?
Die Energie- bzw. Mineralölsteuer sowie der CO2-Preis bleiben konstant, die Mehrwertsteuer steigt aber mit den Spritpreisen. Der aktuelle Anstieg von 39,4 Cent pro Liter Diesel binnen einer Woche sorgt dafür, dass der Staat pro verkauftem Liter Diesel 6,3 Cent mehr einnimmt. Das Plus von 27,6 Cent bei Benzin hebt die Einnahmen des Staates aus der Mehrwertsteuer um 4,4 Cent pro Liter. Sollte wegen der hohen Spritpreise weniger getankt werden, könnte der Effekt schwinden.
Was treibt den Spritpreis?
Haupttreiber des bisherigen Anstiegs an der Zapfsäule sind die Ölpreise, die im Zuge des Krieges in der Ukraine und der Sanktionen gegen Russland nach oben schnellten. Der starke Dollar verstärkt den Effekt, da Öl in Dollar gehandelt wird und deutsche Käufer in Euro bezahlen. Hinzu kommt die ungewöhnlich starke Nachfrage nach Heizöl. Schon vor dem russischen Krieg gegen die Ukraine waren die Spritpreise in Deutschland auf Rekordhöhe gestiegen.
Wie liegt der Spritpreis im historischen Vergleich?
Auf Jahressicht ist der Anstieg gewaltig: Im März vergangenen Jahres hatte Diesel noch 1,315 Euro pro Liter gekostet und Super E10 1,454 Euro. Und auch die alten Rekordwerte aus dem August und September 2012 haben die Kraftstoffpreise weit hinter sich gelassen: Damals hatte Super E10 mit 1,709 und Diesel mit 1,554 lange gültige Höchststände erreicht. Seither hat Diesel um gut 38 Prozent zugelegt, E10 um gut 23 Prozent. Das ist deutlich mehr als der allgemeine Anstieg der Verbraucherpreise. Von September 2012 bis Januar 2022 betrug dieser laut Statistischem Bundesamt 14,4 Prozent.
Wie hart trifft es Autofahrer?
Jeder gefahrene Kilometer wird für Besitzer von Verbrennungsmotoren derzeit teurer. Bei einem typischen Benzin Pkw mit rund 10 500 Kilometern pro Jahr und acht Litern Verbrauch auf 100 Kilometern macht der Unterschied zwischen dem Preisen des März 2021 und den aktuellen Werten aufs Jahr gesehen 545 Euro aus. Bei einem typischen Diesel mit rund 20.000 Kilometern im Jahr und sechs Litern Verbrauch wären es sogar 1002 Euro.
Wie steht es in der Debatte um Entlastungen der Autofahrer?
Gefordert werden derzeit unter anderem Senkungen von Mehrwert- und Mineralölsteuern und weitere Verbesserungen bei der Pendlerpauschale. Letztere wurde bereits vor kurzem im Zuge eines Entlastungspakets frühzeitig angehoben. Andere Länder haben bereits zu deutlicheren Schritten gegriffen.
Heizöl oder Rapsöl aus dem Supermarkt kosten rund 1,50 Euro pro Liter. Kann man ein Dieselauto damit betanken?
Das klingt zwar verlockend. Aber es ist steuerrechtlich verboten, und der ADAC rät auch aus technischen Gründen davon ab. Heizöl im Tank vermindere die Leistung, lasse den Motor laut nageln, führe zu erhöhtem Verschleiß von Förder- und Einspritzpumpen und Ablagerungen im Motor. Mit Pflanzenöl könnten ältere Dieselmotoren mit Verteilereinspritzpumpen zumindest zeitweise laufen. Einspritzpumpe und Einspritzdüsen moderner Dieselautos seien aber nicht für das zähflüssige Pflanzenöl ausgelegt: Es schade mittelfristig Motor und Kraftstoffsystem.
Lohnt es, zum Tanken nach Polen, Tschechien oder Österreich zu fahren?
"Wer in Grenznähe wohnt, vielleicht sogar im günstigeren Nachbarland arbeitet oder dort sowieso zum Einkaufen o.ä. hinfährt, für den lohnt sich das Tanken dort ganz bestimmt", heißt es beim ADAC. Fahrtkosten und Zeitaufwand sollten nicht vergessen werden. In Polen ist Diesel und Benzin nach Angaben des Bundesverbands mittelständischer Mineralölunternehmen 50 bis 60 Prozent billiger als in Deutschland, weil Polen seine Spritsteuern kräftig gesenkt hat. Tankstellen in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen hätten wegen des enormen Preisgefälles schon aufgegeben oder stünden kurz davor.
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