Essen. Schädlingsbekämpfer bekommen derzeit viele Anfragen, weil immer mehr Wespennester entdeckt werden. So schätzen Fachleute die aktuelle Lage ein.
Sie sitzen auf dem Kuchen, nagen am Grillfleisch und schwimmen in der Apfelschorle. Von allen ungebetenen Tischgästen sind die Wespen die gefürchtetsten. Erwartet uns 2019 ein ähnlicher Wespen-Sommer wie im vergangenen Jahr? Das sagen Fachleute.
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Dass das Thema Wespen schon jetzt und nicht erst im Spätsommer in vieler Leute Munde ist, schreibt Bärbel Holl dem heißen Wetter dieser Tage zu: „Die Leute gehen nach draußen und sehen die Nester, die die Tiere gerade bauen“, erklärt die Wuppertalerin, die seit mehr als 30 Jahren in der Schädlingsbekämpfung aktiv ist und den Verein zur Förderung ökologischer Schädlingsbekämpfung mitgegründet hat. In ihrer Firma und auch bei vielen Kollegen stehen derzeit die Telefone nicht mehr still, so viele Nester werden derzeit entdeckt.
Holl und ihre Mitarbeiter kämpfen aber nicht nur gegen Schädlinge, sondern auch gegen die Vorurteile - vor allem in Bezug auf Wespen: „Die Leute werden völlig panisch gemacht.“ Selbstverständlich können Wespenstiche gefährlich sein – vor allem für Allergiker (auch Holl reagiert allergisch auf Wespenstiche). Das beträfe aber nur einen geringen Teil der Bevölkerung. Deshalb rät die Expertin vor allem zur Ruhe: „Denn auch Wespen haben in der Natur eine wichtige Aufgabe.“
Schwarz-gelbe Insekten: So unterscheidet man Wespe und Biene
Wespen erkennt man gut - an der Wespentaille. Es gibt eine Art Einschnitt zwischen dem mittleren Körperabschnitt und dem Hinterleib. Und natürlich trägt sie das typische schwarz-gelbe Körperkleid.Am üblichsten sind in Deutschland zwei Arten: Die Deutsche Wespe erkennt man an einer gelben Stelle mit drei schwarzen Punkten zwischen ihren Augen. Die Gemeine Wespe, auch als Gewöhnliche Wespe bezeichnet, hat einen ankerförmigen Fleck an dieser Stelle. Nur diese beiden Arten haben es auf unsere Lebensmittel abgesehen.Die Hornisse ist auch eine Wespenart, die zusätzlich zum Streifenmuster in Gelb und Schwarz rötlich-braune Bereiche am Kopf und in der Körpermitte hat. Sie ist größer als andere Wespen. Den Unterschied sollte man kennen, denn Hornissen kommen in Deutschland nur noch selten vor und stehen unter Naturschutz - genauso wie Bienen.Honigbienen haben zusätzlich zum Streifenkleid einen eher bräunlichen Hinterleib, sind rundlicher und stärker behaart. Und bei einem Stich verlieren sie ihren Stachel, Wespen nicht. Hummeln gehören zu den Bienen, daher können sie ebenfalls stechen. Die vergleichsweise dicken Brummer tragen noch mehr Fell als die Bienen. Sie wirken gemütlich, wenn sie durch die Gegend schwirren. Sie interessieren sich nicht für Lebensmittel, sondern suchen Nektar.Schwebfliegen sind nur scheinbar Wespen - und komplett harmlos. Sie können nicht einmal stechen. Ihr schwarz-gelbes Kleid ist reine Tarnung. (dpa)
Holls Anliegen und das ihres Berufsverbandes ist es, das Ökosystem als Ganzes im Blick zu behalten. Bevor Nester entfernt werden, „prüfen wir, ob es eine andere Lösung gibt“, so Holl. „Das Abtöten einzelner Nester im begründeten Einzelfall gefährdet den Arterhalt nicht“, erklärt sie weiter. Diese Maßnahme gestattet das Naturschutzgesetz aber nur, wenn ein „vernünftiger Grund“ vorliege. Etwa in gefährdeten Bereichen wie Kindergärten. Ansonsten ist die Tötung von Wespen verboten und kann mit Strafen von bis zu 50.000 Euro geahndet werden. „Viele, die sich panisch bei uns melden, beruhigen wir. Die meisten können mit ihrem Nest leben.“
Schädlingsbekämpfer warnen vor Abzocker-Firmen im Internet
Aber nicht alle geben sich damit zufrieden und suchen sich dann einen Notdienst im Internet und landen oft bei einem der unzähligen schwarzen Schafe, die die Wespenbekämpfung für sich als lukratives Geschäftsfeld entdeckt haben. „Die nutzen dann die Not und Angst der Menschen aus und zocken die Leute ab“, sagt Holl.
Während eine Wespenbekämpfung je nach Größe oder Ort zwischen 100 und 250 Euro kostet, verlangen Betrüger dafür auch schon mal ein Vielfaches davon. Holl: „Diese Notdienste sind oft gar nicht für die Wespenbekämpfung qualifiziert oder verschlimmern die Lage womöglich noch“, so die Wuppertalerin, die seit vielen Jahren Prüfungen bei angehenden Schädlingsbekämpfern abnimmt. „Nicht umsonst werden die Leute bei uns drei Jahre ausgebildet.“ Auch die Verbraucherzentrale warnt vor unseriösen Anbietern, die horrende Preise verlangen und die Kunden unter Druck setzen, noch an der Haustür zu bezahlen.
Insekten-Experten rechnen mit nicht so hoher Wespen-Population
Auch wenn aktuell viele Wespennester entdeckt werden, dass 2019 ein „gutes Wespenjahr“ wie 2018 wird, davon geht Laura Breitkreuz, Insekten-Expertin des Nabu-Bundesverbandes trotzdem derzeit nicht aus. „Dies liegt unter anderem am relativ kurzen, kühlen und nassen Frühling. Regen im Frühjahr bis Frühsommer hat den stärksten Einfluss auf das Wespenaufkommen“, so Breitkreuz. „Demzufolge sollte dieses Jahr ein normales bis schlechtes Wespenjahr werden.“ Und auch Bärbel Holl rechnet durch den recht warmen Februar, auf den noch einmal ein kalter März folgte, eher mit einer niedrigeren Wespen-Population als im vergangenen Jahr.
Bei den „nervigen Wespen“ handelt es sich übrigens nur um zwei von insgesamt neun Wespenarten - diese zwei Arten zählen zu den Kurzkopfwespen. Es handelt sich dabei um die „Deutsche“ und um die „Gemeine Wespe“. Alle anderen Wespen bekommen wir in der Regel am Esstisch nicht zu Gesicht.
Dass sich das allgemeine Insektensterben auch auf diese beide nervigen Unterarten auswirkt, davon gehen Insektenforscher nicht aus. „Allgemein sind Kulturfolger wie diese Wespen weniger stark betroffen“, so Nabu-Expertin Breitkreuz.
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