Berlin. Dieses Jahr soll die virtuelle Realität Wirklichkeit werden: Zahlreiche 3-D-Brillen kommen auf den Markt. Wo kommen sie zum Einsatz?



Der Begriff geistert seit Jahren durch die Technik-Szene, doch viele Experten prophezeien erst für das Jahr 2016 den Durchbruch für die Virtual Reality, kurz VR. Einiges spricht dafür. „Zur Zeit ist Virtual Reality das große Thema. Unsere Entwickler stecken viel Energie dort hinein, wir bauen Teams auf, die sich nur mit VR beschäftigen“, sagt Isabelle Sonnenfeld, Deutschland-Chefin des Google News Lab unserer Redaktion.

In vielerlei Hinsicht muss auf dem Gebiet noch Pionierarbeit geleistet werden. Im Kern geht es bei VR um eine neue Art der digitalen Wahrnehmung: 3-D-Brillen ermöglichen Nutzern, in täuschend echte Simulationen einzutauchen.

Alle großen Hersteller mit Produkten auf Markt

Doch welchen Nutzen bringen diese simulierten 3-D-Umgebungen? Wo kann VR sinnvoll eingesetzt werden? „Es ist noch ein wenig Wilder Westen“, so Sonnenfeld. Die großen Spieler positionieren sich: Samsung, Sony, HTC und Facebook bringen allesamt in den nächsten Monaten eigene Brillen auf den Markt oder haben das bereits.

Es ist viel Geld im Spiel. Facebook hat schon vor zwei Jahren den VR-Brillen-Hersteller Oculus Rift gekauft – für etwa zwei Milliarden Dollar. Seit Anfang Januar können Kunden die VR-Brille für rund 699 Euro vorbestellen. Der Hersteller will die 3-D-Brille, die zum Computerspielen eingesetzt wird, voraussichtlich Ende Februar ausliefern. Laut Experten könnten die Brillen der Akzeptanz von VR einen entscheidenden Schub verleihen.

Virtual Reality ist aber nicht gleich Virtual Reality: Der Käufer muss nicht mehrere Hundert Euro ausgeben. Schon mit verhältnismäßig einfachen Mitteln sind Simulationen möglich. Das sogenannte Google Cardboard kostet lediglich zwei Euro. Der Nutzer bastelt sich nach einer Anleitung seine eigene Pappbrille selbst zusammen, in die er das Smartphone steckt – bekommt aber bereits einen Eindruck, wie die Simulationen funktionieren.

Einige VR-Projekte zeigen, dass die simulierte Wirklichkeit keine einsame Flucht aus der Realität sein muss, sondern sogar das Gemeinschaftsgefühl stärkt. Anderswo wird sie eingesetzt, um zu lernen und dient der Kulturvermittlung. Ein Überblick darüber, wo VR bereits jetzt zum Einsatz kommt.

1. VR-Kinoabende mit Kurzfilmen

Ein Abend im Januar in der Berliner Platoon-Kunsthalle: Etwa 50 Zuschauer haben Platz genommen und 3-D-Brillen samt Kopfhörern aufgesetzt. Die Stühle unter ihnen sind drehbar, so dass sich die Gäste um die eigene Achse bewegen können. Der Zuschauer ist gewissermaßen im Film: Jede Kopfbewegung, jeder Schwenk überträgt sich auf den Film, der vor den Augen der Gäste abläuft. An diesem Abend stehen Kurzfilme auf dem Programm. Zum Beispiel der Film „Clouds over Sidra“, der das Leben in einem jordanischen Flüchtlingslager zeigt.

„Hallo, Sie sind vor dem Buckingham Palace, der offiziellen Residenz Ihrer Majestät, der Queen“, erklärt der Butler und sagt, während er die Tür öffnet: „Bitte kommen Sie herein.“ Auf dieser virtuellen Tour bekommt der Zuschauer eine Führung durch die prächtigen Räume des Palastes – und kann sich frei nach Belieben umschauen. Der digitale Rundgang ist Teil von Googles sogenanntem „Expeditions Pioneer Program“, das Sehenswürdigkeiten rund um den Globus erlebbar machen soll. Auch viele Museen in Deutschland setzen verstärkt in ihren Ausstellungen auf VR. Das Museum für Naturkunde Berlin zum Beispiel belebt Dinosaurier durch spezielle Brillen für den Besucher zum Leben.

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Bei Facebook sind die 360-Grad-Videos ein recht junges Phänomen. „Sie eröffnen völlig neue Wege Erfahrungen zu teilen und vermitteln das Gefühl, dass man tatsächlich Teil dessen ist, was man sieht“, schreibt Facebook-Gründer Mark Zuckerberg in seiner Ankündigung. Dazu verlinkt er auf ein Video des Senders ABC News aus Nordkorea. „Es erlaubt einem Erfahrungen, die die meisten Menschen in ihrem Leben niemals machen würden“, schreibt er weiter. Inzwischen tauchen 360-Grad-Videos in dem Sozialen Netzwerk immer häufiger auf. Auf YouTube hatte Google solche Videos bereits im Frühjahr 2015 ermöglicht. Interessant dürfte die Form auch für Werbekunden sein: Dem Technik-Magazin „The Verge“ zufolge will Facebook demnächst auch für Werbekunden die 360-Grad-Videos anbieten.

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Mehrere Firmen experimentieren derzeit mit 3-D-Shopping. Das Startup Trillenium entwickelt beispielsweise dreidimensionale Online-Shopping-Lösungen. Der große englische Online-Händler Asos Ventures hat sich bei dem Startup eingekauft und will eine interaktive Shopping-Plattform aufbauen. Ähnliche Versuche einzelner Marken und Websites hatte es bereits in der Vergangenheit gegeben, doch scheiterten sie meist an technischen Hürden. Trillenium will nun den großen Wurf wagen: Eine App soll es ermöglichen auch mit Bekannten auf virtuelle Shopping-Tour zu gehen. Wann sie in diesem Jahr verfügbar ist, hat der Online-Händler noch nicht bekannt gegeben.

5. Journalismus und Geschichten erzählen

Pionier auf dem Gebiet des VR-Journalismus war die „New York Times“. Sie veröffentlichte Anfang November 2015 die App NYTVR und nahm den Zuschauer auf Reise mit drei Flüchtlingskindern. Um die Reportage „The Displaced“ den Abonnenten erlebbar zu machen, schickte die Zeitung rund eine Million Google Cardboard VR-Brillen an ihre Leser. Viele Nutzer zeigten sich beeindruckt. Die etwa 11-minütige Reportage ist auch auf YouTube verfügbar.

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Auch der deutsch-französische Fernsehsender Arte hat eine VR-App entwickelt. Sie nimmt den Zuschauer zum Beispiel mit auf den Mont Blanc oder an das Polarmeer. Dass das Thema Virtual Reality künftig eine immer größere Rolle spielen dürfte, zeigt sich auch an einer Personalie: Erst vor ein paar Tagen engagierte Apple den VR-Experten Doug Bowman, um die Entwicklung von Virtual Reality im Konzern voranzutreiben. Und der Online-Händler Amazon hat bereits eine eigene Seite ins Netz gestellt, auf der er alle Produkte rund um das Thema bündelt. Der Titel: „Die neue Realität“.