Essen.. Musik beim Autofahren verspricht entspannte Fahrweisen und ein anderes Fahrgefühl. Wissenschaftler halten den Effekt von Hintergrundmusik im Auto jedoch für überschätzt. Andererseits warnen sie: Extremmusik wie lauter Hardrock kann dazu führen, dass der Fahrer sich überschätzt.
Von Franz Josef Strauß (1915-1988) erzählt man sich, dass er an sommerlichen Sonntagen sein Reich wie folgt zu durchmessen pflegte: Er schickte den Fahrer heim, setzte sich selbst ans Steuer eines großen dunklen BMW und fuhr mit vollem Tank und vollster Zufriedenheit über Land. Ohne eines ging es freilich nie beim bayerischen Ministerpräsidenten: laute Marschmusik aus den Boxen.
Etwas feinsinnigere Töne schlug Peter Ramsauer (ebenfalls CSU) an. Er setzte sich mit Prominenten ans Klavier, einer Mozart-Platte wegen. Albumtitel: Adagio fürs Auto. „Ziemlich entgegen unserer Forschung“, sagt Helga de la Motte-Haber, Musikwissenschaftlerin und Pionierin von Studien, die Auto-Musik untersuchen.
Klassik ist im Grunde zu anspruchsvoll
Strauß, der Instinktmensch, hatte es instinktiv richtig gemacht, Ramsauer, Verkehrsminister und Hobby-Pianist, gut gemeint. „Der Großteil klassischer Musik ist als Hintergrundmusik ungeeignet und auch nicht gedacht. Sie beansprucht zu viel Aufmerksamkeit“, sieht die emeritierte Professorin Werbungen für Mozart oder Bach als Bremshilfe eher skeptisch.
Ramsauer ist nicht allein. Erst diese Woche erschien bei der renommierten „Deutsche Grammophon“ die Doppel-CD „Fahren Sie entspannt“. Erstklassige Interpreten spielen mal Liszts „Liebestraum“, mal „Jesu bleibet meine Freude“. Sogar Bruckners „Locus iste“, was nur Banausen für einen akustischen Hinweis aufs nächste Autobahn-WC halten. Alles schöne, sanfte Stücke, warum also keine ausdrückliche Empfehlung?
„Bitte nicht bei Vollgas am Lautstärkeregler fummeln“
Gerade der Anspruch und die Qualität dieser Musik verhindere ihre Eignung: „Diese Musik hat eine große Breite im Dynamiklevel. Das gibt es beim Pop so nicht. Da kann es etwa sein, dass es plötzlich sehr leise wird. Stellen Sie sich mal vor, der Fahrer möchte ein Pianissimo unbedingt hören und fummelt bei Vollgas am Lautstärkeregler“, sagt Helga de la Motte-Haber.
Sie ist kein Fan von schlichter Popmusik, sieht in ihr aber den unkomplizierteren Beifahrer. Der zuverlässige Rhythmus, die Schlichtheit zögen weniger Konzentration ab. Die balsamische Wirkung der Klassik auf ein hitziges Temperament sei auch am Steuer fraglich. „Nimm Mozart und schon ist der Mensch entspannt“, das sei auf keinen Fall seriös. Vorlieben des Fahrers, soziales Umfeld, Charakter und Naturell – alles Faktoren, die in die Gleichung gehörten.
„Die reine Hintergrundmusik hat überhaupt keine Wirkung“
90 Prozent aller deutschen Autofahrer hören während des Fahrens Musik. Aber hören sie sie auch? „Die reine Hintergrundmusik hat überhaupt keine Wirkung“, sagt de la Motte-Haber, das hätten Versuche in der Arbeitswelt belegt, extreme Arten aber wirken auf Fahrer: „Sehr harte, sehr laute Musik kann die Risikobereitschaft erhöhen.“ „Ich komm’ noch um die Kurve“, denke der Fahrer, sagt die Forscherin und beklagt, dass die Hersteller von Auto-Stereoanlagen in diesem Punkt nicht sehr zugänglich seien. In ein Plädoyer für sanfte Klassiksätze mündet ihre Erkenntnis aber nicht: „Man fährt ja mal auch langweilige Strecken, da nimmt man schlimmstenfalls beim Adagio den Fuß ganz vom Gas.“
Der neue Bußgeldkatalog
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Selbst die von ihr erforschte positive Wirkung der Musik auf die Reaktionszeit des Fahrers, schränkt Helga de la Motte-Haber ein. Ja, diese berühmte Zehntelsekunde könne bei Tempo 100 durchaus zwei bis drei Meter ausmachen. „Aber das hat hat nur bei Vordersicht funktioniert. Was an den Rändern passiert, wird langsamer wahrgenommen als ohne Musik.“
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