Essen. Rund 20 Millionen Menschen sind in Deutschland von rheumatischen Erkrankungen betroffen. Trotzdem wollen viele Patienten auch beruflich aktiv bleiben. Prof. Wilfried Mau erklärt, was Betroffene tun können und welche Rechte auf eine Förderung am Arbeitsplatz sie haben.

Als Rheumapatient beruflich aktiv sein – geht das? Diese Frage bewegt viele der 20 Millionen Menschen, die laut Deutscher Rheuma-Liga unter rheumatischen Erkrankungen leiden. Was sie tun können und wie Mediziner sowie Arbeitgeber sie unterstützen können, das weiß Prof. Wilfried Mau, Direktor des Instituts für Rehabilitationsmedizin an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.

Wie sind Rheumapatienten in ihrem Arbeitsalltag beeinträchtigt?

Prof. Wilfried Mau: Ein typisches Beispiel: Bei vielen sind die entzündeten Gelenke vor allem in den Morgenstunden steif. „Sie können deshalb schwerlich zeitig am Computer arbeiten oder im Job direkt anpacken“, sagt Prof. Wilfried Mau. Flexible Arbeitszeiten mit einem möglichen späteren Beginn wären hilfreich, denn Medikamente und Bewegung sorgen im Laufe des Tages wieder für mehr Beweglichkeit. Wer dann etwa durch rheumatisch bedingte Schulterschmerzen Probleme hat, an hohe Regale heranzukommen, kann sich Hilfsmittel wie eine gut gesicherte Leiter organisieren.

Was kann man selbst dafür tun, um seinen Job weiter auszuüben?

Mau: Probleme am Arbeitsplatz werden nicht gern angesprochen – weil Angestellte fürchten, aufgrund ihrer Erkrankung gemobbt oder gekündigt zu werden. Experte Wilfried Mau macht Mut, sich zu informieren und Unterstützung zu fordern: „Viele Patienten wissen gar nicht, welche Hilfsmittel es gibt und was ihnen zusteht.“ Der Betriebsrat oder eine Personalvertretung können weiterhelfen.

Und im Gespräch mit dem Arzt oder einem fachkundigen Berater der Rheuma-Liga können Lösungen für Schwierigkeiten am Arbeitsplatz gefunden werden. Darüber hinaus gilt es, sich einen Ausgleich für die Zeit nach Feierabend durch passende Bewegungsangebote zu suchen, um die täglichen Belastungen meistern zu können..

Wie helfen Mediziner und Experten?

Mau: „Man sollte möglichst früh sein Recht auf eine Rehabilitation geltend machen“, rät Wilfried Mau. Zu einem Reha-Team gehören neben Medizinern auch Physio- und Sporttherapeuten, Fachleute für Ergotherapie, Sozialarbeiter und Psychologen. Gemeinsam werde überlegt, auf welche Weise der Patient für seinen Arbeitsplatz fit gemacht werden kann, ob das Umfeld umgestaltet werden muss oder eventuell eine Umschulung infrage kommt.

„Dafür ist eine Vielfalt anspruchsvoller Untersuchungen und Gesprächen notwendig, für die man sich die rund drei Wochen in einer Reha-Klinik Zeit nehmen sollte“, erklärt Mau. Dem Reha-Team komme in dieser Zeit eine Rolle als Lebensberater zu, denn es stoße Prozesse an. Oft werden Gewohnheiten über Bord geworfen, Veränderungen stehen an.

Welche Rechte haben Angestellte auf eine Förderung am Arbeitsplatz?

Mau: Die Rechtslage ist laut Reha-Mediziner Wilfried Mau eindeutig: Wer mehr als sechs Wochen im Jahr krank ist, dem muss der Arbeitgeber Vorschläge unterbreiten, wie die Situation im Job für ihn verbessert werden kann. „Inzwischen fragen Arbeitsgerichte bei einer Kündigung schon nach, ob das geschehen ist. Sollte es nicht der Fall sein, kann die Kündigung rückgängig gemacht werden.“

Gibt es staatliche Unterstützung?

Mau: In der Regel werden Reha-Maßnahmen, die eine Rückkehr an den Arbeitsplatz ermöglichen, durch die Deutsche Rentenversicherung finanziert. „Es ist aber auch wichtig, das Versorgungs- bzw. Integrationsamt des Wohnortes aufzusuchen, um einen Schwerbehindertenausweis zu beantragen und Unterstützung im Arbeitsleben zu bekommen“, sagt Reha-Mediziner Professor Mau. Ein solcher Ausweis hilft beispielsweise auch dem Arbeitgeber, damit dieser Ausgleichszahlungen für eine verminderte Leistungsfähigkeit seines erkrankten Angestellten beantragen kann.

Ab wann sollte man an Teilzeit oder vorgezogenen Ruhestand denken?

Hier gibt’s Hilfe

Ein „Wegweiser Arbeitsfähigkeit“ des Instituts für Rehabilitationsmedizin der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg informiert Patienten und Ärzte über Möglichkeiten für Rheuma-Patienten, um berufstätig zu bleiben: www.wegweiser-arbeitsfaehigkeit.deDie Rheuma-Liga vermittelt Hilfe bei Rheuma, Beratung und Kontakt zu Betroffenen in der Umgebung: www.rheuma-liga.deBewegungsangebote für Rheuma-Patienten halten der Deutsche Verband für Gesundheitssport und Sporttherapie (DVGS), www.dvgs.de, oder der Deutsche Behindertensportverband, www.dbs-npc.de, bereit.

Mau: Je nach der körperlichen Leistungsfähigkeit ist eine Teilrente laut Wilfried Mau eine Überlegung wert: „Das bedeutet, man arbeitet noch stundenweise und verdient sich seinen Lebensunterhalt zum Teil selbst, zum Teil bekommt man eine Rente.“ Diese Lösung bleibt nicht nur Älteren vorbehalten – jeder Rheuma-Patient, der sich mit dem Gedanken trägt, hat laut Mau Anspruch auf eine Beratung dazu bei der Deutschen Rentenversicherung. Zu früh ganz in Rente zu gehen, löst nach Worten des Experten die Probleme nicht: „Zum einen müssen die Menschen dann von wenig Geld leben, zum anderen lösen sich die vielen sozialen Kontakte auf, die sie in ihrem Job pflegen.“

Wie verhindern Rheumapatienten, die in Rente gehen müssen, dass sie sich nutzlos und untätig fühlen?

Mau:„Wer sich ehrenamtlich engagiert, hilft nicht nur anderen Patienten oder Bedürftigen, sondern tut auch etwas für sich selbst – er gibt seinem Leben dadurch einen neuen Sinn“, sagt Reha-Mediziner Mau. Die Rheuma-Liga, mit 270 000 Mitgliedern die größte Selbsthilfeorganisation in Deutschland, vermittele gern Kontakte zu Menschen, die Unterstützung brauchen.