Giglio. An Bord der Costa Concordia haben Taucher fünf weitere Leichen gefunden. Das teilte die italienische Küstenwache mit. Die Zahl der Opfer ist damit auf insgesamt elf gestiegen. Gegen Mittag war bekannt geworden, dass es sich bei der am Montag gefundenen Leiche um einen Deutschen handelt.

Taucher der italienischen Küstenwache haben am Dienstag fünf weitere Leichen in dem vor der Küste der toskanischen Insel Giglio havarierten Kreuzfahrtschiff "Costa Concordia" entdeckt. Dies teilte die Küstenwache italienischen Medien mit. Demnach befanden sich die Opfer im hinteren Teil des überfluteten Hecks. Damit kamen bei dem Unglück am Freitagabend mindestens elf Menschen ums Leben.

Nach dem Schiffsunglück vor der Küste Italiens ist Medienberichten zufolge das erste deutsche Opfer identifiziert worden. Bei dem Toten handele es sich um einen Mann, der am Montag als sechstes Opfer geborgen worden sei, berichtete tagesschau.de unter Berufung auf den italienischen Staatsrundfunk RAI. Das Auswärtige Amt in Berlin wollte auf dapd-Anfrage zunächst nicht bestätigen, dass sich unter den Opfern auch ein Deutscher befindet. Bislang wurden sechs Menschen tot geborgen.

Nach der Havarie des Kreuzfahrtschiffs "Costa Concordia" haben die italienischen Behörden am Dienstag die Nationalität der Vermissten genannt: demnach sind 14 Deutsche darunter. Weiter werden noch sechs Italiener, vier Franzosen, zwei US-Bürger sowie jeweils eine Person aus Ungarn, Indien und Peru vermisst. Bei einem am Montag geborgenen Toten handele es sich möglicherweise um einen der Vermissten, hieß es weiter.

Taucher sprengen Löcher in die Außenwand der Costa Concordia

Vier Tage nach dem Schiffbruch beschleunigen die Rettungskräfte die Suche nach den Vermissten. Um rascher durch die Trümmer im Schiffsrumpf zu kommen, setzten sie am Dienstag auch Sprengstoff ein. Neue Informationen unterstreichen unterdessen die Vorwürfe gegen den italienischen Kapitän des Kreuzfahrtschiffs.

Taucher sprengten vier Löcher in die Außenwand, um leichter ins Innere des Wracks zu gelangen. Mit kleinen Sprengladungen bahnten sie sich anschließend einen Weg durch die Kabinen. "Wir setzen die Suche fort. Das Schiff ist stabil, und das gute Wetter hilft uns", erklärte der Sprecher der Küstenwache Filippo Marini. Am Donnerstag sollte wieder ein Sturm aufziehen.

29 Menschen werden vermisst

Einer detaillierten Auflistung der Küstenwache zufolge werden nach dem Unglück vom Freitagabend noch immer 29 Menschen vermisst. Darunter seien insgesamt mindestens zwölf Deutsche, wie eine Sprecherin des Auswärtigen Amts mitteilte. Weiteren Hinweisen auf "Personen, deren Verbleib nicht geklärt werden konnte, wird mit Hochdruck nachgegangen".

Die "Costa Concordia" war mit mehr als 4000 Menschen an Bord vor der Küste von Giglio auf einen Felsen aufgelaufen und dort havariert. Die Reederei macht Kapitän Francesco Schettino für das Unglück verantwortlich, seit Samstag sitzt er in Haft. Schettino war demnach eigenmächtig von der Route abgewichen und hatte nach dem Unglück viel zu spät die Evakuierung des Luxusliners angeordnet. Italienischen Medienberichten zufolge begann die Besatzung schließlich eigenmächtig mit der Evakuierung - 15 Minuten, bevor die Anweisung des Kapitäns kam.

Telefon-Mitschnitt belastet den Kapitän

Mitschnitte eines Telefonats zwischen Schettino und einem Offizier, der im Hafen der Insel Giglio Dienst hatte, erhärten unterdessen den Verdacht, dass der Kapitän noch vor Ende der Evakuierung von Bord gegangen war. Nach Angaben der italienischen Nachrichtenagentur Ansa handelt es sich um Aufzeichnungen von einer Blackbox.

Demnach erreichte der Offizier Schettino um 01.46 Uhr auf dem Handy, als noch hunderte Menschen an Bord des sich langsam zur Seite neigenden Schiffes waren. Er forderte Schettino auf: "Jetzt begeben Sie sich zum Bug, Sie klettern die Rettungsleiter hoch und leiten die Evakuierung!" Der Offizier wurde im Verlauf des Telefonats immer ungehaltener. "Sie müssen uns sagen, wie viele Leute da noch sind, Kinder, Frauen, Passagiere, die genauen Zahlen in jeder Kategorie!", verlangte er von Schettino.

"Was machen Sie? Geben Sie die Rettung auf?"

"Was machen Sie? Geben Sie die Rettung auf?", fragte der Offizier. "Nein, nein, ich bin da, ich koordiniere die Rettung", antwortete Schettino, der von den Zeugen allerdings schon vor Mitternacht am Ufer gesehen wurde. Schettinos Anwalt Bruno Leporatti beschreibt ihn als sehr bestürzt und niedergeschlagen. Wegen möglicher Suizid-Gefahr im Gefängnis wird er streng überwacht.

Der italienische Verbraucherschutzverband Cocadons kündigte eine Sammelklage von mehr als 70 Passagieren der "Costa Concordia" gegen die Betreibergesellschaft an. Eine Klage wollte auch ein französischer Anwalt im Namen von zwei Passagieren im südfranzösischen Toulon einreichen.

Öl soll aus dem Schiff abepumpt werden

Unterdessen wächst die Sorge vor einer Umweltkatastrophe durch den im Schiff befindlichen Treibstoff. Es werde mindestens drei Wochen dauern, den Treibstoff abzupumpen, erklärte die Firma Royal Boskalis, deren niederländische Tochtergesellschaft Smit Salvage mit dem Abpumpen beauftragt wurde.

Das Bergungsunternehmen Smit kann nach eigenen Angaben in den kommenden Tagen mit dem Abpumpen des Öls aus dem vor der Küste der Toskana havarierten Kreuzfahrtschiff "Costa Concordia" beginnen. Allerdings habe man bisher noch keine Freigabe, um mit den Arbeiten zu beginnen, teilte das Unternehmen mit Hauptsitz in Rotterdam am Dienstag mit. "Die höchste Priorität haben die Rettungs- und Bergungsarbeiten", sagte Unternehmenssprecher Martijn Schuttevaer.

Erst im Anschluss an den Rettungseinsatz, an dem das Unternehmen nicht beteiligt sei, werde in einer zweiten Phase Schweröl und Diesel abgepumpt. Dieses könne zwei bis vier Wochen dauern. Es müssten bis zu 2.400 Tonnen Treibstoff und Schmierstoffe abgepumpt werden.

Schiff droht nicht in größere Tiefe abzusinken

Das Abpumpen des Öls sei eine sehr gut erprobte Standardoperation, sagte Kees van Essen, der für die Arbeiten vor Ort für das Unternehmen Smit übersieht. Zudem sei bisher kein Treibstoff aus dem Schiff ausgetreten. Die nötigen Gerätschaften, um mit dem Abpumpen zu beginnen, seien vor Ort und einsatzbereit. Der Treibstoff solle über ein Loch im Rumpf über Schläuche in einen Frachtkahn abgepumpt werden.

Das in flachem Wasser liegende Wrack drohe nicht in größere Tiefe abzusinken, fügte van Essen hinzu. Etwaige Bewegungen seien auf das weitere Eindringen von Seewasser in die Hülle der "Costa Concordia" zurückzuführen und stellten keine Gefahr da. Wann das Wrack selbst geborgen und abtransportieren werden könne, stehe aus. Man werde jedoch versuchen, das Schiff im besten Fall in einem Teil zu transportieren.

Zu den möglichen Kosten wollte Sprecher Schuttevaer keine Angaben machen, zunächst müsse sich die Reederei mit den Versicherungen einigen. Das niederländische Unternehmen Smit spezialisiert sich auf maritime Bergungsarbeiten und war an der Hebung des russischen Atom-U-Bootes Kursk beteiligt. Smit gehört zum niederländischen Konzern Boskalis.