Essen. Hilfe, Facebook wird übermorgen kostenpflichtig! Achtung, von Swiffer-Bodentüchern können Hunde sterben! Bitte, bitte, teilt diese Nachricht, um ein krebskrankes Kind zu retten! Im Internet kursieren zahlreiche Falschmeldungen und Mythen. Wir klären über die hartnäckigsten Hoaxes auf.

Sie flattern ins E-Mail-Postfach oder tauchen bei Facebook auf, kommen gerne in Großbuchstaben und mit vielen Ausrufezeichen daher, wirken unheimlich wichtig und eilig - und entbehren meist jeder Grundlage. Hoaxes, also Falschmeldungen, die vor angeblichen Gefahren warnen oder vermeintlich wichtige Ratschläge geben, verbreiten sich im Netz rasant weiter und sind oftmals über Jahre nicht totzukriegen.

Im Gegensatz zu Spam oder Phishing-Mails richten Hoaxes keinen konkreten Schaden an - stehlen aber Lebens- oder Arbeitszeit und Kapazitäten im globalen Datenverkehr. Wir geben einen Überblick über die hartnäckigsten Internet-Mythen:

Swiffer-Bodentücher - eine tödliche Gefahr für Haustiere?

Worum geht's? Tierfreunde berichten in Foren oder auf Facebook von einer Neuigkeit, die sie angeblich selbst am Schwarzen Brett beim Tierarzt erfahren haben: Ein Hund habe wegen eines Leberleidens eingeschläfert werden müssen. "Die Besitzerin hat eine Autopsie veranlasst, da sie keinerlei Erklärung für dieses Leiden hatte", heißt es dann weiter.

Das Ergebnis: Die Krankheit könne nur durch regelmäßige Gifteinnahme ausgelöst worden sein. Angeblich verantwortlich: "Swiffer Wet"-Feuchttücher, deren Inhaltsstoffe selbst als Rückstände auf dem Fußboden hochgiftig für Tiere oder auch Kinder seien.

Was ist dran? Nichts. Laut der Hoax-Info der TU Berlin, die sich auf Falschmeldungen im Internet spezialisiert hat, gibt es keinen einzigen bestätigten Fall einer solchen Vergiftung. "Swiffer"-Hersteller Procter & Gamble betonte seinerseits: "Swiffer-Tücher können bedenkenlos in Haushalten mit Haustieren verwendet werden." Hauptbestandteil sei Wasser, die Reinigungssubstanzen würden auch weltweit in anderen herkömmlichen Reinigungsmitteln verwendet und "liegen in einer Konzentration vor, die für Mensch und Haustier sicher und unbedenklich ist".

Warnung vor Rattenurin an Getränkedosen

Worum geht's? Auch diese Schauergeschichte schürt die Angst vor einer vermeintlich großen Gefahr für Leib und Leben - und das schon seit mehr als zehn Jahren. Im Jahr 2002 kursierte der Kettenbrief erstmals in Deutschland.

Erzählt wird, angeblich im Auftrag des "Kantonsspitals Genf", vom mysteriösen Tod einer Frau, die wenige Tage zuvor während eines Picknicks aus einer Getränkedose getrunken habe. Dabei habe sie sich mit "trockenem Rattenurin infiziert" und sei an der Krankheit Leptospirose gestorben.

Getränkedosen als tödliche Gefahr? Immer mal wieder geistern Schauermärchen von Todesfällen durch Spuren von Rattenurin an den Dosen durchs Netz. Belegt ist indes kein einziger Fall.
Getränkedosen als tödliche Gefahr? Immer mal wieder geistern Schauermärchen von Todesfällen durch Spuren von Rattenurin an den Dosen durchs Netz. Belegt ist indes kein einziger Fall. © dpa | dpa

Was ist dran? An der Geschichte: nichts. Es lässt sich kein offiziell bestätigter Fall finden, in dem jemand nach dem Trinken aus einer Dose an Leptospirose gestorben ist. Der theoretische Hintergrund indes ist wahr: Leptospirose ist eine potenziell tödliche Infektionskranheit, die weltweit verbreitet ist und von Tieren zum Menschen übertragen werden kann.

Aber: Leptospirose ist laut Robert-Koch-Institut (RKI) hierzulande selten. 70 Fälle wurden laut EU-Gesundheitsbehörde ECDC 2010 deutschlandweit gezählt. "Die Übertragung auf den Menschen erfolgt durch direkten oder indirekten Kontakt mit dem Urin infizierter Tiere", erklärt das RKI.

Ob Spuren von Urin an einer Getränkedose für eine Infektion ausreichen, ist allerdings nicht geklärt. Fazit: Abwischen der Dosen vor dem Trinken kann nicht schaden. Für Panikmache gibt es aber keinen Grund.

Falsche Spendenaktionen via Facebook und Panik vor Kidnapping

Facebook-Post als Spendensammlung für sterbenskranke Kinder?

Worum geht's? Ein Kind - mal heißt es Jessica, mal Rachel, mal ganz anders - ist an einer sehr seltenen Form von Krebs erkrankt und braucht Hilfe. Für jede Weiterleitung seiner rührenden Geschichte habe ein Sponsor zugesagt, eine bestimmte Summe zu spenden: entweder für die Behandlung oder aber für die Forschung.

Nicht kleinzukriegen. Noch immer verbreiten wohlmeinende Facebook-Nutzer den Aufruf, mittels Teilen eines Bildes Spenden für ein vermeintlich krankes Kind zu sammeln.
Nicht kleinzukriegen. Noch immer verbreiten wohlmeinende Facebook-Nutzer den Aufruf, mittels Teilen eines Bildes Spenden für ein vermeintlich krankes Kind zu sammeln. © Screenshot | Screenshot

Einst als Kettenbrief bzw. Ketten-E-Mail unterwegs, macht die vermeintliche Hilfsaktion für todkranke Kinder mittlerweile auch in den Sozialen Netzwerken die Runde, oftmals inklusive Fotos eines unbekannten Babys. Die Masche ist dabei dieselbe wie vor 15 Jahren: Es wird auf die Tränendrüse gedrückt und ans Mitgefühl des Lesers appelliert, gerne auch prophylaktisch-vorwurfsvoll: "Wer das nicht weiterleitet, hat kein Herz!"

Was ist dran? Nichts. "Charity Hoaxes" oder Tränendrüsen-Briefe werden die falschen Geschichten genannt. Übersichtsseiten wie der "Hoax-Info-Service" der TU Berlin oder der Blog "Hoaxbusters" listen die unterschiedlichen Versionen der Kettenbriefe auf.

Die US-Krebsgesellschaft, auch als vermeintlicher Geldgeber für weitergeleitete Mails genannt, distanziert sich auf ihrer Homepage von dem Kettenbrief und stellt klar: "Die Geschichte (...) konnte nie bestätigt werden. Die American Cancer Society wird niemals Spendensammlungen mithilfe irgendwelcher Kettenbriefe unterstützen."

Warnung vor Kidnapping im Einkaufszentrum

Worum geht's? Besorgte Eltern berichten vom Furchtbaren, das Freunden von Freunden oder einer Kollegin von Bekannten oder ähnlich unbestimmten Menschen geschehen ist: Beim Einkaufsbummel verschwindet das Kind.

Dahinter steckt angeblich die "Organmafia", die die Kinder entführt und ausweidet. Mal enden die vermeintlichen Erlebnisberichte gut, mal grausam, auch der Ort des Geschehens variiert immer mal wieder. "Hoax-Info" hat einige Beispiele gesammelt.

Was ist dran? Nichts Konkretes. Das soll nicht heißen, dass es keine Entführungsfälle gibt. Aber die Hintergründe der massenhaft auf Facebook geteilten Warnungen lassen sich im Einzelfall nicht bestätigen - die Schauergeschichte ist eine Urbane Legende, die eine Urangst von Eltern bedient. Erst im März dieses Jahres fiel ein Schulleiter in Berlin auf die Geschichte herein, warnte die Eltern seiner Schüler. Auf Nachfragen des "Tagesspiegel" konnte die Polizei den geschilderten Entführungsversuch jedoch nicht bestätigen.

GPS-Chips und Zettel am Auto - vermeintliche Maschen von Kriminellen

Einbrecher verschenken Schlüsselanhänger mit GPS-Chip?

Worum geht's? Auch diese Warnung klingt auf den ersten Blick sehr ernst und wichtig: Kriminelle sollen angeblich Schlüsselanhänger oder Schmuck an Tankstellen verteilen. In den vermeintlichen Geschenken befänden sich jedoch Peilsender, mit denen anschließend der Wohn- oder Aufenthaltsort des Opfers ausfindig gemacht werde. So könnten die Gauner Überfälle und Einbrüche planen.

Was ist dran? Nichts. Schon seit mehreren Jahren geistert die Legende durchs Netz. Die US-Website "Snopes", die sich ebenfalls der Aufklärung Urbaner Mythen widmet, verortet den Start der Ketten-Mail im Jahr 2008 in Südafrika.

Dort verteilte damals eine Tankstellenkette blinkende Schlüsselanhänger als Werbegeschenk - der Ausgangspunkt der Legende. 2012 leitete ein Polizist aus Niedersachsen die Warn-Mail über seine Dienst-Adresse weiter und verlieh ihr so ungewollt einen offiziellen Anstrich. Die Zentrale Polizeidirektion in Hannover dementierte via Pressemitteilung: "Es handelte sich bei der Meldung jedoch NICHT um eine offizielle E-Mail der Behörde, sondern um den persönlichen Irrtum eines Mitarbeiters. Wir bitten, derartige E-Mails nicht weiter zu verbreiten und unverzüglich zu vernichten."

Ein Zettel an der Heckscheibe - und dann wird angeblich das Auto geklaut

Worum geht's? Noch so ein Hoax, der sich in ähnlicher Art und Weise der Angst vor Kriminalität bedient: Via E-Mail oder Facebook-Status wird vor der vermeintlichen "neuen Methode" von Trickdieben gewarnt, die sich von Luxemburg über Frankreich nach Deutschland ausgebreitet habe. Mittels eines großen Zettels auf der Heckscheibe sollen Autofahrer beim Ausparken zum Aussteigen gebracht werden.

Sobald das Opfer anhalte und aussteige, setze sich der Dieb ins Auto und fahre davon - mit allen Wertsachen im Wagen. "Jetzt hat der Autodieb Ihr Auto, Ihre Adresse, Ihr Geld, Ihre Schlüssel. Ihr Heim und Ihre Identität sie sind ihm ausgeliefert!", zitiert das österreichische Blog "Mimikama" eine Version der Meldung.

Was ist dran? Nichts. Laut "Snopes" ist in den USA seit 2004 kein einziger Fall von Autodiebstahl bestätigt, der in dieser Art erfolgt wäre. Das Problem - ähnlich wie beim Schlüsselanhänger-Hoax: Auch diese Warnung wird von Zeit zu Zeit im Namen der Polizei bzw. tatsächlich von gutmeinenden Polizisten weitergeleitet, was sie offiziell erscheinen lässt. Tatsächlich sind aber auch in Deutschland keine Fälle dieser Art bekannt.

Sorge vor Kostenpflicht bei Facebook - und wirkungslose Widersprüche

Facebook wird kostenpflichtig, ganz bald - oder?

Worum geht's? Übermorgen! Am Wochendende! Am 6. Mai! Irgendwann! Bald! Die Daten sind beliebig, die vermeintliche Neuigkeit ist immer dieselbe: "Facebook wird kostenpflichtig!" Auch die Erklärungen variieren: Mal ist der schlechte Börsenstand schuld. "Es wird eine Monatsgebühr von 9,58€ geben. Wer dem dann nicht zustimmt, wird komplett durch Facebook gelöscht." Mal heißt es, nur die "Vielnutzer" blieben verschont. Und wie zeigt man, dass man ein Vielnutzer ist? Genau: indem man die Meldung weiterverbreitet.

Die Aussage ist definitiv: Ein Facebook-Account soll auch in Zukunft nichts kosten.
Die Aussage ist definitiv: Ein Facebook-Account soll auch in Zukunft nichts kosten. © Screenshot | Screenshot

Was ist dran? Vordergründig: nichts. Die Betreiber selbst betonen auf der Anmeldeseite: "Facebook ist und bleibt kostenlos." Was jedoch nicht bedeutet, dass Mark Zuckerberg und seine Kollegen mit dem Netzwerk kein Geld verdienen wollen. Facebook lotet seit Längerem diverse Möglichkeiten aus, ans Geld seiner Nutzer zu kommen.

So gibt es seit Herbst vergangenen Jahres die Möglichkeit, Statusmeldungen gegen Zahlung bei seinen Freunden besonders prominent anzeigen zu lassen. Und will man einem Nutzer, mit dem man nicht befreundet ist, eine Nachricht schicken, dann kann man mit etwas Geld dafür sorgen, dass sie wahrscheinlicher entdeckt wird. Fazit: Facebook an sich wird wohl kaum morgen kostenpflichtig. Geld ausgeben kann man dort aber längst.

Mit einem Status-Update die eigenen Daten schützen?

So oder ähnlich sehen die Bilder aus, die massenhaft bei Facebook geteilt werden.
So oder ähnlich sehen die Bilder aus, die massenhaft bei Facebook geteilt werden. © WNM | Unbekannt

Worum geht's? Was passiert mit meinen Fotos, Daten, Texten, die ich bei Facebook teile? Das Unternehmen wird das alles doch nicht weiterverkaufen? Besorgte Nutzer versuchen das immer wieder zu verhindern - mittels Status-Update oder einem Foto auf der Pinnwand.

Da heißt es dann, so oder ähnlich: "Aufgrund der neuen AGB's in Facebook widerspreche ich hiermit der kommerziellen Nutzung meiner persönlichen Daten (Texte, Fotos, persönliche Bilder, persönliche Daten) gemäß BDSG. Das Copyright meiner Profilbilder liegt ausschließlich bei mir. Die kommerzielle Nutzung bedarf meiner schriftlichen Zustimmung."

Was ist dran? Klipp und klar: gar nichts. Bei aller Kritik an der Daten-Sammelei des US-Konzerns gilt dennoch: Kein Status-Update der Welt ist als Widerspruch der bei der Anmeldung akzeptierten Nutzungs- und Geschäftsbedingungen wirksam.

Das betonen nicht nur die einschlägigen Blogs immer wieder, auch Juristen haben darauf wiederholt hingewiesen. Die so offiziell erscheinende Erklärung schützt Nutzer vor nichts.