Saas Fee/Schweiz.. Von Saas Fee hinüber nach Zermatt - da klingeln jedem Skifahrer die Ohren. Wer die legendäre “Königin der Skitouren“ einmal erleben möchte, sollte sich früh morgens auf Tour begeben - und erlebt dafür ein wahres Glücksgefühl.
"Lass uns schon früh mit dem Personal der Saas-Fee-Seilbahnen hochfahren“, schlägt Bergführer Lars Hofer vor. Es ist ungewöhnlich warm an diesem April-Wochenende. Im Nachbartal hat es tags zuvor drei Tote bei einer Skitour gegeben. Keine optimalen Bedingungen also für die „Königin der Skitouren“, wie die legendäre „Haute Route“ auch genannt wird. Von Saas Fee hinüber nach Zermatt – da klingeln jedem Skifahrer die Ohren. Und jedem Bergsteiger ebenso, so viele 4000er sind um diese beiden mondänen Bergdörfer versammelt.
Auf Fellen, also mit Tourenskiern, soll es an diesem Tag über den himmelhohen Adlerpass gehen. Doch die Hochtour beginnt ganz profan im Gedränge zwischen Pistenwärtern und Rettungsdienstlern, Liftbetreibern und Hüttenwirten aus Saas Fee. Es ist kurz nach 7 Uhr, doch die Stimmung unter den Einheimischen, von denen nur Bergführer Lars Hofer einen Touristen eingeschleust hat, könnte kaum besser sein. Der wolkenlose Himmel verheißt einen makellosen Tag.
Der Schnee ist manchmal wie eine Cremeschnitte
Die Gondeltür öffnet auf 3000 Höhenmetern und lässt vergessen, dass im Tal 24 Grad angesagt sind. Hier oben sind es minus 6 Grad. Perfekte Bedingungen, der Frühling ist die beste Zeit für eine Skitour entlang der Haute Route. Blauer Himmel, kalte Luft und viel Schnee. Jetzt heißt es: Felle unter die Skier kleben – das soll ein Zurückrutschen beim Aufstieg verhindern. „Der Schnee ist jetzt wie eine Cremeschnitte“, erklärt Lars. Das bedeutet: Die Lawinengefahr steigt – vor allem in der zu erwartenden Mittagshitze. Also macht Lars ordentlich Tempo. „Geschwindigkeit gleich Sicherheit.“
Die Daunenjacke kann getrost im Rucksack bleiben. Vor uns steigt eine Gruppe Tourengeher auf, die von der Britanniahütte oberhalb von Saas Fee aufgebrochen ist. Die kleine Karawane erklimmt bereits den Allalingletscher, der gnädigerweise erst oben etwas steiler wird. Bis dahin bleibt viel Zeit, um die Gedanken fliegen zu lassen. „Bei den Touren kann ich gut Probleme lösen und Projekte planen“, schwärmt Lars. Ein Problem, das die Schweizer umtreibt, ist das umstrittene Heli-Skiing.
Der Schweizer Alpenclub (SAC) hat sich gegen neue Landeplätze in Gipfelregionen ausgesprochen, doch für die Bergdörfer ist der Wintertourismus unverzichtbar, um zu überleben. Italien gibt gerade mit elf neuen Heli-Plätzen südlich des Monte Rosa-Massivs die Richtung vor. „Die haben den besten Winter seit langer Zeit gehabt“, weiß der 30-Jährige. Nur zu einem Prozent der Fliegerei würden zahlungskräftige Ski-Touristen auf die Berge geflogen. Der SAC sei unglaubwürdig, wenn er für seine neue Monte Rosa-Hütte 4000 Heli-Flüge in Kauf nehme und selbst das Duschwasser für seine angeblich so ökologische Hütte herauffliegen ließe, echauffiert sich Lars.
Der Schnee knirscht herrlich unter den Brettern, als es über die 3500-Meter-Marke geht. „Ein schöner Beruf...“, sagt der Tourist. Aber es gibt Schattenseiten. Kein festes Gehalt, Verletzungsrisiko und womöglich problematische Kunden. Etwa ein Besserwisser, der sich nicht an vorgegebene, aber lebenswichtige Regeln hält, bis der Bergführer die Tour abbrechen muss. Ein Risiko sind ebenfalls Prahlhänse, die sich selbst überschätzen – und dadurch andere mit in Gefahr bringen.
Erst kurz vor dem 3800 Meter hohen Adlerpass wird es steiler. Lars empfiehlt, die Steighilfe der Tourenbindung auszuklappen, die ein Absinken der Ferse bis auf das Brett verhindert. Guter Tipp!
„Du bist ja fit wie ein Turnschuh“, ermuntert der Bergführer nach zweieinhalb Stunden auf den letzten Metern nach oben. Die andere Tourengruppe zweigt ab und steuert den Gipfel des Strahlhorns (4190 m) an. Für das Duo ist der Adlerpass zum Greifen nah. Schon zeigt sich die berühmteste Landmarke – das Matterhorn. Jetzt fliegt auch die Seele.
Kurze Schwünge durch feinpulvrigen Schnee
Das Glücksgefühl erfährt lediglich einen kurzen Dämpfer, als der Steilhang hinter dem Pass ins Blickfeld kommt. Upps. Die Felle werden abgezogen und sicher verstaut. Nur kurz schweift der Blick zum Gipfelkranz der 4000er ringsum. Dann geht es in kurzen Schwüngen über den anfangs feinpulvrigen Schnee hinab. Ein Feld mit hartem Pressschnee beschert dem deutschen Tourengänger ein unfreiwilliges Schneebad, während Lars über den langen Findelengletscher mühelos seine Schwünge ins 2200 m tiefer liegende Zermatt zieht. Erst als die ersten Lifte ins Bild kommen, wissen die Tourenfahrer: Sie sind wieder zurück in der Zivilisation.