Hamburg/Berlin.. An den Flughäfen Hamburg und Bremen geht nichts mehr. Wegen der Aschewolke gelten in Norddeutschland Flugverbote. Ab 11 Uhr soll auch der Verkehr an den Berliner Flughäfen eingestellt werden.
Die Deutsche Flugsicherung (DFS) hat eine Einstellung des Flugbetriebes an den Berliner Flughäfen ab Mittwoch 11 Uhr Mittwochvormittag wegen der Aschewolke aus Island beschlossen. Auch der Flughafen Dortmund warnt vor möglichen Beeinträchtigungen.
Die Asche aus dem Vulkan Grimsvötn hat den Luftverkehr am Hamburger Flughafen am Mittwochmorgen komplett zum Erliegen gebracht. Alle Starts und Landungen seit 6 Uhr sind gestrichen, sagte Flughafen-Sprecherin Katja Tempel. Nach dem nächtlichen Flugverbot war der Betrieb am Morgen gar nicht erst aufgenommen worden. Es sei unklar, wie lange das von der Deutschen Flugsicherung (DFS) verhängte Flugverbot gelten solle.
Für Mittwoch sind laut Tempel 433 Starts und Landungen mit rund 43.000 Passagieren geplant. Sie empfiehlt Betroffenen, sich umgehend mit ihrer Fluggesellschaft in Verbindung zu setzen. Es sei mehr Personal im Einsatz, um Passagiere zu informieren. Zudem habe sich der Flughafen mit Feldbetten, Decken und Wasser eingedeckt. Tempel sagte, sie rechne nicht mit einer großen Ansammlung von gestrandeten Passagieren. Im Gegensatz zu Flughäfen wie etwa Frankfurt würden in der Hansestadt keine Passagiere umsteigen.
Bundesverkehrsminister rechnet mit Aufhebung des Flugverbots bis Nachmittag
Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) rechnet mit einer Aufhebung des Flugverbots bis Mittwochnachmittag. Nach Gesprächen mit Experten des Deutschen Wetterdienstes und der Deutschen Flugsicherung sei er zuversichtlich, dass sich die Lage für die Flughäfen in Norddeutschland ab dem Nachmittag entspannen werde, sagte Ramsauer im ARD-"Morgenmagazin". Da komme wohl "nichts Nennenswertes nach", fügte er hinzu. Der Verkehrsminister sieht eine "solide rechtliche Basis" für die wegen der Aschewolke angeordneten Flugverbote. Seit April vergangenen Jahres, als bereits eine Aschewolke den europäischen Flugverkehr lahmgelegt hatte, sei ein "sehr verfeinertes Regelwerk" entwickelt worden, sagte Ramsauer weiter.
Bislang führte der Ausbruch des Vulkans zu Behinderungen im Flugverkehr in Island, Norwegen, Dänemark, Irland, Schottland und England. Vor einem Jahr hatte der isländische Vulkan Eyjafjallajökull den Flugverkehr europaweit für mehrere Tage lahmgelegt.
Ein Sprecher des Deutschen Wetterdienstes sagte, bis voraussichtlich 8 Uhr ziehe die Aschewolke südlich Richtung Mitte Deutschlands ins nördliche Hessen und ins südliche Brandenburg. Dann steige die Konzentration laut Prognose im Norden auf über zwei Milligramm Vulkanasche pro Kubikmeter Luft. Danach werde die Wolke wohl nicht weiter nach Süden vordringen.
Mehrere Inlandsflüge in Schweden abgesagt
Der Flughafen in Frankfurt am Main werde wohl nicht direkt betroffen sein, sagte der Sprecher. Gegen Abend sei insgesamt langsam mit einer Entspannung der Lage zu rechnen. Er betonte, die Prognosen beruhten auf Modellrechnungen, die Unsicherheiten beinhalteten.
Wegen der Vulkanasche aus Island sind in Schweden am Dienstagabend zehn Inlandsflüge gestrichen worden. Die Luftverkehrsbehörde erklärte, über der Westküste werde eine mittelstarke Aschekonzentration erwartet, darunter auch über der zweitgrößten Stadt Göteborg.
Die französische Luftverkehrsbehörde DGAC zeigte sich optimistisch: Der Luftraum über Frankreich werde den Vorhersagen für die kommenden Tage zufolge von den Auswirkungen des Vulkanausbruchs vermutlich nur marginal betroffen sein, erklärte die DGAC am Abend. Derzeit sei keine Sperrung des Luftraums vorgesehen.
Die Fluggesellschaft British Airways (BA) hat nach eigenen Angaben einen Airbus A320 im Einsatz, der das von der Vulkanasche aus Island ausgehende Risiko für den Flugverkehr klären soll. Die Maschine sei am Dienstagabend für einen Überprüfungsflug nach Schottland geschickt worden, teilte BA mit.
Flughäfen in Hamburg und Berlin könnten betroffen sein
Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) hatte am Montag eine sogenannte Allgemeinverfügung in Kraft gesetzt, nach der ein Messwert von zwei Milligramm oder mehr zu einem grundsätzlichen Flugverbot führt, da Schäden an den Flugzeugen, insbesondere an den Triebwerken, nicht ausgeschlossen werden können.
Laut der in Bielefeld erscheinenden Zeitung „Neue Westfälische“ wird ab Mittwochmorgen der Luftraum über den Flughäfen von Hamburg und Berlin voraussichtlich gesperrt werden. Die Zeitung berief sich auf DWD-Sprecher Uwe Kirsche. Die Wahrscheinlichkeit, dass es dazu kommen werde, nannte Kirsche „sehr hoch“.
Der Meteorologe verwies auf aktuelle Berechnungen des Volcanic Ash Advisory Center (VAAC) in London. Eine Sperrung der betreffenden Flughäfen, insbesondere Hamburg, könnte den Flugverkehr in Deutschland heftig durcheinanderwirbeln, da dort auch zahlreiche Interkontinentalflüge ankommen sollen, die sich derzeit noch in der Luft befinden.
Piloten kritisieren Asche-Grenzwerte
Die Pilotenvereinigung Cockpit hat das Bundesverkehrsministerium wegen der Grenzwerte für Flugasche kritisiert. Solche Grenzwerte seien zwar sinnvoll, sagte Cockpit-Sprecher Jörg Handwerg den Zeitungen der WAZ-Mediengruppe. Das Problem sei aber, dass diese Grenzwerte nicht für ganz Europa gelten.
Außerdem kritisierte Handwerg das Zustandekommen der Grenzwerte: „Die jetzt geltenden Werte wurden nicht im Test ermittelt.“ Man habe „konservative Werte zugrunde gelegt, einen Sicherheitspuffer drauf gelegt und ein wenig gerechnet“. Auch ein Jahr nach dem Chaos auf den europäischen Flughäfen nach dem Ausbruch des Eyjafjallajökull seien keine „konkreten Tests“ zur Ermittlung der Gefahr von Vulkanasche für die Flugzeuge durchgeführt worden. „Die Werte könnten durchaus zu niedrig, aber auch zu hoch angesetzt sein“, sagte Handwerg.
Nach dem Vulkanausbruch 2010 hatte das Bundesverkehrsministerium Grenzwerte für die Flugasche-Konzentration festgelegt. Demnach führt eine Ansammlung von mehr als zwei Mikrogramm Asche pro Kubikmeter Luft zu einem generellen Flugverbot.
Europas Warn- und Reaktionssystem für Vulkanasche
Der Ausbruch des isländischen Vulkans Grimsvötn weckt Erinnerungen an das Chaos im Flugverkehr im vergangenen Jahr durch die Aschewolke des Eyjafjöll. Doch dieses Mal fühlt sich Europa besser vorbereitet.
Krisenzelle
Nach dem Ausbruch des Grimsvötn wurde in Brüssel umgehend eine Krisenzelle eingerichtet. Vertreten sind die europäische Flugsicherung Eurocontrol, die europäische Flugsicherheitsbehörde EASA, die EU-Kommission, die nationalen Regierungen, Fluglotsen-Dienste und die Luftfahrtbranche, also Fluggesellschaften und Flughäfen. In der Krisenzelle werden Informationen ausgetauscht und Maßnahmen koordiniert. Entscheidungen über Flugverbote fallen hier aber nicht, diese Kompetenz verbleibt bei den Staaten.
Drei-Zonen-Warnsystem
Das Warnsystem unterscheidet je nach Asche-Dichte in der Luft drei Zonen. Die blaugrüne Zone steht für eine Konzentration von 0,2 bis zwei Milligramm Vulkanasche in einem Kubikmeter Luft, die graue Zone für zwei bis vier Milligramm und die rote Zone für mehr als vier Milligramm. Berechnet werden die einzelnen Zonen vom Londoner Beratungszentrum für Vulkanasche (Volcanic Ash Advisory Center - VAAC).
Sicherheitsempfehlungen
Jeder der drei VAAC-Warnzonen entsprechen von der EASA verbreitete Empfehlungen. Diese führen zum Beispiel Flugzeugteile auf, die täglich auf Ascheablagerungen geprüft werden sollen, wenn eine Maschine blaugrüne Zonen durchquert. Vor dem Durchfliegen von grauer und roter Zone wird etwa empfohlen, dass die Airlines der Flugaufsicht Informationen zu den Triebwerken der jeweils eingesetzten Maschine vorlegen, um deren Widerstandskraft zu belegen. Ein automatisches Flugverbot bedeutet die Stufe rot also nicht.
Radar und Aufklärungsflugzeug
Für eine bessere Datenlage sind seit vergangenem Jahr nach EU-Angaben in Island neue Radarsysteme eingerichtet worden. Zudem habe das VAAC ein neues Flugzeug mit Instrumenten zur genaueren Erfassung der Asche-Konzentration angeschafft. Dies ist wichtig, um Aufklärung über Ort, Menge, Zusammensetzung und Bewegungsrichtung der Asche zu erhalten. Die EU-Kommission geht zur Zeit davon aus, dass die Asche des Grimsvötn auch deshalb ungefährlicher ist als die des Eyjafjöll, weil sie schwerer sei und daher schneller zu Boden sinke. (afp/dapd)