Graz. Seekrankheit, Erkältung oder ein Magen-Darm-Infekt können Reisenden eine Kreuzfahrt verderben. Ein Bordarzt erklärt, wie sie versorgt werden.
Wasser, so weit das Auge blicken kann, und das tagelang - darauf freuen sich die meisten Passagiere einer Kreuzfahrt. Aber was, wenn an Bord ein Unfall passiert? Wenn jemand wichtige Medikamente vergessen hat? Oder man sich schlicht und einfach einen Infekt zuzieht? In so einem Fall weiß Prof. Berthold Petutschnigg, was zu tun ist. Er berät die Kreuzfahrtreederei Tui Cruises in ärztlichen Fragen und wohnt selbst manchmal auf dem Schiff - als Bordarzt.
Mit welchen Krankheiten kommen Passagiere zu Ihnen?
Prof. Berthold Petutschnigg: Bordarzt zu sein, ist eine solide Hausarzttätigkeit. Die meisten Patienten kommen mit Atemwegsinfekten und Magen-Darm-Erkrankungen zu uns. Hinzu kommen allerdings lebensbedrohliche Notfälle wie zum Beispiel ein Herzinfarkt oder Schlagfall. Auch den muss man als Bordarzt behandeln können - und sich darauf einstellen, dass man den Patienten bis zu drei Tage lang selbst versorgen muss, weil es eben manchmal so lange dauert, bis ein Rettungsboot oder Helikopter den Patienten abholen kann.
Warum kommen Atemwegs- und Magen-Darm-Infekte besonders häufig vor?
Petutschnigg: Atemwegsinfekte werden durch die Klimaanlagen forciert. Das geht schon im Flugzeug los und auf dem Schiff weiter. Die trockene, kühle Luft trocknet die Atemwege aus - so haben Viren und Bakterien leichtes Spiel.
Warum ist die Klimaanlage denn dann auf Schiffen immer so eiskalt eingestellt?
Petutschnigg: Um Schimmelbildung zu vermeiden. Wenn Hunderte Passagiere vor sich hin schwitzen und dann noch feuchte, salzhaltige Seeluft in die Räume weht, bildet sich schnell Schimmel. Die Klimaanlage sorgt für ein trockenes, kühleres Klima.
Und warum schlägt eine Kreuzfahrt auf den Magen?
Petutschnigg: Meist haben die Leute schlichtweg zu viel gegessen. Das sind sie nicht gewöhnt, und dann rebelliert der Magen schon mal.
Manche haben Angst vor Magen-Darm-Viren, die sich schnell auf Schiffen verbreiten. Noro zum Beispiel. Kommt das oft vor?
Petutschnigg: Nein, Noro ist sehr selten. Vor infektiösen Magen-Darm-Erkrankungen können sich Passagiere außerdem schützen, indem sie auf Hygiene achten. Nach jedem Toilettengang muss man sich mit warmem Wasser die Hände waschen und anschließend das bereitgestellte Desinfektionsmittel mindestens eineinhalb Minuten lang einmassieren.
Werden Passagiere häufig seekrank?
Petutschnigg: Das kommt auf den Seegang an. Wer weiß, dass er empfindlich ist, sollte bei stärkerem Seegang gut essen und sich dann hinlegen und einen Punkt fixieren. Seekrankheit wird nämlich durch Schwindel ausgelöst. Wenn die Symptome allerdings erstmal richtig da sind, muss der Passagier auf die Krankenstation kommen und sich von uns mit einer Infusion behandeln lassen. Er bekommt dann Mittel, die erstens den Schwindel herabsetzen, zweitens die Magennerven beruhigen und drittens schläfrig machen. Im besten Fall verschläft er dann die Seekrankheit.
Muss man Tabletten gegen Seekrankheit, Aspirin und Co. dabeihaben, wenn man ein Schiff besteigt?
Petutschnigg: Eigentlich nicht. Die Schiffe der "Mein Schiff"-Flotte zum Beispiel verfügen über eine gut sortierte Apotheke, in der man alles bekommt. Da die Bordhospitäler aber nicht über eine Apothekenlizenz verfügen, können Medikamente nur nach einer kostenpflichtigen medizinischen Konsultation ausgegeben werden.
Und wenn man sich bei Ihnen an Bord behandeln lässt - zahlt das die Krankenkasse?
Petutschnigg: Nein, jedenfalls nicht direkt. An Bord gibt es eine private Krankenstation. Der Patient muss die Behandlung dort erstmal selbst bezahlen. Deswegen raten wir dringend, vorher eine Auslandskrankenversicherung abzuschließen. Diese erstattet dann in der Regel den kompletten Rechnungsbetrag.
Wo werden Passagiere versorgt, die ernsthaft krank sind, wenn gerade kein Hafen in der Nähe ist?
Petutschnigg: An Bord der Tui-Cruises-Schiffe befinden sich zwei Intensiveinheiten, die komplett ausgestattet sind. Dort können wir Bordärzte einen Patienten auch nach einem Herzinfarkt oder Schlaganfall versorgen. Natürlich versuchen wir gemeinsam mit dem Kapitän, den Patienten so schnell wie möglich in ein Krankenhaus an Land zu bringen. Aber mitten auf dem Atlantik geht das eben nicht. Auch auf solche Fälle sind wir vorbereitet. (dpa)