Hamburg. Fliegende Galoppwechsel und blitzschnelle 360-Grad-Drehungen machen das Westernreiten auf Turnieren zum Publikumsmagneten. Kaum jemand vermutet, dass sich der Reitstil der US-Cowboys als Sport für jedermann eignet.

Westernreiten verbinden die meisten mit rasanten Reitmanövern, coolen Cowboy-Outfits und einem Hauch Wild-West-Romantik. Dabei wird häufig vergessen, dass die Reitweise in erster Linie ein gehorsames Pferd und eine entspannte Gangart voraussetzt. Das wesentliche Merkmal des Westernreitens ist der sogenannte Impuls-Befehl - ein kurzes Signal, um dem Pferd ein Kommando zu erteilen - und der lockere Gleichgewichtssitz. Dabei setzen Reiter Rücken und Schenkel nur bei Bedarf ein.

Im Vergleich zur klassischen Reitkunst kommt das Westernreiten ohne viele Regeln aus: so wird es zum idealen Freizeitsport für Pferdefans jeden Alters, auch für Senioren.

Reiter ab 50 besitzen nötige Ruhe und Erfahrung

"Ein angehender Westernreiter muss nicht jung und supersportlich sein. Er muss lernen, das Pferd zu dirigieren, sonst setzt bei dem Tier der Fluchtinstinkt ein und es übernimmt die Führung", erklärt Uwe Lindner. Der 52-Jährige ist Westernreiter und -ausbilder sowie regionaler Vizepräsident der National Reining Horse Association Germany (NRHA). "Besonders die älteren Jahrgänge ab 50 besitzen die Ruhe und Erfahrung, die dafür notwendig sind. Außerdem haben viele von ihnen Rückenbeschwerden. Sie freuen sich über den komfortablen Westernsattel."

Um die Voraussetzung für das harmonische Miteinander von Pferd und Reiter zu schaffen, setzt Lindner auf ebenso einfache wie effektive Übungen: Beim Basistraining für Anfänger führt der Reitlehrer das Pferd an der Longe und übernimmt das Lenken und Bremsen des Tieres. Der Reitschüler sitzt im Sattel und lernt, ohne Zügel das Pferd in allen Gangarten - vom Schritt über Trab bis zum Galopp - mit dem Körper zu kontrollieren. "Der Vorteil dieses Unterrichts ist, dass, sobald der Reiter selbstständig lenkt, er bereits sicher im Sattel sitzt und ohne hektisches Rumgezerre eine feine Kommunikation über den Zügel ausüben kann."

Ausrüstung: Feste Schuhe und bequeme Jeans

So simpel der Einstieg in den Sport klingen mag: Westernreiten lernt man nicht in einer Woche - und Uwe Lindners Methode wie auch das populäre Natural Horsemanship des Amerikaners Pat Parelli sind nur zwei Methoden von vielen. "Es gibt bei der Ausbildung im Westernreiten ebenso strenge Regeln und Vorschriften wie im klassischen Reitstil", sagt Mike Stöhr, Geschäftsleiter der ersten Westernreiter Union Deutschland (EWU). Das Wichtigste sei, einen qualifizierten Trainer und Reitstall auszuwählen.

Interessierte können beispielsweise über die EWU Westernreittrainer in allen Bundesländern finden. Die Stundenpreise variieren je nach Region, Anlage und Bekanntheitsgrad des Trainers zwischen 15 und 50 Euro für 45 Minuten. Die Ausrüstung für Westernreiter ist minimal: festes Schuhwerk mit Absatz für den guten Halt im Steigbügel und eine bequeme Jeans, die möglichst viel Bewegungsfreiheit zulässt.

"Wichtig sind zu Beginn Einzelunterricht und nur wenige Tage Abstand zwischen den Reitstunden, um das frisch Gelernte zu verinnerlichen", erklärt Sabine Wohlrath, zertifizierte Trainerin durch den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB). "Auf die Basisausbildung kann der fortgeschrittene Reiter zurückgreifen und neu aufbauen, wenn das Training stagniert oder es Probleme gibt."

Die Pferde denken mit

Ein Westernreiter gilt als fortgeschritten, wenn er alle Reining-Manöver und Übungen von Schenkelweichen (Seitwärtsbewegung) bis Traversale (Vorwärts-Seitwärts-Bewegung) reiten kann. Das Training für Fortgeschrittene umfasst das Üben der Hilfen - per Stimme, Zügel, Schenkel oder Gewicht. Außerdem müssen Reiter ein Gefühl für die Bewegung des Pferdes bekommen, um im richtigen Moment eine Hilfe oder Korrektur geben zu können.

Doch trotz großen Könnens ist ein Reiter nichts ohne sein Pferd, denn die Tiere denken mit. "Bei turniererfahrenen Profipferden liegt der Trainingsschwerpunkt im mentalen Training", sagt Uwe Lindner. "Da diese Pferde alle Manöver kennen, müssen sie lernen, auf die Hilfe des Reiters zu warten und die Übungen nicht selbstständig auszuführen."

Für das temporeiche, wendige Westernreiten eignen sich die kleinen, kompakten und widerstandsfähigen Quarter Horses und Appaloosas perfekt. Dennoch sollten Pferdefreunde den Kauf eines eigenen Pferdes gut überlegen. Vor allem ein junges Pferd kostet in Anschaffung und Ausbildung jeweils zirka 5000 Euro.

Neben diesen Kosten fallen Ausgaben für die Ausrüstung an: Ein Westernsattel kostet ab 1800 Euro aufwärts plus Geld für Trensen und Zügel. So ist der neue Pferdebesitzer schnell bei insgesamt 12 000 Euro, Kosten für Stall, Futter, Versicherungen und Tierarzt noch nicht eingerechnet. Ausgebildete, ältere Pferde gibt es bereits ab 7000 Euro. Und mit Glück ist der passende Sattel im Preis inbegriffen. (dpa)