In den weichen Fels von Santorin gegrabene Wohnkammern sind nun beliebte Hotels aller Kategorien
Wie schön, dass die Höhle Fenster hat – und satt-blaue hölzerne Läden. Und dass sie nachts geschlossen sind. Weil kaum etwas schöner ist als sie jeden Morgen aufs Neue zu öffnen und sich immer wieder über diesen Blick zu freuen: Über blühende Geranien und weiß gekalkte Mäuerchen hinweg, am Sonnenschirm und Liegestuhl auf der eigenen kleinen Terrasse vorm Höhleneingang vorbei gleitet er hinaus aufs Mittelmeer mit den vorgelagerten Inseln. Über den Infinity Pool hinweg auf die spiegelglatte, dunkelblaue Ägäis, herab auf Kreuzfahrtschiffe und Segelyachten, die hier gut dreihundert Meter tiefer vor der Steilküste ihre Runden drehen.
Draußen scheint die Sonne, drinnen ist es herrlich kühl unter weiß gekalkten Bögen, in Kammern mit deutlich mehr als Stehhöhe, die zum Großteil bereits vor Jahrhunderten in den weichen Fels gegraben wurden. Sogar einen Kamin gibt es, dazu Dusche und Bad.
Kostis Psychas wohnt am liebsten in der Höhle. Weil er die schönsten davon hat – und sie vermietet. Warum der Mann aus begüterter Seefahrer- und Weinhändlerfamilie irgendwann Anfang der 1980er Jahre zusammen mit Vater Manos und Mutter Nadia begonnen hat, die einstigen Wohnhöhlen der einfachen Leute, die in den Fels gegrabenen Ställe und an den Hang gemauerten Weinkeller an der Steilküste Santorins zu restaurieren und zu einem Hotel auszubauen? Weil er sich vorstellte, wie es heute aussehen könnte.
Ihr Gesicht hat diese Insel vor über 3000 Jahren durch einen verheerenden Vulkanausbruch bekommen, bei dem die Inselmitte in die Luft flog und das nunmehr sichelförmiges Eiland hinterließ. Was einst der Krater war, lief voll Wasser. An dessen Rand klammern sich heute die Bilderbuch-Orte Oia, Imerovigli und Firostefani, die Hotels mit Aussicht. Etwa drei Dutzend davon gibt es – unterschiedlich gut gelegen und ausgestattet, unterschiedlich schön und verschieden teuer. Die Bandbreite reicht vom Luxusdomizil bis hin zur simplen Backpacker-Höhle.
In Kostis Psychas´ Höhlenhotel der ersten Stunde bei Oia gibt es keine Fernseher. Weil man die Fenster öffnen kann. Oder die Tür. Weil man jederzeit herausschauen kann – und weil dieser Blick in den gefluteten Ägäis-Krater jede Flimmerkiste ersetzt. Wie sich diese Urlaubsinsel dort in der Hochsaison anhört? Auf der Terrasse vorm Höhleneingang? Sie ist fast geräuschlos. Mal sind es Stimmfetzen vom Pool, mal ist es nur das Knattern des weißen Sonnenschirms im leichten Wind, mal sind es die leisen Glocken von Oia. Sonst nichts. Sie riecht nach Lavendel, Bougainvillea, Fuchsien und Geranien, nach den knallroten und violetten Farbtupfern in den Pflanzschalen im Kontrast zu den weißen Mauern des Resorts.
Wie sich der Urlaub in so einer Oase anfühlt? Wie ein Aufenthalt auf Wolke sieben, wenn irgendwer die Uhren angehalten hat. Warum hier hauptsächlich Paare buchen? Und warum der Pfarrer aus Oia Stammgast ist und immer wieder Trauungen unterm Olivenbaum neben dem Pool vollzieht? Einfach weil dieser Flecken Fels so unendlich romantisch ist.
Zu den Gästen zählen die Starbucks-Kaffee-Gründer aus Seattle, viele weitere US-Businessgrößen, und auch Angelina Jolie war mal da. Wer aber mit Learjet oder Privat-Boeing auf Santorin einschweben will, sollte nicht unangekündigt im Luftraum über der Insel auftauchen: Maximal drei Verkehrsflugzeuge gleichzeitig können auf dem kleinen Eiland-Airport Parkpositionen einnehmen. Aber als Alternative bleibt im Zweifel, auf einer Nachbarinsel herunterzugehen und mit dem Heli überzusetzen – kommt alles vor, ist Routine.
Auf Santorin sind die mit dem Geld und keine Paparazzi – viele Superreiche, die gar nicht erkannt werden wollen und Rolex oder die dicke Klunkerkette zuhause gelassen haben. Auf Mykonos, keine zwanzig Flugminuten entfernt, sind all die anderen: diejenigen, die weniger begütert, aber bekannter sind. Solche, die sehen und gesehen werden wollen. Die mit den Namen aus den Klatschzeitungen. Die meisten Reichen auf Santorin sind das Gegenteil davon.
Macht nichts, dass die Insel im Sommer überlaufen ist. Nicht schlimm, dass jeden Tag die Menschenmassen von mindestens drei riesigen Kreuzfahrtschiffen auf Landgang über die Insel touren. Macht alles nichts, wenn man in der Höhle wohnt und nichts von all dem sieht, kaum etwas davon hört – bei Kostis oder in einem der anderen Höhlenhotels aus der Bandbreite von High End bis Very Simple. Und macht am Allerwenigsten, wenn man dem Rummel zuvorkommt oder nachreist und die Hochsaison-Monate Juli/August schlicht ausspart.