Bad Nauheim/Freiburg (dapd). Jeder fünfte Erwachsene in Deutschland hört so schlecht, dass er ein Hörgerät braucht. Bei Menschen über 70 ist es sogar jeder zweite, wie Michael Deeg vom Deutschen Berufsverband der Hals-Nasen-Ohren-Ärzte berichtet. Lärm-Schwerhörigkeit sei mit circa 30 Prozent noch immer die häufigste Berufskrankheit, obwohl durch bessere Früherkennung und Vorsorge die Zahl der Betroffenen schon deutlich gesenkt worden sei: "Je schneller ein Hörschaden - welcher Art auch immer - festgestellt wird, desto besser ist die Chance, dass er noch korrigiert werden kann."

Wird Schwerhörigkeit nicht behandelt, erreichen auf Dauer immer weniger Schallreize das Zentralnervensystem, so dass dessen Strukturen verkümmern, wie Roland Zeh, Chefarzt an der Fachklinik für Hörstörungen, Tinnitus, Schwindel und Cochlea-Implantate in Bad Nauheim, ergänzt: "Die häufigste Form von Schwerhörigkeit ist nach wie vor die Altersschwerhörigkeit. Gerade bei älteren Menschen steigt aber auch die Gefahr einer demenziellen Entwicklung stark an, wenn sie nicht behandelt werden."

Fachleute unterscheiden zwei Grundtypen von Schwerhörigkeit. Am häufigsten sei das Innenohr betroffen. Dort sitzen rund 20.000 Sinneszellen. Sie werden auch Haarzellen genannt, weil sie an ihrer Oberfläche winzige Sinneshärchen tragen. Sie wandeln den Schall in elektrische Impulse um und leiten diese über den Hörnerv zum Gehirn weiter. Sind diese Haarzellen beschädigt, etwa aufgrund von Durchblutungsstörungen, einem Hörsturz oder einem Lärmschaden, können sie den Schall nur noch in einem verminderten Frequenzbereich weiterleiten. Betroffene hören dann zum Beispiel sehr hohe Töne gar nicht mehr. Wird die auslösende Ursache frühzeitig erkannt und gegebenenfalls ausgeschaltet - indem man zum Beispiel dem auslösenden Lärm aus dem Weg geht - kann sich das Innenohr aber wieder erholen. "Eine bleibende Innenohr-Schwerhörigkeit lässt sich zwar nicht operieren, aber mit Hörgeräten, in besonderen Fällen mit einer Innenohrprothese (Cochlea-Implantat), kann man viel erreichen", berichtet Deeg.

Im Gegensatz zur Innenohrschwerhörigkeit habe die Mittelohrschwerhörigkeit rein mechanische Ursachen, erläutert der HNO-Facharzt aus Freiburg. "Das Trommelfell und die Gehörknöchelchenkette im Mittelohr leiten den Schall überhaupt erst zum Innenohr. Funktioniert diese Übertragung nicht, tritt es gar nicht erst in Aktion." Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn sich durch einen Infekt im Mittelohr Sekret sammelt und die Schallübertragung behindert (Paukenerguss) oder wenn das Trommelfell wegen einer Verletzung nicht richtig schwingt. Es gibt auch Erkrankungen die dazu führen, dass sich die feinen Mittelohrgelenke versteifen und dann ebenfalls die Schallleitung blockieren. "Oft bringt hier eine Operation, bei der die Gehörknöchelchenkette zumindest in Teilen ersetzt wird, eine ganz wesentliche Verbesserung des Hörvermögens", sagt Deeg. Aber auch Hörgeräte schaffen Abhilfe.

Gehe die Hörminderung akut auf eine Infektion wie beispielsweise eine Mittelohrentzündung zurück, müsse vor allem diese bekämpft werden, gegebenenfalls mit Antibiotika. Immer wieder komme es aber auch vor, dass Ohrenschmalz oder ein Fremdkörper den Gehörgang verstopften. Dann sei eine Ohrspülung oder instrumentelle Entfernung das Mittel der Wahl.

Die Betroffenen bemerkten Beeinträchtigungen oft frühzeitig, beispielsweise daran, dass sie in Gesprächen häufig nachfragen müssten - vor allem, wenn es auch im Hintergrund laut ist. Man spricht auch von der sogenannten Partyschwerhörigkeit. Dann sollte eine Untersuchung beim Hals-Nasen-Ohrenarzt mit Hörprüfung Klarheit schaffen.

dapd