Essen. Wie sicher ist ein Jet bei Gewitter? Ist das große Zittern angesagt, wenn schlechtes Wetter herrscht? Flugexperte Jan Arwed Richter gibt Antworten.

Viele haben Angst, in ein Flugzeug zu steigen. Ist das begründet?

Jan Arwed Richter: Grundsätzlich nicht. Ich selbst bin durch meine Arbeit tagtäglich mit Flugunfällen konfrontiert und benutze dennoch das Flugzeug immer noch sehr gerne. Daher braucht kein Passagier Angst vor dem Fliegen zu haben. Allerdings muss man nach Regionen differenzieren. Nicht überall auf der Welt herrscht dasselbe Sicherheitsniveau wie in Europa. Doch jeder, der hierzulande ein Flugzeug besteigt, sollte davon ausgehen, dass er unbeschadet am Ziel ankommt.

Gibt es denn Airlines, die man besser meidet?

Richter: Ich werde mich hüten, vor einer Airline zu warnen. In unseren Breiten gibt es derzeit keine Fluglinie, die wirklich Sorgen macht. Das aktuelle Niveau der Sicherheitsüberwachung ist sehr effektiv. Es wird für „schwarze Schafe“ extrem schwierig, sich den flächendeckenden Kontrollen zu entziehen. Diese staatliche Überwachung führte zu einem deutlichen Plus an operativer Sicherheit, von der alle Fluggäste in Europa profitieren. Gleiches gilt für Nordamerika und viele Länder in Asien.

Woran erkennt man ein sicheres oder weniger sicheres Flugzeug?

Richter: Als Laie ist dies kaum möglich. Der äußere Eindruck oder die Bequemlichkeit der Sitze sagen über den technischen Zustand eines Flugzeugs herzlich wenig. Ein gut gewartetes, älteres Flugzeug ist in seiner Betriebssicherheit fast ebenso gut wie ein fabrikneues, dafür sorgt ein engmaschiges Netz an Wartungsintervallen, das jede Verkehrsmaschine in festgelegten Abständen über sich ergehen lassen muss. So wird alle sechs Jahre jede Maschine in ihre Einzelteile zerlegt und jedes Bauteil einer eingehenden Funktionsprüfung unterzogen, bevor man die Maschine wieder in den Himmel schickt.

Viele Fluggäste studieren oft Tage vor dem Abflug den Wetterbericht. Sollte man bei starkem Regen, Sturm oder Gewitter nicht fliegen?

Richter: Das System Luftfahrt, wie wir es täglich am Himmel von Europa erleben, ist darauf ausgelegt, mit den allermeisten Wetterlagen fertig zu werden. Ein moderner Passagierjet kann selbst bei extremem Regen, geringer Sicht oder starkem Wind noch sicher gelandet werden. Allerdings gibt es auch hier Grenzen, die nicht überschritten werden sollten. Diese Grenzen sind aber jedem Pilot bewusst, sodass im Falle eines Falles immer ein Ausweichflughafen angeflogen werden kann.

Schlechtwetter. Der Jet wackelt. Was kann denn da alles passieren?

Richter: Obwohl jedes Verkehrsflugzeug auch in Schlechtwetterzonen sicher fliegen kann, sind Piloten bemüht, einen Bogen um ein Gewitter zu machen. Dies geschieht aber auch, um Unannehmlichkeiten durch Turbulenzen von den Fluggästen fernzuhalten. Ein Unwetter erscheint nicht „plötzlich“, sondern wird lange vorher in die Flugberechnung einkalkuliert. Meist erfolgt dann vorher eine entsprechende Durchsage, sodass sich Passagiere darauf einstellen können. In Flughafennähe lassen sich solche Unwetterzonen nicht immer umfliegen, sodass es zu einem wackeligen Flug kommen kann. Hierfür sind Piloten aber bestens trainiert, um die Maschine sicher zu landen oder zu starten.

Machen Piloten einen Bogen ums schlechte Wetter? Oder: einfach durch?

Richter: „Augen zu und durch“ wäre die deutlich schlechtere Wahl. In Gewitterzellen gibt es extreme Windverhältnisse, die auch größere Maschinen in eine instabile Fluglage bringen können. Hinzu kommt noch die Gefahr von Blitzschlägen und Hagel, die nicht zu unterschätzen ist. Kein Pilot fliegt freiwillig durch so eine Zone, sondern sucht sich weiträumige Ausweichrouten.

Gibt es gefährliche Wetterkapriolen?

Richter: Tropische Stürme sorgen für die meisten Ausfälle im Zivilluftverkehr, weil durch ihre großflächige Ausdehnung ganze Länder und Regionen, beispielsweise die Karibik oder Südostasien betroffen sind.

Was raten Sie allen Menschen, die Angst haben zu fliegen?

Richter: Man sollte lernen zu vertrauen und sich klar machen, dass jeder Pilot eine Familie hat, zu der er gesund heimkehren möchte. Ein wenig Kenntnis über die Luftfahrt schadet nicht. Auch ein Blick in die Statistik ist hilfreich. Im Schnitt verunglückten in den letzten fünf Jahren pro Jahr 609 Menschen im weltweiten Luftverkehr. Allein in Bayern starben 2014 mehr Menschen im Straßenverkehr, nämlich 619. Man müsste also eher Angst auf bayerischen Straßen haben als in einem Flugzeug.