London. Forscher fanden heraus, dass nachts die Produktion eines Eiweißmoleküls gehemmt und die Aufnahmekapazität der Harnblase dadurch gesteigert wird. Die Folge: Wir müssen nachts seltener auf die Toilette als tagsüber. Auf Basis dieser Erkenntnisse sollen nun neue Medikamente entwickelt werden.

Japanische Forscher haben entdeckt, warum man nachts seltener auf die Toilette muss als tagsüber: Die innere Uhr sorgt dafür, dass die Aufnahmekapazität der Harnblase ansteigt. Dazu manipuliert sie sozusagen deren Füllstandsanzeiger: Sie bremst die Produktion eines Eiweißmoleküls, das normalerweise den Befehl zum Entleeren vermittelt, wenn sich eine bestimmte Menge Urin in der Blase angesammelt hat.

Der Zusammenhang zwischen innerer Uhr und Blasenkapazität könnte in Zukunft genutzt werden, um Menschen mit nächtlichem Harndrang oder Bettnässern zu helfen, schreiben die Wissenschaftler um Hiromitsu Negoro von der Kyoto University im Fachblatt "Nature Communications" (doi: 10.1038/ncomms1812).

Nagetieren geht es in Bezug auf den Harndrang ähnlich wie Menschen: Wenn sie schlafen, müssen sie seltener urinieren als während ihrer Wachphasen. Daher eignen sie sich gut als Modellorganismen für die Untersuchung von Zusammenhängen rund um die Miktion, wie Forscher das Urinieren nennen. Speziell bei Mäusen gibt es jedoch ein Problem: Ihre Harnblasen sind sehr klein, und entsprechend winzig sind auch die Urinmengen, die die Tiere absondern - häufig sind das weniger als ein Zehntel eines Milliliters.

Mäuse-Urin auf Filterpapier

Um trotzdem verfolgen zu können, wann die Mäuse wie viel Urin von sich geben, entwickelten die Forscher um Negoro eine ausgeklügelte Apparatur: Sie setzten die Mäuse in Käfige mit durchlöcherten Böden, unter denen wie ein Fließband eine Rolle Filterpapier hindurchlief. Anschließend wurde das Papier an einem Messsystem vorbeigeleitet, mit dem sich selbst winzige vom Papier aufgesogene Urinmengen aufspüren ließen.

Mit dieser Methode entdeckten die Forscher: Das Urinieren folgt bei den nachtaktiven Mäusen einem ganz klar erkennbaren Muster, das ihrem Tagesrhythmus entspricht - seltenes Wasserlassen am Tag, wenn die Tiere schlafen, und häufigeres in der Nacht. Dieses Muster bleibt auch dann bestehen, wenn die Mäuse Tag und Nacht in Dunkelheit gehalten werden. Es wird demnach von einem inneren Taktgeber kontrolliert und nicht von der Lichtintensität oder anderen äußeren Faktoren, schlussfolgern die Wissenschaftler.

Gute Basis für neuartige Medikamente

Dieser Taktgeber ist offenbar die innere Uhr, zeigten weitere Tests. Wurden die Tiere gentechnisch so verändert, dass der oberste Zeitgeber dieser körpereigenen Uhr bei ihnen nicht arbeitete, verschwand der Rhythmus beim Urinieren. Entscheidend dafür war ein Protein namens Connexin43 beziehungsweise dessen Fehlen. Ist es vorhanden, sorgt es dafür, dass durch die Dehnung der vollen Blase Nervensignale an die Muskelzellen weitergeleitet werden. Diese geben dann den Befehl zum Zusammenziehen und damit zur Entleerung der Blase.

In den Ruhezeiten - bei den Mäusen tagsüber und beim Menschen nachts - wird die Produktion von Connexin43 jedoch gedrosselt. Damit nimmt gleichzeitig auch die Empfindlichkeit der Blase gegenüber der Dehnung ab. Natürlich sei die Verbindung zwischen Connexin und innerer Uhr nicht der einzige Faktor, der den Harndrang steuert, räumen die Forscher ein.

Alarmsystem im Gehirn

Weitere Rollen spielen beispielsweise die Urinmenge, die von den Nieren produziert wird, und ein Alarmsystem im Gehirn, das einen Schläfer rechtzeitig weckt, wenn sich die Blase füllt. Sie halten ihre Entdeckung jedoch für eine gute Basis, um neuartige Medikamente entwickeln zu können.

Diese sollen nicht nur Menschen mit überaktiver Blase helfen, die nachts immer wieder auf die Toilette müssen und deswegen nicht ausreichend Schlaf bekommen. Auch Kinder, die ihren Urinfluss nicht kontrollieren können und ins Bett machen, oder Erwachsene mit bestimmten Formen der Inkontinenz könnten davon profitieren. (dapd)