Duisburg/Essen. Urlaubszeit ist auch Thrombosezeit. Warum die Blutpfropfen in den Beinvenen so gefährlich werden können und wie sich das Risiko verringern lässt.
Die Vorfreude auf den Urlaub wird bei vielen Menschen getrübt durch die Furcht vor langen Flügen und ihren möglichen Folgen: Vor allem geschwollene Beine, die auf die sogenannte „Reisethrombose“ hindeuten, möchte jeder vermeiden. Experten erklären, wie eine solche Thrombose entsteht und was man tun kann, um sie zu verhindern.
Weshalb bergen Langstreckenflüge das Risiko einer Thrombose?
Normalerweise massieren unsere Wadenmuskeln die Venen, wenn wir gehen. Dadurch wird das Blut gut aus den Beinen zurück zum Herzen transportiert. Sitzen wir jedoch lange ruhig und mit angewinkelten Beinen in einem Flugzeug oder Auto, dann bleibt diese Bewegung aus. Die Folge: Das Blut wird dicker. Es fließt langsamer, wodurch sich die Venen weiten.
Schlimmstenfalls gerinnt und verklumpt es und kann dadurch die Vene verschließen. Das Bein schwillt an, es schmerzt – eine Thrombose entsteht. „Diese Entwicklung wird noch durch die trockene Luft befördert, die in einer Flugzeugkabine herrscht“, erklärt Dr. Georg Kraus, Facharzt für Chirurgie, Gefäßchirurgie und Phlebologie (Venenheilkunde) in Duisburg. Denn in dieser Atmosphäre wird dem Körper Wasser entzogen, was das Blut zusätzlich zähflüssiger macht.
Warum ist das so riskant?
Fluggesellschaften wie die Lufthansa weisen darauf hin, dass in seltenen Fällen ein Teil des Gerinnsels in der Vene abreißen und durch den Blutstrom bis hin zur Lunge transportiert werden kann. Wenn es dort ein Blutgefäß verschließt, droht Gefahr: Das Herz pumpt möglicherweise nicht mehr richtig – man spricht von einer Lungenembolie, die sogar zu einem plötzlichen Herzversagen führen kann.
Wer ist besonders gefährdet?
„Vor allem ältere Menschen mit einer Venenschwäche und Krampfadern müssen aufpassen“, sagt Gefäßexperte Kraus. Ein Risiko trägt aber auch, wer einen erblichen Gerinnungsdefekt hat oder schon einmal eine Thrombose erlitt. Der Berufsverband Deutscher Internisten warnt außerdem Herzkranke, frisch operierte Patienten, Schwangere, Raucher und Frauen, die zur Verhütung die Pille nehmen, vor einer möglichen Thrombose.
Wie kann man vorbeugen?
Trägt man ein besonderes Risiko für eine Thrombose, sollte der betreuende Arzt um Rat gefragt werden, bevor man sich über mehrere Stunden ins Flugzeug setzt. Bewegung ist laut den Experten besonders wichtig. Natürlich kann man einen Economy-Class-Platz nicht in ein Fitness-Studio verwandeln, „aber man kann sich auch im Sitzen auf die Zehenspitzen stellen, mit den Füßen wippen, als würde man im Auto bremsen oder Gas geben“, sagt Georg Kraus.
„Außerdem ist es möglich, die Waden anzuspannen oder vorsichtig die Beine massieren.“ Manche Fluggesellschaften zeigen in ihrem Videoprogramm eine Anleitung zur Bordgymnastik (Flyrobic). Gefäßspezialist Kraus rät seinen Patienten zudem, so oft wie möglich aufzustehen und durch den Gang zu laufen, um die Muskelpumpe anzuregen. Wer regelmäßig Wasser oder Tee trinkt, sorgt dafür, dass das Blut dünn bleibt. Alkohol hingegen erweitert die Gefäße und erhöht das Thromboserisiko.
Was sollten Menschen tun, die ein höheres Thromboserisiko haben?
Sie können das Medikament Heparin spritzen, damit das Blut nicht gerinnt. „Das kann man vor einem Flug, der länger als viereinhalb Stunden dauert, selbst tun“, erklärt Gefäßspezialist Kraus. Er verschreibt solche Spritzen zur Vorbeugung auf Privatrezept, da sie von den Krankenkassen nicht bezahlt werden. „Sie kosten aber nicht mehr als der Begrüßungscocktail im Hotel, also rund 20 Euro.“ Kompressionsstrümpfe, die besonders engmaschig gewirkt sind, unterstützen den Bluttransport im Bein zusätzlich. Kraus: „Es reichen Kniestrümpfe, die man sich passend anmessen lässt. Sie müssen nicht extra angefertigt werden.“
Was tun, wenn das Bein im Flugzeug anschwillt?
„Auf jeden Fall die Stewardess ansprechen“, rät Dr. Georg Kraus. „Sie kann nachfragen, ob sich an Bord ein Mediziner befindet.“ Nach der Landung sollte man sich in ärztliche Behandlung begeben. Der Berufsverband Deutscher Internisten gibt unter www.internisten-im-netz.de weitere Hinweise. (Unterpunkte: Reisemedizin & Impfungen, Tipps für Flugreisen). Unter „Venöse Thrombose“(Krankheiten A-Z) gibt es vertiefende Informationen zu diesem Thema
Wie wird eine Thrombose behandelt?
Wenn das Bein geschwollen ist und schmerzt, kann auch der erfahrene Hausarzt mittels Ultraschalluntersuchung und einer Blutuntersuchung feststellen, ob eine Thrombose dahinter steckt. „Besteht dieser Verdacht, sollte ein Gefäßspezialist das Bein anschauen. Denn es gilt zu verhindern, dass die Thrombose wächst oder sich im schlimmsten Fall eine Lungenembolie entwickelt“, sagt Dr. Michael Offermann, Gründer der Praxisklinik „Gefäßkrankheiten Rhein-Ruhr“ in Essen, Mülheim an der Ruhr und Bochum. Mithilfe von Medikamenten – Blutverdünner wie Marcumar, Gerinnungshemmer wie Heparin – kann die Thrombose zwar nicht aufgelöst werden, sie schützten aber recht zuverlässig vor den Komplikationen und seien neben Kompressionsstrümpfen unverzichtbarer Teil der Therapie.
„Den Rest muss der Körper machen“, sagt Michael Offermann, der den Erfolg einer Thrombose-Therapie fortlaufend kontrolliert. Erst nach einer Stabilisierung des Zustandes ist eine Untersuchung letztlich im halbjährlichen Rhythmus fällig, denn, so Offermann: „Nach einer ausgewachsenen Thrombose bleibt man in der Regel Patient.“ Es gelte, Spätschäden nach schweren Thrombosen zu verhindern.