Essen. Unsere Serie „Gesund von A bis Z“ gibt in loser Folge in 26 Artikeln quer durch das Alphabet Tipps zur Gesundheit. Heute: Etwa 250.000 Menschen erleiden allein in Deutschland jährlich erstmalig einen Schlaganfall. Nur jeder Dritte Betroffene erholt sich vollständig.
Es passiert blitzschnell. Die Knie werden weich. Der Körper sackt zusammen. Von einer auf die andere Sekunde trifft einen der Schlag. Ein Schlag, nach dem plötzlich nichts mehr so ist, wie zuvor. Etwa 250.000 Menschen erleiden allein in Deutschland jährlich erstmalig einen Schlaganfall. Halt macht er vor keinem Alter: Unter den Neuerkrankten sind immer wieder auch Jugendliche bis hin zu Kindern.
„Mein jüngster Schlaganfallpatient war sechs Wochen alt“, sagt Professor Mario Siebler, Chefarzt der Neurologischen Rehabilitationsklinik MediClin Fachklinik Rhein/Ruhr in Essen. „Bei dem Säugling führte ein Geburtstrauma zu einem Schlagfall.“ Ein Schlaganfall bezeichnet eine akute Durchblutungsstörung im Gehirn. Sie tritt zu 80 Prozent aller Fälle auf, wenn ein Gefäß im Gehirnareal verstopft ist und kein Blut mehr dorthin fließt. In den anderen Fällen reißt ein Gefäß ein oder platzt. Es kommt zu einer Hirnblutung.
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Zu den häufigsten Ursachen eines Schlaganfalls zählt Bluthochdruck, der eine vorzeitige Alterung der Gefäße mit sich bringen kann. „Der ideale Blutdruck ist unabhängig vom Alter“, sagt Prof. Siebler. Als Faustregel gilt: ein oberer Wert von höchstens 140, ein unterer von höchstens 90. „Wenn die Gefäße älter werden, kann es sein, dass der obere Wert steigt, dann sollte der untere aber zugleich sinken.“ Etwa 30 Prozent der Patienten erleiden einen Schlaganfall infolge einer Herzrhythmusstörung. Daneben stellt die Arteriosklerose einen Risikofaktor dar.
Verkalkung der Arterien
„Das ist eine Verkalkung der Arterien, sprich der Schlagadern, die das Hirn versorgen, durch Ablagerungen.“ Solche Rückstände können durch Rauchen, Diabetes oder einen ungesunden Fettstoffwechsel mit der Folge von überhöhten Blutfettwerten entstehen. „Eine ungesunde Lebensweise kann den Wert des schlechten LDL-Cholesterins, das eine Gefäßvariation beschleunigt, erhöhen“, erklärt Prof. Siebler. Wobei Cholesterin allein nicht krank mache. „Wer keine Erkrankungen aufweist, den muss ein hoher Cholesterinwert nicht beunruhigen. Wenn jemand hingegen an einer Arteriosklerose leidet, Bluthochdruck oder Alltagsablagerungen vorliegen, dann ist es sinnvoll, das Cholesterin zu senken.“ Auch Schorf oder eine Embolie können Adern verstopfen. „Bei einer Embolie wird mit dem Blutstrom ein Blutgerinnsel in das Gefäß geschwemmt. Anders wie bei einer Thrombose, wo ein Blutgerinnsel direkt im Hirn entsteht und schlagartig eine Unterversorgung des Gehirns auslöst.“
Schlaganfall ist die dritthäufigste Todesursache in Deutschland
Nach Angaben der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe sterben etwa 20 Prozent der Patienten innerhalb von einem Monat an den Folgen eines Schlaganfalls, circa 37 Prozent binnen eines Jahres. Der Schlaganfall ist die dritthäufigste Todesursache hierzulande – nach Herzinfarkt und Krebs. Zu seinen Symptomen zählen Sprach-, Sprech- und Sehstörungen, Lese- und Rechenschwächen, Schwindel sowie streng halbseitige Lähmungen von den Mundwinkeln bis hin zum ganzen Körper. Ist ein Symptom zu erkennen, sollte nicht der Hausarzt, sondern unverzüglich der Notarzt gerufen werden. „Die Zeit spielt eine entscheidende Rolle bei einem Schlaganfall. Es zählt jede Minute. Wenn nicht sehr schnell wieder eine Durchblutung sichergestellt ist, sterben Gehirnzellen.“
Nur ein Drittel erholt sich vollständig
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Ein Drittel der Patienten erholt sich vollständig von einem Schlaganfall. „Ein weiteres Drittel weist Symptome auf, mit denen es im Alltag aber gut umgehen kann. Manche können vielleicht nicht mehr so schnell laufen, wie vor dem Hirninfarkt, oder die Handschrift ist nicht mehr so schön“, sagt Prof. Siebler. 30 Prozent der Patienten behalten nach einem Schlaganfall hingegen schwere Symptome wie eine Behinderung zurück. Sie können nicht mehr gehen oder nicht mehr sprechen und sind gezwungen ihren Beruf aufzugeben. Ein Schlag im Kopf. Ein Leben auf dem Kopf. „40 Prozent der Patienten entwickeln in den ersten sechs Monaten Depressionen, andere kämpfen zunächst gegen die zurückgebliebenen Symptome an, stellen nach ein paar Monaten aber fest, wie sehr sie eingeschränkt sind und dass sie mit den Folgen leben und sich auseinandersetzen müssen.“
„Ab dem 50. Lebensjahr verdoppelt sich das Schlaganfall-Risiko in jedem weiteren Jahrzehnt.“
Bei fast jedem Schritt sind sie plötzlich auf Hilfe angewiesen, können im Extremfall nicht alleine aufstehen, nicht einmal alleine essen. In vielen Patienten wächst der Glaube, sie seien Ballast für die Angehörigen, ein reiner Störfaktor. Hinzu kommt die Angst in den Köpfen der Patienten, dass der Schlag sie wieder treffen könnte. „Gleichzeitig ist die Situation auch für die Angehörigen eine extreme Belastung. Der Partner hat das Gesicht geändert. Er ist nicht mehr der spritzige Gesprächspartner, mit dem man auf Weltreise gehen kann.
Schlaganfall
Er ist sesshaft.“ Prof. Siebler rät vor allem eins: nicht aufzugeben, sondern in sein Leben zu investieren. Mut. Hoffnung. Lebenswille. „Der Patient sollte sich sagen: Ich habe ein Leben.“ Eine Chance. „Durch die heutigen Möglichkeiten sind bereits Verbesserungen eingetreten, die viele Patienten nie für möglich gehalten hätten.“ Prof. Siebler empfiehlt, bereits am ersten Tag mit einer Rehabilitation anzufangen. „Eine Reha bietet die Chance, funktionelle Störungen zu reduzieren und damit zu verbessern. Ich rate, möglichst frühzeitig damit zu beginnen.“ Der Mediziner kennt Patienten, die nach ein bis zwei Jahren wieder im Beruf stehen oder Auto fahren können. „Selbst nach Jahren können noch Verbesserungen auftreten, wenn sich der Patient anstrengt.“
Zur Vorbeugung hilft Bewegung
Veränderungen der Anlagen wie ein Hirnfehler können auch in der Kindheit zu einem Schlaganfall führen. „Bei Jugendlichen ist der Auslöser häufiger, dass beispielsweise beim Sport Gefäße verletzt werden“, sagt Prof. Siebler. Die 20- bis 40-Jährigen sind durch den hinzukommenden Stressfaktor gefährdet, der Gerinnungsstörungen hervorrufen kann. Auffällig ist: „Männer sind im jungen Alter höher belastet als Frauen. Wobei Frauen durch die Einname der Pille ein höheres Risiko aufweisen.“ Ab 40 Jahren kreisen die Gedanken oft um die eigene Familie, die Finanzierung eines Hausbaus oder das berufliche Vorankommen. „Der Blutdruck senkt sich nachts möglicherweise nicht mehr, weil der Betroffene nicht schlafen kann. Ab 60 Jahren wächst das Risiko, weil die Gefäßelastizität abnimmt“, sagt Prof. Siebler. Der Regionalleiter der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe hält als Faustregel fest: „Ab dem 50. Lebensjahr verdoppelt sich das Schlaganfall-Risiko in jedem weiteren Jahrzehnt.“
Zur Vorbeugung gegen einen Schlaganfall hilft ein bewegter Alltag. „Bewegung schützt und nützt“, sagt Prof. Siebler. „Wer sich regelmäßig bewegt, ist weniger fettleibig. Auf dem Körper liegt weniger Belastung, das Risiko von Bluthochdruck und Übergewicht sinkt und selbst bei einer Zuckerkrankheit kann eine ausreichende Bewegung dazu führen, dass die Erkrankten keine Zuckertabletten mehr einnehmen müssen.“ Doch wie viel Bewegung sollte in den Alltag kommen? „Das muss individuell festgelegt werden. Wichtig ist, dass die Herzfrequenz auf 100 bis 120 hoch getrieben wird. Ältere Menschen sollten etwa dreimal die Woche einen Spaziergang von 30 Minuten unternehmen. Für jüngere Patienten ist das keine Belastung, für sie ist es ratsamer, zu joggen oder mit dem Rad zu fahren“, sagt Prof. Siebler. „Jede Treppenstufe schützt eine Sekunde Leben vor dem Schlaganfall.“