Berlin. Kein Zug, kein Auto, kein Flieger, kein Rad - auch nicht die eigenen Füße waren Günter Wamsers Fortbewegungsmittel auf seinem Trip von der Süd- zur Nordspitze Amerikas. Er ist die Strecke geritten. Es war die Reise seines Lebens. Ein Bildband dazu erscheint Ende November.
Die Reise begann als Abenteuer und wurde zum Lebensstil: Günter Wamser ritt von Feuerland in Argentinien - dem südlichsten Zipfel Amerikas - bis nach Alaska an der Nordspitze des Kontinents. Vier Jahre hatte er für die 30.000 Kilometer lange Strecke ursprünglich angesetzt. 20 Jahre brauchte er letztlich dafür. Auf Teilen des Weges begleitete ihn seine Lebensgefährtin. Im September 2013 kam er ans Ziel. Für ein Interview ist der 54-Jährige bei Freunden in Kanada zu erreichen. Dort bereitet er sich auf die Weiterreise vor. Unterwegssein ist sein Lebensstil - ob schon wieder oder immer noch, spielt längst keine Rolle mehr.
Was ist das Besondere an einer Reise mit Pferd?
Günter Wamser: Im Gegensatz zum Motorrad oder Fahrrad sind Pferde keine Transportmittel. Sie sind über die ganzen Jahre unsere Weggefährten und Freunde gewesen. Man hat die Verantwortung für die Tiere. Sie ermöglichten uns auch, in Gebiete vorzudringen, wo man mit Fahrzeugen nicht hinkommt. Und die Pferde haben mir die Türen zu den Einheimischen geöffnet. Weil ich Verantwortung für sie hatte. Damit sie jeden Abend Futter und Wasser haben, musste ich die Leute ansprechen in Lateinamerika, ob sie mir helfen, ob ich bei ihnen Futter kaufen kann.
Wie viele Pferde braucht man denn für so einen Ritt?
Wamser: Ich persönlich habe mit zwei Pferden in Argentinien angefangen. Ab Ecuador kam meine Begleiterin dazu, dann haben wir noch zwei Pferde für sie gekauft. An der mexikanischen Grenze haben wir dann erst mal aufgehört, weil meine Pferde nicht in die USA einreisen durften.
Warum das?
Wamser: Die Pferde waren in Mittelamerika krank geworden und das konnte man noch ein paar Jahre später wegen der Antikörper nachweisen. Sie waren zwar wieder gesund, konnten keine anderen Tiere mehr anstecken, aber man konnte es eben nachweisen. Und dadurch durften sie nicht einreisen. So entschied ich mich dann in den USA für Mustangs. Das waren ehemals wilde Pferde, die wurden eingefangen. Ich und meine neue Lebensgefährtin haben dann zusammen vier Pferde adoptiert, und mit denen sind wir bis Alaska geritten. Also noch mal sieben Jahre.
Klingt, als sei das ein harter Schlag gewesen.
Wamser: Ich war enttäuscht darüber, dass ich nicht einreisen konnte in die USA. Und dann habe ich sogar überlegt aufzuhören. Ich hatte die Motivation nicht mehr. Es war ja auch mein Ziel gewesen, die Tour mit denselben Pferden zu machen. Ich wollte sie nicht verheizen oder so, sondern die Einstellung war: Wir schaffen das alle zusammen.
Aber Sie haben es durchgezogen.
Wamser: Nein! Da die Pferde nicht mitdurften, bin ich sogar zunächst zurück nach Deutschland, habe mein erstes Buch geschrieben. Aber dabei habe ich gemerkt: Man, das ist ja mein Leben, diese Reise! Und so habe ich dann beschlossen, sie fortzusetzen.
Warum wurden denn zwanzig Jahre daraus?
Wamser: Ein Pferd wurde in Costa Rica krank, das hat ein Jahr gedauert. Am Huf! Da hätte wohl keiner, der was von Pferden versteht, gedacht, dass das Pferd einmal wieder läuft. Aber wir sind nach einem Jahr tatsächlich wieder aufgebrochen. Oder an den Grenzen: Am leichtesten wäre es gewesen, wenn ich meine Pferde verschenkt hätte, zu Fuß über die Grenze gegangen wäre und mir im neuen Land neue Pferde besorgt hätte. Dann wäre das billiger und schneller gewesen, aber ich wollte meine mitnehmen. So habe ich manchmal Monate an den Grenzen gesessen, bis ich die Bürokratie und Korruption überstanden hatte. Aber das Schöne am Reisen sind eben auch die Pausen.
Wie haben Sie das alles finanziert?
Wamser: Ich habe damals gedacht, ich fange einfach mal an, und dann wird sich alles andere unterwegs ergeben. Man braucht natürlich Geld, aber das ist nur ein Problem von hundert oder tausend anderen. Über die Jahre hat es sich so entwickelt, dass ich jetzt Vorträge halte, ich habe ein paar Bücher geschrieben, und damit komme ich durch. Ich habe keine Sponsoren. Aber das ist ja auch mein Traum, und da kann ich nicht erwarten, dass mir den jemand anderes finanziert.
Wie geht es jetzt bei Ihnen weiter?
Wamser: Diese Art von Unterwegssein, das ist mein Leben. Das hat als Reise begonnen und ist dann irgendwie meine Art zu leben geworden, mein Lebensstil. Jetzt gerade bin ich in Kanada. Ich möchte noch einige Jahre mit den Pferden in Nordamerika unterwegs sein, einfach noch ein paar Rosinchen rauspicken, jetzt schöne Gebiete bereisen.
Wo war es eigentlich am schönsten?
Wamser: In Lateinamerika war das Besondere an der Reise die Begegnung mit den Menschen. In Nordamerika wurde die Reise immer mehr zur Expedition. Da oben waren wir dann manchmal drei vier Monate unterwegs, ohne einen Menschen zu treffen. Ich kann nicht wirklich sagen, was schöner war.
Was ist für Sie die Essenz der Reise, was haben Sie gelernt?
Wamser: Ich habe keine Angst, da rauszugehen, weil ich weiß: Wenn irgendein Problem auftaucht, finden wir eine Lösung. Ich habe die Einstellung: Ich habe jeden Tag Wasser und Futter für meine Pferde gefunden, also finde ich es auch heute. Und dann gibt es auch noch diese Magie des Weges: Immer dann, wenn man jemanden braucht, findet man ihn auch. Wenn du auf deinem Weg bist, musst du dir keine Sorgen machen. Eine Lösung findet sich ganz von selbst. (dpa)