Essen.. Krebs ganzheitlich behandeln: Die Kliniken Essen-Mitte (KEM) zeigen, wie sich Schulmedizin und alternative Medizin effektiv ergänzen können.
Krebs ganzheitlich behandeln – dieses Motto können sich nicht viele Kliniken auf die Fahnen schreiben. Die Kliniken Essen-Mitte (KEM) verfügen jedoch mit der Naturheilklinik Knappschaftskrankenhaus Essen-Steele über ein Alleinstellungsmerkmal. Die Chefs der KEM-Abteilungen stellen ihre Therapien vor: Prof. Andreas du Bois (Klinik für Gynäkologie/Eierstockkrebs), Dr. Sherko Kümmel (Brustzentrum Hyssenstift). Die Naturheilkunde (Prof. Gustav Dobos) ist ihr verbindendes Element.
Naturheilkunde bei Krebs
Ob zur Therapie von Eierstockkrebs oder Brustkrebs – das Spektrum der Naturheilkunde wird in beiden Fällen hinzugenommen. Wichtig: Die Naturheilkunde könne die Nebenwirkungen der onkologischen Therapie lindern – nicht etwa die Behandlung des Krebs selbst. Durch die reduzierten Nebenwirkungen wie Übelkeit oder Muskelschmerzen seien die Patientinnen in der Lage, die nötige schulmedizinische Therapie zu Ende zu führen statt sie voller Verzweiflung abbrechen zu müssen. Das Angebot reicht von Akupunktur gegen Schmerzen, Übelkeit, Unruhe oder Angst, über Phytopharmaka (z.B. Ringelblumensalbe gegen Hautirritation nach Bestrahlung) bis zu Massagen und Lymphdrainagen zur Entgiftung.
„Studien konnten zeigen, dass Yoga und Achtsamkeitsübungen Depressivität und Angst bei Frauen mit Krebs lindern können. Auch für Yoga gibt es gute Studien, die belegen, dass Yoga helfen kann, chronische Erschöpfung sowie Wechseljahresbeschwerden zu lindern“, so Prof. Dobos. Letztere treten bei Frauen mit Krebs als Therapiefolge häufig verfrüht auf. „Sehr viele Belege gibt es auch im Bereich Akupunktur, die nachgewiesen Nebenwirkungen der Krebstherapie lindern kann, insbesondere Schmerzen nach der Operation oder Übelkeit und Erbrechen durch die Chemotherapie“, so Dobos.
In der Integrativen Medizin, die Naturheilkunde und Schulmedizin zusammenführt, müssen alle Therapien wissenschaftlich überprüft sein, zumindest auf ihre Ungefährlichkeit. In den USA, so Dobos, wird die Integrative Medizin an allen großen Kliniken praktiziert. Die Forschung wird mit 170 Millionen Dollar staatlich gefördert. „In Deutschland ist Forschung leider nur durch Stiftungen möglich.“
Schulmedizin gegen aggressiven Eierstockkrebs
Eierstockkrebs kommt zwar nicht so häufig vor, doch seine Aggressivität macht den Menschen Angst. In Deutschland treten jährlich etwa 14 bis 16 neue Erkrankungsfälle pro 100 000 Frauen auf, so Prof. Andreas du Bois, Leiter der Gynäkologie. Von allen gynäkologischen Tumoren ist der Eierstockkrebs nach wie vor derjenige mit der höchsten Sterberate.
Die Frage, ob eine Heilung gelingt, hänge von der Qualität der Behandlung und von der Tumorbiologie ab. Das Problem: Leider treten im Frühstadium des Eierstockkrebses selten Symptome auf, daher wird er auch häufig erst relativ spät entdeckt. Bei der Behandlung stehe am Anfang „die Operation mit dem Ziel der kompletten Entfernung aller Tumoranteile“, so der Chefarzt. „Neben der Operation werden medikamentöse Therapien wie Chemotherapien, aber auch Antikörpertherapien, also Infusionen von Immuneiweißkörpern oder andere zielgerichtete tumorbiologische Medikamente gegeben.“
Gerade bei diesen zielgerichteten Medikamenten seien große Fortschritte erzielt worden. „Eine ganze Reihe von diesen Substanzen – wie die so genannten PARP Inhibitoren – wurden jüngst zugelassen. Diese Therapien erlauben es uns erstmals, ganz gezielt und auf die Patientin und ihren Tumor abgestimmte Therapieregime einzusetzen“. In frühen Stadien und bei nicht ganz so aggressiven Formen der Eierstocktumore könnte mittlerweile der Großteil der Patientinnen geheilt werden. „Aber bei den aggressiven Formen in weit fortgeschrittenen Stadien gelingt dies leider bei zu vielen noch nicht.“ Heute könnten Unterformen diagnostiziert werden, „bei denen die Erkrankung mittels spezifischer Medikamente viele Jahre unter Kontrolle gehalten werden kann“, auch wenn sie wiedergekommen ist und nicht mehr ganz geheilt werden kann. „Bei Risikofamilien können wir durch Genuntersuchungen feststellen, ob sie ein hohes Risiko tragen, um dann das neue Auftreten zu verhindern“.
Personalisierte Medizin – Erfolgsbaustein gegen Brustkrebs
Personalisierte Medizin – so heißt ein Erfolgsbaustein in der Brustkrebstherapie, so Chefarzt Dr. Sherko Kümmel. „Durch neue molekulargenetische Tests können wir herausfinden, wer eine Chemotherapie wirklich benötigt. Die bei den Patientinnen oft ungeliebten Chemotherapien können deutlich reduziert werden.“ Eine weitere Größe in der Therapie sind Medikamente, die direkt gegen Tumorzellen gerichtet sind.
Jedes Jahr kommen neue auf den Markt. „So erreichen wir Überlebensraten von etwa 90 Prozent. Ein hervorragendes Ergebnis.“ Zu den vielversprechenden neuen Therapien zählen auch „monoklonale Antikörper“, sie nehmen den Tumor genau ins Visier: „Sie richten sich gezielt gegen bestimmte Rezeptoren, die auf der Zelloberfläche von Tumorzellen zu finden sind. Ein Beispiel ist der monoklonale Antikörper Herceptin, einer der größten Erfolge in den letzten Jahren in der Brustkrebsbehandlung“.
Therapien nur in ausgewiesenen Brustzentren
Die Therapien finden in ausgewiesenen Brustzentren statt. Sie verfügen über reichlich Erfahrung. Noch ein Vorteil komme hinzu: „Spezialisierte Brustzentren können bereits neue Medikamente weit vor deren allgemeiner Zulassung im Rahmen von Studien für die Patientinnen anwenden“, so Kümmel. Patientinnen könnten sich gezielt auch im Internet klinische Studien heraussuchen und sich in den Kliniken, die diese neuen Medikamente im Rahmen von klinischen Studien anbieten, vorstellen. „Auch hat man immer die Möglichkeit, sich durch eine Zweitmeinung für diese Erkrankung in einem spezialisiertem Zentrum Rat zu holen. Es gibt keinen Brusttumor, der so schnell wächst, dass man sich diese Zeit nicht nehmen kann“, sagt der Arzt.