Essen. Die Mecklenburgische Seenplatte lässt sich am und auf dem Wasser bereisen. Besonders per Hausboot kann man neue Häfen und alte Städte erkunden.

Das „Kleine Meer“ hat seinen Namen verdient: Grüne Inseln dümpeln im tiefblauen Wasser, Mini-Wellen plätschern an den Strand, in den Häfen schaukeln die Jachten. Die Müritz ist der größte See innerhalb Deutschlands und wohl die bekannteste Ecke der Mecklenburgischen Seenplatte. Doch eigentlich ist das Wasser hier überall – mal so glatt, dass sich die Kirchtürme aus Backstein darin spiegeln, mal rau und weit, fast wie auf dem richtigen Meer, dann wieder eng und dicht bewachsen wie man es eher in tropischeren Gefilden erwarten würde. Kein Wunder also, dass sich das „Land der 1000 Seen“ am besten auf dem Wasserweg erkunden lässt.

An die Stille müssen sich Städter gewöhnen

Ein Netz von etwa 600 Wasserstraßenkilometern macht die Mecklenburgische Seenplatte zum größten Wassersportrevier Mitteleuropas. Wo sich andernorts Autobahnen als Lebensadern über die Landkarte ziehen, verbinden hier kleine Flüsse und Kanäle die mehr oder weniger großen Wasserkleckse. Vor allem im Sommer ist alles unterwegs, was sich mit Muskel-, Motor- oder Windkraft übers Wasser bewegen lässt: Junge Aktivurlauber paddeln im Kanu, Sportler setzen die Segel, Familien frühstücken auf dem Hausboot und echte Landratten erkunden an Bord eines Fahrgastschiffes die Natur. In der Vor- und Nachsaison sind Urlauber dagegen fast alleine auf dem Wasser – an die Stille müssen sich Städter erst mal gewöhnen.

Ei n dunkler Pfiff, ein paar kleine, weiße Wölkchen und schon setzt sich die „Europa“ in Bewegung. Mit dem Dampfschiff schippern Urlauber über die Müritz wie vor 100 Jahren. Bei der Lampionfahrt ziehen die herrschaftlichen Warener Villen vorbei, Möwen stehen in der Luft, Angler schaukeln in ihren kleinen Booten. Nirgends sonst in Deutschland ist die Binnenschifffahrt vielfältiger: Neben dem Liniennetz, das fast alle Städte zwischen Plau am See, Malchow, Waren, Neustrelitz und Rheinsberg auf den großen und kleinen Seen einschließt, werden Rund-, Tages- und Flusskreuzfahrten angeboten. Die Schiffe stechen von vielen Häfen in See, für einen ganzen Tag als Sieben- oder 16-Seen-Tour oder nur für wenige Stunden als Abend-, Romantik- oder Piratenfahrt.

Mit dem Hausboot die Natur erkunden

Wer lieber sein eigener Kapitän ist und ein Hausboot mietet, braucht in der Regel keinen Führerschein – nach einer ausführlichen Einweisung am Anreisetag können hunderte Häfen und Gast-Anleger angesteuert werden. Lohnende Ziele gibt es allein auf der Großseenplatte genug: Der Kölpingsee lockt mit dem Wisentreservat auf der naturbelassenen Halbinsel Damerower Werder, an den fünf Golfplätzen des Fleesensees lohnt ein Stopp für Golfer und der Plauer See begeistert nicht nur mit besonders klarem Wasser, sondern auch mit seinem großen Artenreichtum an Vögeln.

Land in Sicht, das heißt in der Mecklenburgischen Seenplatte aber auch immer: malerische Windmühlen und Wassertürme aus Backsteinen, pastellfarbene Fachwerkhäuser mit Geranien unter den Fenstern und Schlösser mitten im Grünen. Röbel, die „bunte Stadt am kleinen Meer“, begeistert dazu noch mit einer der schönsten Seepromenaden des Landes, in Malchow lohnt ein Abstecher auf den Stämmenberg – mit Blick über den Fleesensee, die Altstadt, die auf einer Insel im Malchower See liegt, und die Neustadt auf dem gegenüberliegenden Nordufer.

In Waren, dem bekanntesten Ort der Region, sind Hotels und Gaststätten in die alten Speicher am Hafen eingezogen. Ofenfrischer Räucherfisch von den Müritzfischern wird hier zum Lübzer Pils serviert, während die weißen Sonnenschirme vor den Cafés mit den Segeln der Boote um die Wette strahlen. Nur ein paar Meter von der modernen Hafenpromenade entfernt lädt die behutsam sanierte historische Altstadt mit romantischen Gässchen zum gemütlichen Flanieren ein.

Natürlicher Jungbrunnen

Doch Waren hat mehr zu bieten als maritimes Flair und mecklenburgischen Charme: Seit 2012 ist der Luftkurort anerkanntes Soleheilbad. Denn 1550 Meter unter der Müritz befindet sich noch ein anderes, 200 Millionen Jahre altes Meer mit jodhaltiger Thermalsole. Die Lagerstätte gilt nicht nur als natürlicher Jungbrunnen, auch Hauterkrankungen, Erkrankungen der Atemwege und des Bewegungs- und Stützapparates können mit der Heilsole im Kurzentrum auf dem Nesselberg therapiert werden.

Bewegung an der frischen Luft ergänzt bekanntlich jede Kur – vor allem im „Land der 1000 Seen“, wo die ursprüngliche Natur in sechs Naturparken und dem Unesco-Weltnaturerbe „Alte Buchenwälder“ noch reines Wasser, mildes Reizklima und saubere Luft hervorbringt. Direkt an das Warener Stadtgebiet grenzt der Müritz-Nationalpark, dessen urwüchsige Wälder, seltene Moorlandschaften und weite Wiesen mit dem Müritz-Nationalpark-Ticket per Bus und Schiff problemlos erkundet werden können. Und wenn es in einem der kleinen Beobachtungshäuschen mucksmäuschenstill ist, lässt sich das Wasser hier aus einer ganz neuen Perspektive erleben: See-adler gehen auf Beutezug, Bachstelzen füttern ihre Jungen. Selbst eingefleischte Landratten brechen da auf zu neuen Ufern.