Essen. Viele Straßen in NRW sind nach dem letzten harten Winter nur notdürftig geflickt worden. Und der nächste Winter steht vor der Tür. Sowohl dem Land als auch den Kommunen fehlt das Geld. Ein CDU-Landespolitiker fordert deshalb die Einführung einer Pkw-Maut.
Kaputte Straßen übersät mit Schlaglöchern: Den meisten Autofahrern dürfte der letzte Winter noch in wacher Erinnerung sein. Doch es droht, noch schlimmer zu werden.
„Viele Straßen in NRW wurden nur notdürftig repariert“, bestätigt Jacqueline Grünewald vom ADAC in NRW. „Sobald die Temperaturen wieder in den Keller gehen, werden die geflickten Stellen aufbrechen.“ Die Autofahrer müssten sich erneut auf chaotische Straßenverhältnisse einstellen, so der ADAC.
Der Automobilclub kritisiert, dass NRW seit Jahren eine Welle an Investitionen vor sich herschiebt. „Der Aufwand, die Straßen zu sanieren, wird somit immer größer“, meint Grünewald.
Wie groß der Sanierungsstau auf NRWs Straßen aktuell ist, lässt die Landesregierung gerade für ihre eigenen Straßen untersuchen. 2004 betrug der Nachholbedarf allein auf den 11.000 Kilometern Landesstraßen 322 Millionen Euro. Vier Jahre später war er schon auf 510 Millionen Euro angewachsen. Diesem Gutachten zufolge, war jede zweite Landesstraße bereits 2008 in einem schlechten bzw. sehr schlechten Zustand.
Städte arbeiten noch an den Schäden vom letzten Winter
Auch wenn aktuellere Zahlen erst nächstes Jahr vorliegen, ist schon jetzt klar: Seit der letzten Untersuchung 2008 hat sich der Zustand der Straßen in NRW weiter dramatisch verschlechtert. Schuld waren zum einen die beiden harten Winter 2009 und 2010/2011 und zum anderen fehlendes Geld für den Straßenbau.
Um die Landesstraßen auf dem Stand von 2008 zu halten, müsste die Landesregierung jedes Jahr 153 Millionen Euro investieren, so ein Gutachten. Tatsächlich investierte das Land zwischen 2008 und 2011 insgesamt rund 330 Millionen Euro – also pro Jahr im Schnitt 82,5 Millionen.
Nicht besser ist die Situation auf den städtischen Straßen. Kurz vor Einbruch des nächsten Winters arbeiten die Städte noch an den Schäden des vergangenen Winters. „Wir sind immer noch dran“, sagt Essens Stadtsprecher Detlef Feige.
Die meisten Straßen konnten jedoch nur notdürftig repariert werden. Täglich sind auf Essens Straßen zwei Flickkolonnen unterwegs. Pro Tag stopfen sie etwa 150 Löcher mit Kaltasphalt. Dabei nimmt die Stadt in Kauf, dass die Flickschusterei mit Kaltasphalt nur wenige Wochen hält. „Da, wo wir heute arbeiten, werden wir in ein paar Wochen wieder ran müssen“, sagt Feige. 8,6 Millionen Euro hat die Stadt Essen dieses Jahr in ihrem Haushalt für den Straßenbau vorgesehen, etwa zwei Millionen mehr als 2010. Wie viel Geld sie bräuchte, um alle Straßen in Ordnung zu bringen, lässt sie gerade untersuchen.
Nothaushalte verhindern Investitionen in den Straßenbau
Die Stadt Hagen würde etwa das Doppelte pro Jahr an Geld brauchen, um bei der Beseitigung der Straßenschäden hinterherzukommen, schätzt Matthias Hegerding von den Hagener Wirtschaftsbetrieben. Doch die Stadt, die einen Nothaushalt hat, kann sich das nicht leisten. Vor allem viele Neben- und Wohnstraßen seien seit Jahrzehnten in einem schlechten Zustand, konnten immer wieder nur notdürftig repariert werden.
In einem ähnlichen Dilemma wie Hagen steckt auch Hattingen. Die Kommune hat keinen genehmigten Haushalt. „Wir können daher nur das Nötigste machen“, sagt Stadtsprecher Thomas Griesohn-Pflieger. Auch wenn viele kommunale Straßen in Hattingen sanierungsbedüftig sind, am meisten rege die Bürger jedoch der Zustand der Landesstraßen auf, über die meist der größte Verkehr läuft. „Der Zustand einiger dieser Straßen ist verkehrsgefährdend“, meint Griesohn-Pflieger. Auf solchen Strecken in Hattingen musste deshalb schon die Geschwindigkeit herabgesetzt werden. Der Stadt seien die Hände gebunden. Griesohn-Pflieger: „Es wird jedes Jahr schlimmer.“
CDU-Politiker spricht sich für Pkw-Maut aus
Auch der Deutsche Asphaltverband bestätigt: Auf den deutschen Straßen hat sich 2011 nicht viel getan. Die Produktion der Asphalthersteller steigt 2011 voraussichtlich nur um zwei bis fünf Prozent. „Vieles davon waren jedoch Überhangaufträge aus 2010 wegen des frühen Winters“, so ein Sprecher. 2010 war die Asphaltproduktion um 20 Prozent auf 45 Millionen Tonnen eingebrochen, das war der niedrigste Wert seit der Wiedervereinigung. 2011 wird damit ein ähnlich schlechtes Jahr.
Die rot-grüne Landesregierung betont zwar, dass sie den Schwerpunkt auf den Erhalt des Straßennetzes legt. Die Opposition im Landtag zweifelt jedoch: „Die Mittel, die im Haushalt vorgesehen sind, werden nicht reichen“, sagte Olaf Lehne von der CDU und Mitglied im Verkehrsausschuss, - „egal, wie viel wir in den Haushalt einstellen.“ Lehne sprach sich deshalb für eine Pkw-Maut mit Vignette aus. Allerdings unter der Voraussetzung, dass gleichzeitig den Autobesitzern die Kfz-Steuer erlassen wird und die eingenommenen Maut-Mittel ausschließlich in den Straßenbau fließen.