Johannesburg. Der Tod des Freiheitskämpfers und Nationalhelden Nelson Mandela lässt die Welt wieder auf Soweto blicken - das wohl bekannteste Township Südafrikas im Südwesten von Johannesburg. Neben großzügigen Vorstadthäusern und Shopping Malls findet man dort aber noch immer viele Menschen in Armut.

Tausende wiegen ihre Hüften, singen und rufen immer wieder den Siegesruf des Widerstandskampfes: „Amandla! Awethu! Power to the People.“ Die Stimmung ist ausgelassen, die Menschen in Südafrika geben ihrem großen Helden, der 50 Jahre lang für die Freiheit ihres Landes kämpfte, das letzte Geleit. Lebensbejahend, fröhlich. Auch wenn Nelson Mandelas Tod sie innerlich in ein Tal der Trauer stürzt.

Auf einer Tour durch Soweto erleben wir einen Streifzug durch Mandelas Vergangenheit: In Orlando, dem Vorzeigeviertel des größten Townships des Landes, ist das ehemalige Haus der Freiheitsikone zum Wallfahrtsort mutiert. In der Vilakazi Street reihen sich hübsche Vorstadthäuser mit hohen Mauern und Gärten dicht aneinander. Vor dem dunkelroten Stahltor der No. 8115 stapeln sich Blumenbouquets und Bilder des ergrauten Giganten der Geschichte, die Fahnen Südafrikas wehen im warmen Winde Johannesburgs.

Innereien mit Maisbrei

Hierhin kehrte der große Anti-Apartheid-Kämpfer 1990 nach seiner Entlassung von der Gefängnisinsel zurück: „Erst da wusste ich auch innerlich, dass ich das Gefängnis verlassen hatte“, schreibt er in seiner Autobiografie „Long walk to freedom.“ Sein damaliges Zuhause wurde zum Museum: Im Mandela House spürt man den Geist des großen Denkers. Das bescheidene, heute mit Stahlzäunen gesicherte Vier-Zimmer-Häuschen präsentiert mit großformatigen Schwarz-Weiß-Fotos und anderen Memoiren das Leben der berühmten Familie und die politische Vergangenheit Sowetos.

Von einer Terrasse, ein Stück die Straße herunter, schallt laute, basslastige Kneipenmusik: Im gemütlichen „Sakhumzi“ probieren wir Mogodu mit Pap, Innereien mit Maisbrei. Eine Spezialität der Townships. Gewöhnungsbedürftig, aber lecker! Gegenüber liegt das Wohnhaus von Ex-Staatspräsident Desmond Tutu – ein Friedensnobelpreisträger wie Mandela. Eine historische Straße.

Kein "Wellblechprovisorium" mehr

Doch noch immer ist Soweto, die Abkürzung steht für die 30 „South Western Townships“, die sich seit 1931 südwestlich von Johannesburg erstrecken, ein sozialer Brennpunkt. Krasse Gegensätze machen die Tour durch die ehemalige Siedlung für Minenarbeiter so spannend. Mittlerweile leben knapp 1,3 Millionen Schwarze aller sozialen Schichten in der Schlaf- und Wohnstadt zusammen.

Soweto ist längst kein reines „Wellblechprovisorium“ mehr, wir fahren vorbei an der schicken Jabulani Shopping Mall und endlosen Reihen beschaulicher Steinhäuschen. Trotzdem lebt ein Großteil der Menschen in Armut: Täglich wachsen immer noch neue Wellblechhütten aus dem lehmigen Boden. Wie Mandela schon 1994 vorhersehend niederschrieb: „Ich wage nicht zu verweilen, denn mein langer Weg ist noch nicht zu Ende.“

Bildung ist die mächtigste Waffe

In der Siedlung Kliptown, keine zehn Minuten vom schicken Orlando entfernt, gibt es kaum Elektrizität oder Sanitäranlagen. Wir passieren Container mit bunten Schriften: traditionelle Heiler, Friseure. Ein Großteil der Bewohner kämpft mit einer Menge von Problemen: Über 70 Prozent sind arbeitslos, die HIV-Rate liegt bei rund 25 Prozent. Kinder werden oft früh schon kriminell. Wir besuchen das Kliptown Youth Program, es unterstützt seit 2007 Schüler mit Nachhilfeunterricht, Sport- und Kunstkursen. „Die Basis der Probleme hängt mit dem fehlenden Zugang zu einer guten Schulausbildung zusammen“, erklärt der Gründer des Projektes, Thulani Madondo. Wie Mandela sagte: „Bildung ist die mächtigste Waffe, um die Welt zu verändern.“

Schon 1976, zu seinen Zeiten, gab es Schüler in Soweto, die sich für ihre Erziehung – und gegen eine rassistische Bildungspolitik – einsetzten. Afrikaans, die Sprache der weißen Buren, sollte als Unterrichtssprache eingeführt werden. Die schwarzen Schüler beherrschten diese kaum. Die Polizei schlug den berühmten Soweto-Aufstand – ein Demonstrationszug durch Orlando – blutig nieder. Über 560 Opfer. Wir sind zurück in dem Viertel. Das beeindruckende Hector-Pieterson-Museum an der Khumalo Street erinnert an die Geschehnisse des 16. Juni, u.a. mit der weltberühmten Fotografie, die den 13jährigen sterbenden Hector zeigt. Der Aufstand wurde zum Symbol des Widerstandes gegen die Apartheidregierung.

Soweto ist einen Besuch wert, gerade, wenn man Südafrika wirklich verstehen will. Es ist eine Reise in die schmerzvolle Vergangenheit des Landes. Auf den Spuren Mandelas.