Dresden. Der Streit um die Waldschlößchenbrücke spaltete 2009 die Stadt. Der Titel als Weltkulturerbe wurde aberkannt. Wie ist die aktuelle Situation?

In den V-förmigen Streben ihrer Stahlpfeiler wird gegrillt und gechillt, Skateboarder nutzen die Schrägen gern für waghalsige Manöver. In ihrem Schatten machen Familien Picknick. Die jahrelang umstrittene Waldschlößchenbrücke ist Normalität und Anziehungspunkt für Touristen.

Vor zehn Jahren war das damals noch in der Entstehung befindliche Bauwerk Grund eines Eklats: Am 25. Juni 2009 entzog die UNESCO dem Dresdner Elbtal wegen ihr den begehrten Welterbetitel wieder - und damit erstmals für eine Kulturerbestätte. Das Komitee sah die Flusslandschaft irreversibel beschädigt.

Wachstum an Übernachtungen seit 2009

Selbstverständlich sei der Titelverlust zu bedauern, auch zehn Jahre danach, sagt Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP). «Allerdings lässt sich seriös kein materieller Schaden beziffern.» Die Tourismuszahlen seien nicht zurückgegangen. Es kämen kontinuierlich mehr ausländische Besucher. Auch auf die Städtebauförderung des Bundes oder der EU gebe es keine negativen Auswirkungen.

Statistisch sind keine Rückgänge im Dresden-Tourismus belegbar. «Vielmehr haben wir ab 2009 ein deutliches Wachstum an Ankünften und Übernachtungen verzeichnen können», sagt der Geschäftsführer der Dresden Marketing GmbH, Jürgen Amann.

Kosten von rund 179 Millionen Euro

«Ideell hat es sicherlich einen Schaden gegeben», meint Hilbert. Der jahrelange Konflikt um das Bauwerk sei jedoch durch andere Themen in der Stadt deutlich überlagert worden. «Heute noch von einer Spaltung in Brückengegnern und Befürwortern zu sprechen, wäre deutlich übertrieben und spiegelt nicht die Realität wieder.» Die sehr gute Nutzung der Brücke durch Auto-, Rad- und öffentlichen Nahverkehr zeuge von einer hohen Akzeptanz.

Die 636 Meter lange Brücke wurde 2007 bis 2013 unter anderem auf der Grundlage eines Bürgerentscheids errichtet - nach jahrelangem politischen Gezerre und juristischem Streit mit Naturschützern. Massenproteste, Baustopp, Sitzblockaden sowie Anschläge auf und Besetzungen von Baugeräten hatten bundesweit Schlagzeilen gemacht. Die Kosten summierten sich auf rund 179 Millionen Euro. Die Dresdner teilten sich in Brückengegner und -befürworter.

Zwei Blitzer auf der Brücke

Inzwischen rollt der Verkehr auf der Brücke rege durchs einstige Welterbe. Im Schnitt sind es bis zu 38 000 Fahrzeuge täglich. Damit liegt die Auslastung noch unter den Annahmen der Planer, die von rund 45 000 motorisierten Nutzern pro Werktag bis 2025 ausgingen. Zwei moderne Blitzer spülen Geld von Temposündern in die Stadtkasse: 2018 rund 519 000 Euro.

Der Deutschen Unesco-Kommission ist der Fall Dresden durchaus noch in Erinnerung. «Es war ja der erste Fall im Bereich Kulturerbe und der zweite überhaupt», sagt Sprecher Peter Martin. Zwölf seitdem neue deutsche oder Welterbestätten mit deutscher Beteiligung sprächen gegen die anfangs befürchteten negativen Auswirkungen auf Welterbe-Bestrebungen aus Deutschland. «Der Prozess um Dresden, der ja schwer war, hat das Bewusstsein erhöht bei Bewerbungen für die große Besonderheit, die der Welterbestatus ist.»

Neues Projekt: Gartenstadt Hellerau

Mittlerweile gibt es auch einen neuen Dresdner Anlauf mit der Gartenstadt Hellerau, unterstützt von der Stadt und dem Land. «Eine solche durch die Bürgerschaft getragene Bewerbung ihres Wohn- und Arbeitsorts ist bisher im Freistaat Sachsen einmalig», sagt Oberbürgermeister Hilbert. Das belege auch der erste Platz auf der sächsischen Vorschlagsliste zukünftiger Welterbestätten. (dpa)